Gesellschaft / MeToo-Tsunami in Dänemark: Tausende Frauen beklagen Sexismus und Belästigungen
Tausende Frauen in ganz Dänemark haben in den vergangenen Wochen von Sexismus und Belästigungen berichtet – in einem Land, das als Vorbild in Sachen Gleichberechtigung gilt. Erste prominente Rücktritte gibt es auch bereits.
„Dänemark ist nicht in der MeToo-Welle, sondern in einem Tsunami“, meint Camilla Söe, eine der drei Frauen, die mit einem offenen Brief Dänemarks prominentesten Rücktritt verursacht haben. Frank Jensen, der Oberbürgermeister von Kopenhagen, erklärte Anfang dieser Woche seinen unmittelbaren Amtsverzicht. Ihm werden über einen langen Zeitraum mehrfache sexuelle Belästigungen vorgeworfen. Erst wollte er dazu beitragen, die „Kultur zu ändern“, dann bekannte er: „Ich bin ein Täter.“
Der 59-Jährige, der auch den stellvertretenden Vorsitz der Sozialdemokraten niederlegte, soll einer jungen Parteigenossin auf die Toilette gefolgt sein, Frauen begrabscht und anzüglich beleidigt haben. Zwar erhielt Jensen am Sonntag im Rathaus das Vertrauen, jedoch keine Unterstützung mehr von Mette Frederiksen, der Regierungschefin und Vorsitzenden der Sozialdemokraten. Sie begrüßte die Entscheidung des Parteikollegen via Facebook. Die Politikerin steht unter Druck. Denn die zwei jungen Sozialdemokratinnen, beide nach eigener Auskunft Opfer Jensens, sowie die Geschäftsfrau Söe, die den Stein gegen Jensen ins Rollen brachten, fordern ein „Ende der Serientäter“ und eine neue Politik: „Wir beginnen, die Macht von denen zu übernehmen, die sie jahrelang systematisch verletzt haben.“
Eine Frage der Zeit
Jensen ist kaum der letzte Fall: Frederiksen erklärte am Dienstag auf der Fraktionssitzung mit Sorgenmiene, dass noch weitere Fälle innerhalb der Sozialdemokratie an die Öffentlichkeit kommen werden. Seit August rollt die MeToo-Welle durchs Königreich, und sie betrifft alle Sphären der dänischen Gesellschaft. Den Stein ins Rollen brachte die beliebte Moderatorin Sofie Linde. Auf einer TV-Gala im August erzählte sie, wie sie als 18-Jährige im öffentlich-rechtlichen Sender DR aufgefordert wurde, einer „wichtigen TV-Persönlichkeit“ Oralsex zu geben, sonst würde dieser ihre Karriere zerstören.
Unmittelbar nach Lindes Auftritt unterschrieben 1.600 Frauen aus der Medienbranche einen öffentlichen Solidaritätsbrief. In einem von 322 Politikerinnen und politisch aktiven Frauen quer durch die Parteien unterzeichneten Protestschreiben wird das Parlament als Hort der sexuellen Übergriffe beschrieben, worauf die sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen eine Anwaltskanzlei zur Untersuchung der Fälle beauftragte.
Es folgten offene Briefe aus der Wissenschaft, der Musik- und Filmbranche. Und es gibt Konsequenzen. Ein beliebter Radiomoderator musste gehen; Morten Östergaard, Vorsitzender der Linkspartei „Radikale Venstre“ trat im September zurück, da er einen sexuellen Übergriff vor zwölf Jahren zu vertuschen versucht hatte. Die Partei gilt als wichtiger Partner der Sozialdemokraten, die als Minderheit regiert und auf die Kooperation mit drei Linksparteien angewiesen ist.
Aber auch die Regierung bleibt nicht verschont – Mette Ferderiksen wird derzeit kritisiert, Jeppe Kofod zum Außenminister gemacht zu haben, obwohl jener vor zwölf Jahren ein Verhältnis mit einem 15-jährigen Mädchen hatte. Gerade die linken Parteien betreffen derzeit die Fälle und diese haben ein Glaubwürdigkeitsproblem, da dort die Rechte der Frauen generell großgeschrieben werden.
Allerdings gilt Feminismus in Dänemark eher als verpönt, da viele Däninnen und Dänen überzeugt sind, dass die Gleichberechtigung in Dänemark mittlerweile Fakt ist. Nach der Vereinigung „Equal Measures 2030“ schnitt Dänemark von 129 Ländern mit 89,3 von 100 möglichen Punkten am besten ab.
Doch nicht alle sind von der neuen MeToo-Welle begeistert. Frank Jensen, der auch Justizminister ist, sieht sich mit Verweis auf dieses Amt vorverurteilt, nicht alle in den Medien aufgelisteten Übergriffe hätten stattgefunden. Eva Selsing, Autorin der bürgerlichen Zeitung Berlingske, warnt vor einer MeToo-Gerüchte-Kultur, die Menschen zerstören könne. Allerdings schienen bislang alle Anschuldigungen zu stimmen.
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