Chamber-DebatteWarum sich der Holländer Kleijnenburg für den Erhalt historischer Bausubstanz in Luxemburg einsetzt

Chamber-Debatte / Warum sich der Holländer Kleijnenburg für den Erhalt historischer Bausubstanz in Luxemburg einsetzt
Peter Kleijnenburg, Gründer der Facebook-Gruppe „Luxembourg under destruction – Mir wëllen hale wat mir hunn“ und einer der Petitionäre Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Nachdem die Petition 1638 zum Schutz historischer Bausubstanz mit 5.280 Unterschriften die 4.500er-Schwelle deutlich überschreiten konnte, kommt es am Mittwoch ab 10.30 Uhr zur öffentlichen Debatte im Parlament. Einer der Autoren der Petition ist der Niederländer Peter Kleijnenburg. Er gründete die populäre Facebook-Gruppe „Luxembourg under destruction – Mir wëllen hale wat mir hunn“.  

Als Peter Kleijnenburg 2011 nach Luxemburg kam, sind ihm schnell die vielen Baustellen aufgefallen. „In meiner Naivität glaubte ich, dass die Häuser renoviert würden. Doch plötzlich waren sie weg, um Platz zu machen für hässliche Appartementhäuser.“ Der Niederländer aus Rotterdam traute seinen Augen nicht. In Gesprächen erzählte man ihm, wie es dem „Pôle Nord“- oder dem „Crédit Lyonnais“-Gebäude ergangen war. Kleijnenburg begann die Abrisswut in Luxemburg zu dokumentieren. 2018 war dann die Zeit für ihn gekommen, sich aktiv für den Schutz alter Bausubstanz zu engagieren.

Auslöser war der Verkauf des Hauses, in dem er an der route d’Arlon wohnte, an einen Bauunternehmer.  Die Bewohner mussten raus, obwohl sie gerne dort wohnten. Noch heute steht das Haus leer. „Oft läuft es nach demselben Schema ab“, erklärt Kleijnenburg, „Häuser werden aufgekauft und dann leer stehen gelassen. Dann heißt es nach einigen Jahren, das Haus wäre baufällig und könnte demnach nicht mehr renoviert werden. Also wird es abgerissen, um etwas Neues auf dem Grundstück zu bauen.“ Er selbst zog in eine neuere Residenz in der Hauptstadt. Nicht weil er das wollte, sondern weil es nach der Kündigung schnell gehen musste. 

Der Jurist im Finanzsektor beschloss, etwas zu unternehmen und gründete die Facebook-Gruppe „Luxembourg under destruction – Mir wëllen hale wat mir hunn“. Erst seit Dezember 2019 ist sie öffentlich, hat inzwischen fast 2.000 Mitglieder. Das ist ganz beachtlich. Menschen posten hier Fotos von Baustellen aus dem ganzen Land. Und Kleijnenburg ist in seinem Kampf nicht allein. Die Gruppe „Erhalen & Fleegen vun aler Bausubstanz/Architektur zu Lëtzebuerg“  hat ihrerseits rund 1.200 Mitglieder. Anfang Oktober hatten sich 18 Organisationen zusammengetan und in der Hauptstadt für einen effizienteren Schutz der alten Bausubstanz demonstriert.

Mit der öffentlichen Debatte in der Chamber geht der Protest in eine neue Runde. Kleijnenburg schraubt seine Erwartungen nicht allzu hoch. „Ich hoffe, wir werden ernst genommen“, sagt er. Er ist sich im Klaren, dass Entscheidungen für oder gegen eine Abrissgenehmigung auf politischer Ebene delikat sein können. Doch: „In letzter Zeit habe ich das Gefühl, dass das Thema immer wichtiger wird. Viele Leute sagen uns, dass sie mit unserer Sicht der Dinge einverstanden sind. Ja sogar, dass sie es satthaben, dass überall alte Gebäude durch scheinbar moderne Kästen ersetzt werden“, so der 38-Jährige. Und schlussendlich seien die Abgeordneten ja auch Menschen, die wohl wissen, was schön ist und was nicht. 

Argumente Wohnungsnot und Energiesparen

Die Wohnungsnot im Land lassen Kleijnenburg und Co. nicht als Argument für die Bau- und vor allem die Zerstörungswut im Land gelten. „Das ist ein 100-prozentig falsches Argument. Wir sind auch nicht prinzipiell gegen das Bauen. Es stehen so viele Baugrundstücke zur Verfügung. Um neuen Wohnraum zu schaffen, muss nichts demoliert werden. Im Gegenteil, sinnvoller ist es doch, zu erhalten und dann anderswo neu zu bauen. Das hilft gegen die Wohnungsnot.“ Dazu müsse auch keine Natur geopfert werden. „Erstens gibt es viele Baulücken, zweitens an den Rändern der Dörfer genug Platz, ein wenig hinzuzubauen. Wissen Sie, was das Problem der Dörfer in Luxemburg ist? Man hat Schwierigkeiten, sich zu orientieren, denn man findet nicht mehr ihren Kern, weil überall zwischen alten Häusern neue Betonklötze stehen.“

Anfang Oktober demonstrierten 18 Organisationen für den Erhalt der historischen Bausubstanz in Luxemburg. Der Ort war kein Zufall: Die Proteste fanden neben dem historischen Postgebäude in unmittelbarer Nähe zum neuen „Royal-Hamilius“ statt.
Anfang Oktober demonstrierten 18 Organisationen für den Erhalt der historischen Bausubstanz in Luxemburg. Der Ort war kein Zufall: Die Proteste fanden neben dem historischen Postgebäude in unmittelbarer Nähe zum neuen „Royal-Hamilius“ statt. Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jeden Tag könne man sehen, wie Luxemburg hässlicher werde. „Es ist an der Zeit, Stopp zu sagen“, meint Kleijnenburg. Deshalb fordert die Petition eine Umkehr der Beweislast. Demnach soll jedes Gebäude, das vor 1955 errichtet wurde, prinzipiell geschützt werden. Will ein Bauunternehmer es demolieren, muss er das begründen. Momentan aber kommen die Denkmalschützer oft zu spät. Weil immer wieder „Ausreden“ gefunden werden, warum etwas nicht geschützt werden könne. Eine solche Regelung wäre auch viel leichter als die Inventur aller alten Gebäude, wie sie im neuen Denkmalschutzgesetz vorgesehen ist. „Da vergehen sonst wieder zehn Jahre“, ist sich Kleijnenburg sicher. Das Gesetz befindet sich momentan auf dem Instanzenweg.

Kleijnenburg und Co. wollen, dass die Menschen durch die Debatte sensibilisiert werden. „Viele kennen sich nicht aus und glauben den Argumenten der Wohnungsnot und der Passivhäuser“, sagt er. Karin Waringo, die genau wie Kleijnenburg vor den Abgeordneten sprechen wird, hatte das am Rande der gemeinsamen Protestaktion wie folgt erklärt: „Die Rechnung mit den Passivhäusern geht nicht auf. Mit der Energie, die für den Abriss der bestehenden Infrastruktur und den anschließenden Neubau aufgebracht werden muss, müsste ein Passivhaus schon 60 Jahre stehen bleiben, damit sich das aus energetischer Sicht lohne.“ Und hässlich seien diese Häuser zumeist auch.

„Embauen, net ofrappen“: Protestpostkarte 
„Embauen, net ofrappen“: Protestpostkarte