InklusionSehen für zwei: Wie Blindenhunde in Luxemburg arbeiten 

Inklusion / Sehen für zwei: Wie Blindenhunde in Luxemburg arbeiten 
Für die Ausbildung zum Blindenführhund sind viele Rassen geeignet. Besonders beliebt sind Retriever, Riesenschnauzer oder der Deutsche Schäferhund. Foto: Chiens guides d’aveugles

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Wenn Lou mit seinem Herrchen vor die Tür geht, ist der Labrador im Dienst. Solange der Hund sein Führgeschirr trägt, ist er voll bei der Sache. Da ist kein Schnüffeln, kein „Markieren“, keine Ablenkung durch andere Vierbeiner. Lou ist ein vierjähriger Blindenführhund und seit zwei Jahren im Einsatz. Für Roland Welter, Präsident vom Verein „Chiens guides d’aveugles au Luxembourg“ bedeutet die Anwesenheit von Lou Freiheit, Unabhängigkeit, Sicherheit und natürlich eine höhere Lebensqualität.

Zielsicher führen Blindenhunde ihre Besitzer vorbei an Hindernissen wie Mülltonnen, Garagenausfahrten oder Regenpfützen. Beim Treppehinauf- bzw. -hinabsteigen setzt sich der Führhund hin oder stellt die Vorderpfoten auf die Stufe. Somit weiß der Halter Bescheid. Er begleitet sein Herrchen zur Arbeit, fährt mit ihm Zug oder bringt ihn zum Bäcker, aber auch zu seinem Lieblingscafé oder zum Briefkasten.

Roland Welter, Präsident des Vereins „Chiens Guides d‘Aveugles au Luxembourg“ und sein Hund Lou
Roland Welter, Präsident des Vereins „Chiens Guides d‘Aveugles au Luxembourg“ und sein Hund Lou Foto: Simone Mathias

Diese anspruchsvolle Arbeit verlangt vom Tier ein Höchstmaß an Konzentration. Blindenhunde können unterschiedlich viele Kommandos lernen. Lou beherrscht beispielsweise zwölf akustische Kommandos, darunter „geradeaus“, „nach links“, „Tür anzeigen“, „Straße überqueren“. Blindenhunde erkennen aber auch Hindernisse in Kopfhöhe des Halters wie z.B. vorstehende Äste, aufgespannte Sonnenschirme oder niedrig angebrachte Straßenschilder. Durch ihr hervorragendes Ortsgedächtnis kann man ihnen schon an der Haustür das Ziel angeben. Genauso wie Menschen orientieren sie sich dreidimensional, zusätzlich haben sie im Vergleich zum Menschen ein breiteres Gesichtsfeld.

Intelligentes Ungehorsam

Eine harmonische Zusammenarbeit zwischen Hund und Halter sind von wesentlicher Wichtigkeit, die Chemie im Team muss stimmen. Die Verantwortung liegt immer beim Menschen, der Hund kann nur intelligent agieren, wenn der Mensch konkrete Anweisungen gibt und die Kontrolle behält: „Der Hundeführer ist der Navigator, denn nur er kennt den Weg, der Hund ist der Pilot“, erläutert Roland Welter. Weiter führt er an, dass Blindenhunde in ihrer Ausbildung auch den sogenannten „intelligenten Ungehorsam“ lernen. Würde der Halter eine Entscheidung treffen, die die „Equipe“ bzw. auch andere Menschen in eine Gefahr bringen würde, dann verweigert der Hund den Gehorsam: Im Zweifelsfall bleibt er stehen oder er sucht nach einer Lösung.

„Sehen für zwei“ verlangt von den Fellnasen ein Höchstmaß an Konzentration. Für uns Menschen, die einem solchen Gespann begegnen, bedeutet das, den Hund nicht streicheln, anfassen oder locken. Und schon gar nicht provozieren. „Negative Erfahrungen haben wir beide damit aber noch nie gemacht“, so Roland Welter. „Es gibt eine sehr große Toleranz in unserer Gesellschaft gegenüber Blinden und ihren Hunden“, führt der Präsident weiter aus.

Nicht alle Hunde sind für so eine anstrengende Arbeit geeignet. Der Hund muss körperlich gesund sowie freundlich und ausgeglichen gegenüber Mensch und Tier sein. Der ideale Blindenhund sollte auch gegenüber Geräuschen und optischen Reizen unempfindlich sein. Eine weitere Rolle spielt die Größe, denn ein Blindenführhund sollte in etwa 50 Zentimeter groß sein. Für die Ausbildung zum Blindenführhund sind viele Rassen geeignet, sehr beliebt sind zum Beispiel der Retriever, genauer der Labrador Retriever, aber auch der Riesenschnauzer oder der Deutsche Schäferhund.

Ruhestand

Ab einem Alter von zwei Monaten leben die von den Hundeerziehern ausgewählten Tiere in einer Patenfamilie, gleichzeitig absolvieren sie regelmäßige „Stages“, bis sie dann im Alter von zwölf Monaten ihre definitive Ausbildung beginnen. Mit 18 bis 24 Monaten ist die Ausbildung abgeschlossen. Am Ende der Führhundausbildung findet auch ein Einweisungslehrgang für den Halter statt. Dieser beginnt in der Hundeführschule und geht anschließend am Wohnort des zukünftigen Halters weiter. Das Arbeitsleben dauert zwischen acht und zehn Jahren, danach geht es in den wohlverdienten Ruhestand. Normalerweise verbleibt der Hund dann bei seinem Herrn und kann seinen Lebensabend bei ihm genießen.

Natürlich verlangt so viel Arbeit und Konzentration auch Freizeit und Erholung. Die beginnt für Lou ab dann, wenn er sein Führgeschirr ausgezogen bekommt. Dann darf er sich nach Herzenslust austoben, herumtollen, mit seinen Artgenossen spielen und gestreichelt werden.

Infos

In Luxemburg leben zurzeit zwölf sogenannte „Equippen“ (so nennt man das aus Hund und Halter bestehende Gespann), die in Frankreich in einer Blindenhundeführschule ausgebildet wurden. Hierzulande brauchen Blinde für die Anschaffung eines Führhundes nichts zu zahlen – was nicht bedeutet, dass der Hund nichts kostet. Die Ausbildung eines Hundes schlägt in der Tat mit ca. 25.000 Euro zu Buche. Die Vereinigung „Chiens guides d’aveugles au Luxembourg“ hilft Antragstellern bei allen anfallenden Fragen betreffend einen Blindenhund weiter. Mit ihren Spenden unterstützt die Vereinigung die französische Hundeführschule, bei welcher Erzieher tätig sind, die zusätzlich zum Abitur eine dreijährige Ausbildung als Erzieher für Blindenhunde absolvieren müssen. Weitere Infos und Hinweise für Spenden finden Sie unter www.chienguide.org bzw. telefonisch unter der Nummer +352 621 286 153.