Journée de la commémorationEin Gedenktag im Zeichen des Leids der Frauen

Journée de la commémoration / Ein Gedenktag im Zeichen des Leids der Frauen
Großherzog Henri und Maisy Ginter-Bonichaux enhüllen die Gedenktafel für die zwangsrekrutierten Frauen Luxemburgs Foto: Editpress/Alain Rischard

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Der nationale Gedenktag wird jedes Jahr seit 1946 begangen, um an das Referendum vom 10. Oktober 1941 und an die Schrecken der Nazi-Herrschaft in Luxemburg zu erinnern. Am Gedenktag am gestrigen Sonntag wurde zu Ehren der 3.614 Mädchen und Frauen, die von den Nazi-Besatzern zwangsrekrutiert wurden, eine Plakette am Bahnhof enthüllt. 

Der nationale Gedenktag würdigt die Solidarität und den Mut des luxemburgischen Volkes während der Nazi-Besatzung von 1940 bis 1945. Mit einem Referendum am 10. Oktober 1941 versuchten die Besatzer Luxemburg in das Deutsch Reich zu inkorporieren. Aber auf die Schlüsselfragen antworteten viele Luxemburger dreimal mit „Lëtzebuergesch“ – und setzten sich somit für die Luxemburger Unabhängigkeit ein. 

Großherzog Henri enthüllte am Sonntagmorgen gemeinsam mit Claude Wolf vom „Comité pour la mémoire de la Deuxième Guerre mondiale“ und Maisy Ginter-Bonichaux eine Gedenktafel am Hauptbahnhof in Luxemburg-Stadt. Die heute 96 Jahre alte Maisy Ginter-Bonichaux war eine der 3.614 jungen Frauen, die von den Nazis zwangsrekrutiert wurden. Die meisten von ihnen verließen Luxemburg über den Hauptbahnhof. 58 von ihnen starben in einem fremden Land. Der Großherzog und Premierminister Xavier Bettel legten auch einen Blumenkranz vor der Tafel nieder. Im Anschluss an die Zeremonie wurde eine Gedenkfeier auf dem „Kanounenhiwwel“ zelebriert.  (Red.)

Esch: Anerkennung für „selbstlosen Einsatz“

Auch in Esch wurde am Sonntag der Opfer des Zweiten Weltkrieges gedacht, der Kinder, Frauen und Männer, die unter anderem bei den Bombardierungen der Bahnhöfe Bettemburg und Luxemburg ihr Leben ließen. Bürgermeister Georges Mischo erinnerte an unsere 1.300 jüdischen Mitbürger, die von den Nazis per Zug gen Osten transportiert wurden und in Ghettos an einer Krankheit starben oder in Vernichtungslagern ermordet wurden. Gedacht wurde auch der 3.000 Zwangsrekrutierten, die an der Front fielen, bis heute vermisst sind oder ihren schweren Verletzungen erlagen. Besonders wird in diesem Jahr der Frauen gedacht, die die Last des Krieges oft alleine ertragen mussten. Frauen, Mädchen und Mütter hielten die Familien zusammen, ohne sie wäre es nicht möglich gewesen, die Resistenzbewegung aufrechtzuerhalten.

Ihr selbstloser Einsatz für die Allgemeinheit und die Freiheit unseres Landes verdient Respekt und Anerkennung. Nur wenige Bürger haben trotz enormer Risiken den Nationalsozialismus aktiv bekämpft. Einfacher wäre es für sie gewesen, den Kopf in den Sand zu stecken, unauffällig zu bleiben und so ihr Überleben zu sichern. Manche aber haben sich dazu entschlossen, eine Gegenpropaganda zu starten, für die Alliierten zu spionieren, Verfolgte zu verstecken oder ihnen über die Grenze zu helfen. Man müsse sich bewusst sein, dass nur eine Minderheit aktiv gegen die Nazidiktatur vorging. Im Gegenzug ist die gesamte Gesellschaft idiesen mutigen Menschen dafür Anerkennung und Dankbarkeit schuldig und vergisst sie nicht.

Seit Anfang des Jahres durchqueren wir wieder schwierige Zeiten. Obwohl sie nicht mit dem Zweiten Weltkrieg vergleichbar ist, ist unsere Gesellschaft auch jetzt auf Menschen angewiesen, die sich selbstlos für andere einsetzen. Krisen lassen sich nur gemeinsam, mit Respekt und in Zusammenarbeit meistern. Egoismus und Gleichgültigkeit sind hier Fehl am Platz, hieß es am Sonntag. (Paul Huybrechts)

Gedenken in der „Cité martyre“

So auch in Wiltz im Norden des Landes. Die Hauptstadt der luxemburgischen Ardennen trägt zudem den Ehrentitel „Cité martyre“.

Der Auftakt zum landesweiten Generalstreik gegen die deutschen Okkupanten ging von hier aus. Arbeiter und Angestellte der „Ideal“-Lederwerke riefen am 31. August 1942 zum Streik auf. Auslöser der Proteste war die Ankündigung des Gauleiters Gustav Simon, die allgemeine Wehrpflicht für Luxemburger einzuführen. Die deutschen Besatzer wollten die Jahrgänge 1920 bis 1924 zur Teilnahme an Hitlers Krieg zwingen. Diese Streikwelle ergriff das ganze Land. Für dieses Aufbegehren gegen die Naziherrschaft musste jedoch ein hoher Preis gezahlt werden. Die Deutschen schlugen den Streik brutal nieder. Standgerichte verurteilten daraufhin 21 Menschen aus Luxemburg zum Tode, von denen alleine sechs Opfer aus Wiltz kamen.

Von den damals 4.000 Einwohnern der Gemeinde wurden während der Besatzungszeit 91 Personen aus 27 Familien umgesiedelt, 15 starben in Konzentrationslagern. 164 junge Männer wurden in die Wehrmacht zwangsrekrutiert, 42 fanden dabei den Tod. 15 wurden als verschollen gemeldet und 21 kehrten als kriegsversehrt heim. 43 Wiltzerinnen mussten das Joch des Reichsarbeitsdienstes ertragen. Nicht nur die Nazi-Herrschaft hatte tiefen Wunde hinterlassen, auch das letzte große Aufbäumen der Deutschen an der Westfront sorgte für viel Leid. Während der Ardennen-Offensive vom Dezember 1944 bis zum Januar 1945 kamen 50 weitere Einwohner der Stadt ums Leben. 80 Prozent der Wohnhäuser in Wiltz wurden dabei zerstört.

Am Freitagabend wurde unter anderem am „Monument aux morts“ in der avenue Nic Kreins mit Kranzniederlegungen an dieses dunkle Kapitel unserer Zeitgeschichte gedacht.