Gestiegene InfektionszahlenRegierungsrat am Samstag – Kommen tatsächlich neue Restriktionen? 

Gestiegene Infektionszahlen / Regierungsrat am Samstag – Kommen tatsächlich neue Restriktionen? 
Xavier Bettel am vergangenen Freitag im Schloss Senningen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die Kurve steigt, und zwar steil. 227 Neuinfektionen meldet die „Santé“ am Freitag – so viele wie noch nie zuvor. Und Forscher befürchten, dass das nur der Anfang sein könnte. Die Regierung versammelt sich deshalb am Wochenende zu einem außergewöhnlichen Regierungsrat. Kommen tatsächlich neue Restriktionen? 

„Die Regierung hat festgehalten, dass wir zu diesem Moment noch keine Ursachen für neue Restriktionen sehen“, sagte Premierminister Xavier Bettel (DP) erst am Dienstag in seiner Rede zur Lage der Nation. Doch nur drei Tage später könnte diese Aussage überholt sein. Am Freitagabend teilte die Regierung mit, dass sie noch am Samstag zu einem außerordentlichen Regierungsrat zusammenkommen wird, um „eine Bilanz der Situation in Bezug auf Covid-19 zu ziehen“. Zuvor hatte eine Sprecherin des Premierministers gegenüber dem Tageblatt gesagt, dass nicht ausgeschlossen ist, dass auf dem Treffen über mögliche Restriktionen diskutiert wird.  

Dabei beschwichtigte auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) noch am Mittwoch. Die verschiedenen Schlüsselindikatoren lieferten noch keinen Grund zur Besorgnis, sagte sie auf einer Pressekonferenz. Es sei möglich, die Lage „mit einer kollektiven Anstrengung und mit den Maßnahmen, die da sind“, in den Griff zu bekommen. 

Tatsächlich nimmt das Infektionsgeschehen in Luxemburg wie in seinen Nachbarländern zu. Am Freitag meldete die „Santé“ 227 Neuinfektionen bei den Einheimischen. Damit wurde erstmals der Peak aus der ersten Welle überschritten – und der alte Höchstwert von 219 neuen Fällen am 23. März überschritten. Ein politisches Statement wollte man am Freitag im Gesundheitsministerium nicht geben. „Santé“-Direktor Jean-Claude Schmit erklärte am Freitagmorgen aber gegenüber dem Tageblatt: „Wenn Sie die Nachbarländer betrachten und sehen, was in Frankreich, Belgien und zum Teil auch in Deutschland geschieht, ist ganz klar, dass die Zahlen überall schnell steigen.“ Luxemburg sei keine Insel. „Wir werden auch hierzulande höchstwahrscheinlich wieder steigende Zahlen haben.“ 

Mehr Aktivitäten im Inneren

Überrascht sei Schmit nicht von der Entwicklung. „Jeder hat vorhergesehen, dass das im Herbst passiert“, sagt er. Dafür gebe es mehrere Erklärungen – eine sei, dass die ökonomischen Aktivitäten wieder stark zugenommen hätten. „Über die Sommermonate war es viel ruhiger“, sagt der „Santé“-Direktor. Zudem würden wetterbedingt mehr Aktivitäten in Innenräumen stattfinden. „Es gibt aber wahrscheinlich eine ganze Reihe anderer Faktoren.“ Er geht nicht davon aus, dass die Zahl der Infektionen „sehr stark“ steigen wird. 

Alexander Skupin, Forscher am Luxembourg Centre for Systems Biomedicine (LCSB) und einer der Simulationsexperten der Covid-19-Taskforce, kann diese Einschätzung nur bedingt teilen. „Unsere Befürchtung ist, dass wir nach dem Vorgeplänkel jetzt so richtig in die zweite Welle einsteigen“, sagt er. „Das ist wirklich besorgniserregend.“ Derzeit würde es zu einer Verstärkung der Effekte aus dem Sommer kommen.

Der Wissenschaftler befürchtet, dass die neue Welle größer wird als die erste. Wenn die Entwicklung dieser Woche weiter voranschreite, könne sich die Amplitude weiter ausbreiten. Das bedeutet: „Wir könnten über die nächsten Monate und über den Jahreswechsel hinaus steigende Fallzahlen haben.“ Laut Skupins Projektionen könnten Anfang Dezember 300 bis 400 Neuinfektionen pro Tag verzeichnet werden. Aber, sagt der Forscher: „Die Rückwirkungen der hohen Fallzahlen auf das Verhalten der Menschen ist schwer vorhersehbar.“ Skupin hofft, dass sich diese Fallzahlen auf ein „erträgliches Niveau“ einpendeln.

Die neue Welle könne glimpflich ablaufen. „Auf der positiven Seite ist, dass wir momentan noch immer eine jüngere Altersstruktur bei den Infizierten haben“, sagt Skupin. Damit einher geht die Hoffnung, dass es zu weniger schweren Verläufen kommt – oder Todesfällen. Hinzu käme, dass die Behandlungsmethoden in den Krankenhäusern besser funktionierten und dass die Kapazitäten für eine höhere Welle als beim ersten Mal reichten. Allerdings zeigten die Statistiken auch, dass sich mittlerweile wieder ältere Menschen infiziert haben. 

Der Forscher mahnt: Masken helfen nur, wenn man sie richtig trägt. „Wir sind alle der Maßnahmen müde, das ist nicht nur ein luxemburgisches Phänomen.“ Aber die Menschen müssten sich wieder auf die eisernen Pandemie-Regeln zurückbesinnen. Die sozialen Interaktionen auf das Wesentliche reduzieren – speziell, wenn man mit gefährdeten Menschen zusammenlebt. Das heißt: keine großen Gruppen, Dinge online erledigen, Hygienemaßnahmen beachten, Masken tragen, sich im Supermarkt nicht ins größte Getümmel werfen, desinfizieren. Wer Home-Office machen kann, sollte es tun. „Das sind die Hauptstellschrauben“, sagt Skupin. 

CSV fordert „klare und kohärente“ Regeln

Die Opposition fühlt sich derweil als ungehörten Mahner. „Wir haben schon während der Rede zur Lage der Nation darauf hingewiesen, dass es unbedingt notwendig ist, jetzt etwas zu unternehmen“, sagt CSV-Fraktionschefin Martine Hansen. „Ich denke, dass die Regierung auf Herrn Macron wartet – wenn er etwas entscheidet, reagiert die Regierung auch.“

Hansen fordert „klare und kohärente“ Regeln, insbesondere hinsichtlich der Maskenpflicht. „Eigentlich müsste die Regel lauten: Wenn ich keine Distanz einhalten kann, muss ich eine Maske anhaben – aber bei uns gilt diese Regel nicht“, sagt sie. In Luxemburg könne man draußen ohne Maske zusammensitzen, wie man will, solange es kein organisiertes Treffen sei. „Es ist doch Quatsch, zwischen Rassemblement und Reunion einen Unterschied zu machen – das Virus macht es doch auch nicht.“ Hansen bezweifelt, dass das Contact Tracing bei den jetzigen Infektionszahlen noch funktioniere. Sie meint, dass jetzt alles getan werden müsse, um einen kompletten Lockdown zu verhindern. „Wir schaffen einen zweiten Lockdown nicht. Nicht menschlich und nicht wirtschaftlich.“

Dem stimmt auch ein Kollege Hansens vom anderen Ende des politischen Spektrums zu. „Ein Lockdown wäre fürchterlich, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch für die mentale Gesundheit der Menschen“, sagt Marc Baum, Parlamentarier von „déi Lénk“. „Ich glaube, dass die Gesellschaft das nicht mehr verträgt.“ Baum bezweifelt, dass es unbedingt neue Restriktionen brauche. „Entscheidend ist, die Kurve abzuflachen“, sagt er. „Und wie sich die Zahlen der belegten Betten in den Krankenhäusern entwickeln.“ Dort sei Luxemburg noch im grünen Bereich. Baum vermutet, dass die Regierung jetzt vor allem wegen Druck aus dem Ausland handele. „Ich denke, dass dadurch eine Angst besteht, dass es direkte Auswirkungen auf Grenzgänger geben könnte.“ Was sich bei den 200.000 „Frontaliers“ abspielt, ist jedoch unbekannt: Die Luxemburger Regierung veröffentlicht seit Ende August keine Infektionsstatistiken mehr über die Arbeitnehmer aus den Nachbarländern.

„Man muss sich wirklich fragen, ob es zusätzliche Maßnahmen braucht“, sagt Baum. Dazu müsse man weitere Informationen haben, zum Beispiel, ob die „Santé“ neue Cluster oder Ketten ermittelt hat. „Mitte der Woche hat das noch anders ausgesehen“, sagt Baum. „Ich bin skeptisch, ob es neue oder andere Restriktionen braucht.“

LSAP-Mann Mars Di Bartolomeo glaubt ebenfalls nicht, dass es zu zusätzlichen, einschneidenden Maßnahmen kommt. Die Zahlen seien zwar unbestreitbar hoch, „und sie sind besorgniserregend“. Deshalb findet er es auch nicht außergewöhnlich, dass die Regierung zusammenkommt. Aber: „Ich gehe davon aus, dass die Informationskampagne noch einmal wesentlich intensiviert wird“, sagt Di Bartolomeo. Für den Fall der Fälle stehe die Chamber aber bereit. „Das Parlament ist in der Lage – genau wie der Staatsrat – bei Entwicklungen, die in eine noch Besorgnis erregendere Richtung gehen, schnell gesetzgeberisch aktiv zu werden.“ Jetzt sei es wichtig, Signale zu setzen. „Der Regierungsrat setzt ein Zeichen: Wir nehmen das ernst – bitte nehmt es auch ernst.“

Gross
19. Oktober 2020 - 14.07

@Steffen "Wiso" Bin auch ein Fan der Sendung.

Schmeler Michel
17. Oktober 2020 - 17.55

Elo sin ech schon 15 Joer mam Krieps geplot. Dee Leschten hat sech scho verbreet. Scho 16 Meient Hell an 23 Kilo verluer. Mein Dr huet mer eng Ordonnance fir d'Grippespretz geschriwwen. Keng do sooten se an der Apdikt. Anscheinend sin do dei Vulnérabel naischt Wert.

LPM
17. Oktober 2020 - 16.22

Was sollen denn neue, strengeren Restriktionen bewirken? Das ist doch politischer Aktionismus unter dem wieder mal alle leiden werden. Dabei wäre es vermutlich völlig ausreichend wenn man dafür sorgen würde, dass die bestehenden Restriktionen - - Masken/Abstand - eingehalten werden. Insbesondere in Bars und Cafés bzw. auf dem Bürgersteig und der Strasse vor gewissen Lokalen.

Grober J-P.
17. Oktober 2020 - 13.03

Man braucht keine zusätzlichen Restriktionen. Man sollte sich an die bestehenden Regeln halten. Leider machen etliche nicht mit. Gestern im Restaurant miterlebt, Abstände einhalten null, Hygienemaßnahmen null, Masken tragen nur sporadisch, man vergisst alles so leicht. Die Quittung kriegen wir jetzt präsentiert.

broma
17. Oktober 2020 - 12.44

@Nomi "Gambia huet elo schons eng Woch verpennt !" D'CSV huet 30 Joer laang gepennt, dann ass dat hei genial dogéint.

Nomi
17. Oktober 2020 - 12.26

Gambia huet elo schons eng Woch verpennt !

Gerd
17. Oktober 2020 - 11.57

Wann en den Här Turmes haut am Wort gesäit, wéi heen do steet,ouni Mask kuerz no der Quarantän, dann verstinn ech guer naicht méi.

Lucilinburhuc
17. Oktober 2020 - 11.14

Directeur de la Santé - Director of Health (chief medical officer) Luxembourg, Schmidt versucht, nach seinen Aussagen von gestern, zu relativieren. Dennoch, besser zu früh wie zu spät weitere Restriktionen!

Steffen
17. Oktober 2020 - 10.40

Wiso