Debatte im Parlament„Immer cool bleiben“: Abgeordnete diskutieren über Lage der Nation

Debatte im Parlament / „Immer cool bleiben“: Abgeordnete diskutieren über Lage der Nation
Martine Hansen trat als Erste ans Rednerpult, um auf die Rede zur Lage der Nation einzugehen Foto: Chambre des députés

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Die Parlamentarier haben im Anschluss an die Vereidigung des neuen ADR-Abgeordneten Fred Keup über die Lage der Nation diskutiert. Den Anfang machte CSV-Fraktionspräsidentin Martine Hansen, die die Rede von Premierminister Xavier Bettel scharf kritisierte.

Die Debatte im Parlament – eigentlich eine Aneinanderreihung von Monologen, die nur gelegentlich von Zwischenrufen unterbrochen werden – hat, wie zu erwarten, wenig neue Argumente hervorgebracht. Die Opposition kritisierte die Rede von Premierminister Xavier Bettel (DP), während die Regierungsparteien die geleistete Arbeit lobten und aufgezeigte Perspektiven hervorhoben. 

CSV-Fraktionspräsidentin Martine Hansen trat als Erste ans Rednerpult und vermochte der Rede von Premierminister Xavier Bettel wenig Positives zu entnehmen: „Es war ein schwieriges Jahr und deshalb wäre es umso wichtiger gewesen, dass die Politik Zukunftsperspektiven aufweist und den Leuten die Ängste zu nehmen versucht.“ Stattdessen habe die Regierung deutlich gemacht, dass sie keine Strategie und kein Konzept für einen Neuanfang habe, sagte Hansen.

Die Corona-Krise sei noch immer omnipräsent, das zeigten die 800 Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen deutlich. Dennoch sei von einer globalen Strategie nichts zu sehen, sagte die CSV-Politikerin. Obschon doch „Nachhaltigkeit“ einer der zentralen Stichpunkte sei, mangele es sowohl an einem nachhaltigen Gesundheitsplan als auch an einer entsprechenden Wirtschaftspolitik. Die CSV-Fraktionschefin stellte im Hinblick auf eine Erbschaftssteuer in erster Linie klar: „Die wird es mit der CSV nicht geben“ – schelmische Zwischenrufe, die nach der Position von CSV-Präsident Frank Engel fragten, waren kaum zu überhören. Insgesamt jedoch schob Hansen einer eventuellen Steuererhöhung, „fir déi blo-rout-gréng Zopp auszeläffelen“, einen Riegel vor.

Baum und Engel verteidigen Arbeit der Regierung

Gilles Baum übernahm die Rolle des ersten Verteidigers von Premierminister Xavier Bettel. Der DP-Abgeordnete lobte die zahlreichen Maßnahmen, die die Regierung während der Krise getroffen habe, um Betriebe vor dem Bankrott und Privatpersonen vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren. In Richtung CSV fragte er: „Hätten Sie all diese Anstrengungen nicht unternommen?“ Er verbat sich jede weitere Anmerkung zur Schuldenlage des Landes. Für weitere Zwischenrufe der Opposition hatte Baum nur ein „immer cool bleiben“ übrig.

Der DP-Politiker nahm sich auch der Wohnungsproblematik an, indem er erklärte: „Wir sind Opfer des eigenen Erfolges!“ Die Preissteigerung sei weiterhin eine Herausforderung für das Land und fordere eine schnelle Umsetzung des Baulandvertrages, um der Spekulation ein Ende zu setzen. Baum nahm jedoch auch die Gemeinden in die Pflicht: „Mit den staatlichen Hilfen sollen die Gemeinden keine Kulturzentren oder Sporthallen bauen, sondern in den Wohnungsbau investieren.“

LSAP-Fraktionschef Georges Engel erklärte, dass der Premierminister eine gute Analyse der derzeitigen Situation vorgelegt habe, und kritisierte die Opposition scharf: „Die Opposition braucht eine neue Schallplatte – seit Jahren erzählt sie jedes Mal dasselbe.“ Apropos Debatte: Eine echte Diskussion kam nur sehr kurz auf – CSV-Politiker Gilles Roth ließ aber schnell wieder einen Monolog daraus werden.

Der LSAP-Politiker zeigte wenig Verständnis für die zahlreichen Kritiker der Corona-Maßnahmen: „Was haben wir davon, jeden da draußen und damit auch uns selbst zu schikanieren?“ Die Situation sei derzeit im Griff, weitere Maßnahmen seien deswegen nicht nötig.

Neues Pandemiegesetz

Grünen-Fraktionschefin Josée Lorsché nutzte ihre Rede, um auf mehrere strukturelle Probleme des Gesundheitswesens in Luxemburg zu verweisen, und warf einen kritischen Blick auf Europa: „Wir fordern eine harmonisierte Covid-Strategie in Europa, eine europäische Produktion von Medikamenten und gemeinsame Katastrophenschutzpläne.“ Die Trägheit sei im Hinblick auf die Krise zu bedauern, sagte die „déi gréng“-Politikerin. „Nationale und individuelle Egoismen bringen im Hinblick auf die Pandemie niemanden weiter“, stellte Lorsché fest und forderte eine Überarbeitung des Pandemiegesetzes, das noch aus dem 19. Jahrhundert stammt.

„Luxemburg hat das Schlimmste verhindert, wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen“, sagte Josée Lorsché zur ökonomischen Krise. Es sei begrüßenswert, dass der Arbeitsagentur ADEM mehr Personal zur Verfügung gestellt werden würde, um der Arbeitslosigkeit und der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken, sagte Lorsché. „Wir müssen dafür sorgen, dass kein Jugendlicher sozial abgehängt wird.“

Die Wohnungsbauproblematik ist ein Problem und es muss über Fehlentwicklungen auf dem Immobilienmarkt gesprochen werden, fordert Lorsché in ihrer Rede. Die Fraktionschefin von „déi gréng“ kündigte mit dem Pacte Logement 2.0 einen Paradigmenwechsel auf dem Wohnungsmarkt an und verwies auf ein gezieltes Wachstum innerhalb der Gemeinden. 

„Verharmlosung der finanziellen Situation“

Als Paraphrase des Regierungsprogramms und als Verharmlosung der finanziellen Situation des Landes bezeichnete hingegen der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser die Rede zur Lage der Nation. Weiterhin bemängelte Kartheiser die mangelnde Transparenz der Regierung – zwei seiner parlamentarischen Fragen seien bereits seit über einem Jahr nicht beantwortet worden. Zudem kritisierte er mit Verweis auf die Schaffung der „Maison du Grand-Duc“, dass in Luxemburg die Regierung am Parlament vorbeiregiere.

Die ADR habe im „Etat de crise“ anfänglich hinter den getroffenen Maßnahmen gestanden, kritisiere jedoch die fortwährende Einschränkung der Grundrechte der Bürger des Landes. „Rückblickend gesehen und mit dem Wissensstand von heute hätten wir vieles anders gemacht“, sagte der ADR-Politiker. Fernand Kartheiser monierte weiterhin die hohe Schuldenlast: „Die Regierung ist nicht in der Lage, die nötigen Entscheidungen zu treffen, um die Schuldenlast unter den kritischen 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu halten.“

Weiter wie bisher

Marc Baum von „déi Lénk“ kritisierte, dass Premierminister Xavier Bettel es verpasst habe, zumindest Schlussfolgerungen aus vergangenen Lehren zu ziehen. „Das allein ist schon eine Bankrotterklärung an die bestehende Regierungserklärung“, schlussfolgerte der Politiker. Der Premierminister habe keine Vision und keine Ambitionen für das Land, sagte Baum.

Die wichtigste Lehre, die aus der Krise hätte gezogen werden müssen, wäre die, dass das Gesundheitssystem nur deshalb so gut funktioniert, weil es – anders als in Spanien oder Italien – noch nicht so weit privatisiert worden ist. Zudem forderte Marc Baum, dass eine abgehängte Covid-Generation verhindert werden soll. „Das muss doch die allererste Regierungspriorität sein.“

Auch auf die Wohnungsproblematik ging der Abgeordnete Baum ein. „Die Wohnungsbauproblematik existiert seit Jahren – dass es heute noch Parteien gibt, die diese Angelegenheit dem freien Markt überlassen wollen, ist unverständlich“, erklärt Baum mit Verweis auf die Intervention der ADR.