Nationaler Drogenaktionsplan 2020-2024Mehr Prävention, weniger Nachfrage

Nationaler Drogenaktionsplan 2020-2024 / Mehr Prävention, weniger Nachfrage
Seit 2007 ist der intravenöse Konsum problematischer Drogen in Luxemburg rückläufig. Programme wie der Tausch gebrauchter Nadeln oder der Bau weiterer Fixerstuben sollen aber weiter vorangetrieben werden. Die Maßnahmen hätten sich bewährt, so der Drogenbeauftragte Alain Origer. Foto: dpa/Felix Zahn

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Mit 80 konkreten Maßnahmen will die Regierung in den kommenden fünf Jahren illegalen Drogen zu Leibe rücken und den damit einhergehenden Süchtigen helfen. Festgehalten wurden diese Initiativen im „Plan d’action national en matière de drogues illicites et d’addictions associées 2020-2024“, der gestern im Gesundheitsministerium vorgestellt wurde.

Eine Reduzierung der Nachfrage und die Einschränkung des Angebots: Das sind die beiden Standbeine des fünften nationalen Drogenaktionsplans, der gestern von Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und dem nationalen Drogenbeauftragten Alain Origer offiziell vorgestellt wurde. Die Ministerin sprach dabei von einem äußerst vielschichtigen Plan mit vier großen Achsen, auf denen die verschiedenen Maßnahmen, Projekte und Herangehensweisen fußen. Gemeint sind die Reduzierung der Risiken, Schäden und Belastungen, die Recherche und Auswertung, die internationalen Beziehungen sowie die verschiedenen Koordinationsmechanismen.

„Auf die Betroffenen zugehen, sie nicht im Regen stehen lassen“, das sei das Hauptanliegen des neuen Aktionsplans. „Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen bei dieser Herangehensweise, mit seiner Gesundheit, seiner Würde und seinen Rechten“, so Gesundheitsministerin Paulette Lenert. „Wir wollen den Betroffenen entgegenkommen und sie in dem Milieu abfangen, in dem sie sich gerade befinden. Ob nun auf der Straße, im Krankenhaus oder gar im Strafvollzug: Es ist wichtig, individuelle Programme anzubieten, die zur Situation jedes Einzelnen passen.“

Im Zusammenhang mit illegalen Drogen sei das Suchtverhalten besonders vielschichtig, erklärte die Ministerin. Die Herausforderung bestehe darin, dieses Phänomen aus den unterschiedlichsten Richtungen zu beleuchten sowie flexible und kreative Maßnahmen auszuarbeiten, die einerseits den Betroffenen befreit von allen Stigmata helfen, andererseits aber auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft auf ein Minimum reduzieren.

Prävention hat oberste Priorität

Beim Drogenmarkt handele es sich um ein brutales Milieu mit einer ganz eigenen Dynamik und der Gabe, immer wieder neue Wege zu erschließen, so Lenert. „Die Prävention genießt nun oberste Priorität. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen gar nicht erst in die Sucht hineinrutschen“, unterstrich die Ministerin. „Ein Mensch, der sich wohl in seiner Haut fühlt, läuft auch weniger Gefahr, zu Drogen zu greifen“, pflichtete der nationale Drogenbeauftragte Alain Origer bei. Prävention genieße weiterhin allerhöchste Priorität. Dies sei vor allem wichtig bei Jugendlichen.

Allerdings dürften bereits betroffene Süchtige nicht im Regen stehen gelassen werden. Ihnen will die Regierung auch verstärkt entgegenkommen, etwa mit der Ausweitung von Substitutionsprogrammen oder neuen Pflegeangeboten, die den aktuellen Bedingungen und Bedürfnissen auch entsprechen. So nimmt das Durchschnittsalter der sogenannten „problematischen Drogenkonsumenten“ stetig zu. Eine positive Entwicklung, die jedoch mit sich bringt, dass die etwas älteren Betroffenen andere Krankheitsbilder entwickeln, denen sich die Aufnahmeeinrichtungen anpassen müssen.

Verstärkt wird indessen die Zusammenarbeit auf repressiver Ebene, etwa mit den Justizbehörden oder der Polizei. Es sei wichtig, neben Prävention und Behandlung auch das Angebot zu zerschlagen, so die beiden Redner. Und das indem Produktion, Schmuggel, Vertrieb und Verkauf illegaler Drogen weiter gestört werden müssen. Dabei wird sich Luxemburg verstärkt mit anderen Staaten und den EU-Behörden zusammenschließen, weiter auf moderne Kommunikationsmittel setzen und sich Mittel und Wege geben, Drogenmärkte und Schmuggelwege analysieren und besser verstehen zu können.

Cannabis hui, Heroin pfui

Am meisten werden in Luxemburg immer noch Cannabisprodukte konsumiert. Es folgen Kokain und Ecstasy, jedoch in Maßen, die weit unter dem europäischen Durchschnitt liegen. Der intravenöse Konsum harter Drogen wie Heroin ist indessen seit Jahren rückläufig. Mehr Sorgen bereiten dem Drogenbeauftragten hingegen die Gewohnheiten der Jugendlichen: Ist der Konsum harter Drogen seit 2004 generell rückläufig, geben immer mehr 15- bis 18-Jährige an, „im letzten Monat“ Cannabis geraucht zu haben. „Das müssen wir unbedingt im Auge behalten“, so Origers Fazit.

Währenddessen geht die Zahl der Menschen, die an einer Überdosis sterben, Jahr für Jahr zurück. Hatten im Jahr 2000 noch 26 Drogenabhängige ihre Sucht nicht überlebt, kam vor zwei Jahren „nur noch“ für vier Betroffene jede Hilfe zu spät. „Dank Maßnahmen wie den überwachten Fixerstuben oder Substitutionsprogrammen stehen wir in dieser Hinsicht weitaus besser da als noch vor 20 Jahren“, so Origer.

Rückläufig war zuletzt jedoch auch die Zahl der Süchtigen, die von einer professionellen Begleitung Gebrauch machen wollten. Allerdings befinden sich in Luxemburg überdurchschnittlich viele Abhängige in einer Behandlung: Das Großherzogtum gehört neben Malta und Frankreich zu den drei Ländern in Europa mit den meisten Substitutionspatienten.

Der neue nationale Drogenaktionsplan baut auf den Errungenschaften der letzten Jahre auf, inspiriert sich an den Richtlinien des jüngsten Koalitionsabkommens und lässt die unzähligen Erkenntnisse aus zahlreichen Programmen, Konferenzen, Audits und Maßnahmen aus den letzten Jahren mit einfließen. Konkret sollen 80 Maßnahmen dabei helfen, die im Aktionsplan festgehaltenen Ziele zu erreichen.

80 konkrete Maßnahmen

Dazu gehören ausführliche Präventionskampagnen für Jugendliche oder digitale Beratungsdienste, die jungen Menschen die Möglichkeit bieten, anonym und unkompliziert um Hilfe zu bitten. Vorgesehen sind auch regionale Hilfs- und Informationsangebote sowie ein Therapiezentrum für jugendliche Abhängige. Diese seien bis dato vor allem im Ausland untergebracht worden, da das Zentrum im Manternach derzeit nur Erwachsene aufnimmt.

Das Heroin-Programm wird künftig ausgedehnt, die medizinischen Bereitschaftsdienste und das Substitutionsprogramm noch weiter ausgebaut, so Origer. Hohe Priorität sollen auch die Entwicklung von umrahmten Wohnprogrammen und der Bau sogenannter „Housing-first“-Einheiten haben – um Schwerstabhängige schnellstmöglich von der Straße zu holen. Mit einer festen Adresse falle es vielen Betroffenen einfacher, auch andere Programme in Anspruch zu nehmen und wieder in ein normales Leben zurückzufinden, so Origer.

Gesundheitsministerin Paulette Lenert und der nationale Drogenbeauftragte Alain Origer gingen in groben Zügen auf den fünften nationalen Drogenaktionsplan ein, der in Kürze in Kraft tritt
Gesundheitsministerin Paulette Lenert und der nationale Drogenbeauftragte Alain Origer gingen in groben Zügen auf den fünften nationalen Drogenaktionsplan ein, der in Kürze in Kraft tritt Foto: Editpress/Julien Garroy

Ein weiteres, wichtiges Projekt sei das „drug checking“ für Gelegenheitskonsumenten. Mit einer Präsenz bei Festen oder Festivals wolle man jungen Menschen, aber auch Erwachsenen die Gelegenheit geben, den Inhalt und die Qualität der erworbenen Drogen prüfen zu lassen. „Damit sie wissen, was sie gerade gekauft haben“, betonte der nationale Drogenbeauftragte. Das Produkt sei oft mit anderen Substanzen gestreckt. „Es ist nicht immer das, was man auch kaufen wollte“, so Origer.

Ausgebaut wird auch das Tauschprogramm für saubere Injektionsnadeln. Abhängige sollen künftig rund um die Uhr sauberes Geschirr für den intravenösen Konsum auftreiben können. Ähnliches gilt auch für das Angebot, in einem medizinisch überwachten, sauberen Rahmen konsumieren zu können. Diese Maßnahmen sollen künftig weiter dezentralisiert werden. Genauere Angaben, ob und wo neue Fixerstuben geplant seien, blieben die Verantwortlichen zunächst aber noch schuldig. Hervorgestrichen wurde lediglich die Notwendigkeit eines Dialogs mit den verschiedenen Gemeinden.

Nomi
13. Oktober 2020 - 13.19

""Mehr Prävention"" Jo awer iert een an d'Drogen faellt, well wann een dran lei't ass fir villes ze spe'it !