TschechienDramatischer Einbruch der Linksparteien bei den Regionalwahlen

Tschechien / Dramatischer Einbruch der Linksparteien bei den Regionalwahlen
Premierminister Andrej Babis könnte bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr der derzeitige Koalitionspartner wegbrechen Foto: dpa/CTK/Michaela Oihova

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Bei den Regionalwahlen in Tschechien konnte die in Prag regierende Bewegung ANO zwar in zehn der dreizehn Bezirke die meisten Stimmen auf sich vereinigen, doch zum Regieren wird dies wohl nicht ausreichen. Bündnisse der Opposition wollen eine Führung der „Bewegung unzufriedener Bürger“ (ANO) von Andrej Babis verhindern. Dies könnte deutliche Folgen bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr nach sich ziehen. Auch bei den parallel abgehaltenen Teilwahlen zum Senat konnte sich ANO nicht durchsetzen.

Die nach den Bezirken aufgeteilte Wahlkarte Tschechiens vermittelt auf den ersten Blick ein falsches Bild: Von den 13 Regionen sind zehn mit dem tiefdunklen Blau der „Bewegung unzufriedener Bürger“ (ANO) markiert. Die übrigen drei gingen an die Bürgerinitiative Liberecer Bezirk, Mittelböhmen an die Bürgermeisterbewegung (STAN) und Bezirk Hradec Kralove an ein Bündnis aus Bürgerdemokraten (ODS) und STAN.

Doch der Anblick täuscht: In keinem der Bezirke, in dem ANO die meisten Mandate erzielt hatte, reicht dies aus, um die Regionalregierung zu stellen. Die Bewegung des Ministerpräsidenten und Agrarmilliardärs Andrej Babis muss nun in zähen Verhandlungen versuchen, Koalitionspartner zu finden. Die, so zeigten die Beispiele nach den letzten Parlamentswahlen, können sich lang hinziehen, bis entsprechende Kompromisse gefunden werden. Babis musste 2017 zwei Anläufe nehmen, bis er schließlich die jetzige Koalition aus ANO und Sozialdemokraten in Prag auf die Beine stellte – und die ist auch nur regierungsfähig, weil die kommunistischen Abgeordneten im Parlament tolerierendes Stillhalten vereinbart hatten.

Doch Babis’ Koalitionspartner mussten eine dramatische Wahlschlappe einstecken. Gegenüber den Vorwahlen 2016 erlangten die Sozialdemokraten von der CSSD insgesamt nur 37 Mandate (vormals 125) und die Kommunisten (KSCM) 13 (statt 86). Damit kann die sozialdemokratische Partei jegliche Hoffnungen aufgeben, einen Bezirkshauptmann zu stellen, die KSCM hatte ihre Hochburgen Usti und Karlovy Vary bereits bei den vorangegangenen Urnengängen verloren.

Stattdessen legten vor allem die Piraten (99 Mandate, zuvor fünf) und die Bürgermeisterbewegung STAN (69 gegenüber 38) deutlich zu. Bereits vor den Wahlen hatten diese Parteien zusammen mit der christdemokratischen KDU-CSL und den Bürgerdemokraten von der ODS Vorstellungen geäußert, in Koalitionen ein Regieren von ANO verhindern zu wollen.

ANO verliert auch im Senat

Die Bürger schauen mit großer Skepsis nach Prag. Tschechien hatte zu Beginn der Corona-Pandemie mit schnellen und strikten Beschlüssen eine starke Ausbreitung von Covid-19 verhindern können. Doch dann hoben die Behörden die Begrenzungen zu schnell wieder auf, eine Kontrolle des Infektionsgeschehens wurde zu lax ausgeführt. Gesundheitsminister Adam Vojtech – seit Gründung der ANO-Bewegung enger Vertrauter Babis’ – hatte die Zentrale Epidemiekommission zuletzt am 15. Mai einberufen und das Instrument, das er angesichts der neu steigenden Zahlen im September als „Schlüsselplattform“ bezeichnete, in die Sommerpause geschickt. Babis versuchte sich kurz vor den Wahlen in Schadensbegrenzung, entließ Vojtech als Minister und berief stattdessen den früheren Chef der Militärmedizinakademie Hradec Kralove, Oberst Roman Prymula, zum neuen Gesundheitschef. Doch die Öffentlichkeit durchschaute den Schritt, Medien nannten den Ministerwechsel ein Bauernopfer. Die kommenden Tage der Verhandlungen werden zeigen, ob Babis sich doch noch durchsetzen kann.

Zeitgleich mit den Regionen wurde auch ein Drittel der Senatssitze neu bestimmt. Im ersten Wahlgang konnte nur der bisher bereits als Senator amtierende Zbynek Linhart aus Decin sich mit 52,77 Prozent der Wählerstimmen siegreich durchsetzen. Alle anderen 26 Senatssitze müssen im zweiten Wahlgang am kommenden Wochenende verteilt werden. Acht Bewerber von ANO haben sich dabei für die Stichwahl qualifiziert, doch nur drei von ihnen liegen nach dem ersten Durchlauf leicht vorn. Gegenüber der Wahl von 2014 könnte die Prager Koalition deutlich an Mandaten im Senat verlieren. Von den bisher zehn Sitzen der Sozialdemokraten stehen im zweiten Durchgang nur noch drei im Wettbewerb.

Beobachter hierzulande sehen in dem Wahlausgang auch ein deutliches Signal für die im kommenden Jahr bevorstehenden Parlamentswahlen. Sollte sich die Babis-Administration im Management der aktuellen Krise nicht behaupten, könnte dies das Ende ihres politischen Führungsanspruchs bedeuten.