GeldpolitikEZB denkt laut über flexibleren Umgang mit Inflationsziel wie in USA nach

Geldpolitik / EZB denkt laut über flexibleren Umgang mit Inflationsziel wie in USA nach
Es stellt sich die Frage, ob Zentralbanken sich verpflichten sollten, nach längeren Zeiten mit zu niedriger Inflation danach einen höheren Preisdruck zu tolerieren. Foto: AFP/Daniel Roland

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Nach einem Strategieschwenk der US-Notenbank erwägt auch die EZB mehr Spielraum beim Ansteuern ihres Inflationsziels. EZB-Präsidentin Christine Lagarde verwies am Mittwoch in einer Videoschalte auf einer Finanzkonferenz auf eine laufende Debatte unter Währungshütern. Dabei stelle sich die Frage, ob Zentralbanken sich verpflichten sollten, nach längeren Zeiten mit zu niedriger Inflation danach entsprechend auch einen höheren Preisdruck zu tolerieren. Falls ein solches Konzept „glaubwürdig“ umgesetzt werde, könnte die Wirtschaft in einer Phase ultra-niedriger Zinsen besser stabilisiert werden.

Lagarde betonte, ein solches Vorgehen sei eine Prüfung wert. Sie werde jedoch den Ergebnissen des laufenden Strategiechecks nicht vorgreifen: „Jetzt ist die Zeit, um zuzuhören und nachzudenken.“ Die US-Notenbank Fed hatte nach ihrem jüngsten Strategieschwenk in Aussicht gestellt, die Zinsen so lange nahe null zu halten, bis die Inflation auf dem Weg sei, „für einige Zeit“ das Ziel von zwei Prozent Teuerung „moderat zu übertreffen“.

Während das neue Konzept der Fed steht, dürfte die EZB erst im zweiten Halbjahr 2021 so weit sein. Das vorrangige Ziel der EZB ist es, Preisstabilität zu gewährleisten. Im Mittelpunkt steht dabei das Inflationsziel der Währungshüter von knapp unter zwei Prozent, das sie inzwischen seit Jahren verfehlt. Aber auch Themen wie der Klimawandel sollen bei der Überprüfung eine wichtige Rolle spielen. Am 21. Oktober sollen Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen auf Einladung Gelegenheit erhalten, ihre Ansichten zur Geldpolitik vorzubringen. Auch die Beiträge aus der von dem Wirtschaftsweisen Volker Wieland organisierten „The ECB and Its Watchers“-Konferenz vom Mittwoch werden in die Strategieüberprüfung einfließen, die wegen der Corona-Krise dem ursprünglichen Zeitplan hinterherhinkt.

Die EZB hat angesichts der auch wirtschaftlich verheerenden Folgen der Pandemie zahlreiche Konjunkturspritzen aufgezogen. Zuletzt stockte sie ihr Corona-Notprogramm PEPP im Juni auf – von zuvor 750 Milliarden auf 1,35 Billionen Euro. Die seit März ergriffenen Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass die Inflation zwischen 2020 und 2022 um insgesamt 0,8 Prozentpunkte nach oben getrieben wird.

Vermischung von Fiskal- und Geldpolitik

Bundesbankpräsident Jens Weidmann mahnte auf der Konferenz erneut, dass mit Anleihenkäufen im großen Stil die Grenze zwischen Fiskal- und Geldpolitik vermischt werde. Zudem warnte er davor, das Mandat der EZB zu weitgehend auszulegen: „Umso weitgehender wir unser Mandat interpretieren, desto größer ist das Risiko, dass wir in die Politik hineingezogen werden und uns mit zu vielen Aufgaben überlasten.“ Zugleich verwies er mit Blick auf die Strategieüberprüfung darauf, dass die EZB nicht wie die Fed ein doppeltes Mandat aus Preisstabilität und Vollbeschäftigung habe: Deshalb könnten die Fed-Entscheidungen nicht „einfach“ auf den Euroraum übertragen werden: „Doch sie könnten unsere eigenen Überlegungen bereichern.“

Bei der laufenden Überprüfung stellt die EZB auch das Maß für die Inflationsmessung auf den Prüfstand. Bislang legt die EZB ihr Hauptaugenmerk dabei auf den für den europäischen Vergleich angelegten Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Lagarde sagte, dieses Maß habe zwar gute Dienste getan und sei auch kontinuierlich weiter entwickelt worden. Doch da sich die Wirtschaft veränderte, müssten auch Konzepte entwickelt werden, die die Kosten der Menschen in ihrem Alltagsleben stärker abbildeten – dazu gehörten etwa Kennzahlen zum selbst genutzten Wohneigentum.

Im Unterschied zu anderen Währungsräumen wie etwa den USA ist selbst genutztes Wohneigentum nicht im Warenkorb des Europäischen Statistikamts Eurostat enthalten. Bislang werden dort nur Mieten erfasst – mit einem Gewicht von 6,5 Prozent. Bei vielen Haushalten machen die Kosten für das Wohnen aber mehr als ein Drittel des verfügbaren Einkommens aus. Lagarde sagte, es gehe der EZB nicht darum, die Koordinaten der Inflationsmessung zu verrücken. Vielmehr solle das Konzept „zukunftssicher“ sein.

Ferdinand
30. September 2020 - 19.24

Geld drucken wie verrückt? Gute Idee!