„Kanner o Kanner“Ein ungewöhnliches Werk über ein ungewöhnliches Viertel

„Kanner o Kanner“ / Ein ungewöhnliches Werk über ein ungewöhnliches Viertel
 Foto: Julien Garroy/Editpress

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„Kanner o Kanner – wat hutt dir gemaach?“ Diese Frage kann man sich durchaus über das neueste Literaturwerk des „Syndicat d’intérêts locaux Pfaffenthal-Siechenhof“ (SILPS) stellen. Die Autoren rücken das Stadtviertel auf 272 Seiten in das rechte Licht, untermalt mit einer musikalischen Note, typografischen No-Gos und einem Streifzug durch die Geschichte des Papiers.

„Kanner o Kanner“: Die Innovation im Buch spiegelt die Innovation der Einwohner des Pfaffenthals wider. Denn immerhin stammen aus dem Vorstadtort wichtige Errungenschaften, erklärt Jean-André Stammet, Sekretär des Interessenvereins, im Tageblatt-Gespräch. „Unser Viertel leidet immer noch unter dem Klischee einer armen und kranken Bevölkerung. In der Tat wohnten früher viele arme Menschen hier, aber auch viele Händler und Handwerker.“ Und nicht zu vergessen: Eng mit dem Pfaffenthal verbunden ist unter anderem der Musiker und Komponist Laurent Menager.

Der Interessenverein feiert sein 50-jähriges Bestehen. Abgesehen von Jubiläumspublikationen der lokalen Vereine ist in den vergangenen 80 Jahren kein einziges Literaturwerk mehr über den Pfaffenthal erschienen, sagt Stammet. „Ein akademisches Geschichtsbuch über das schöne Viertel wollten wir nicht veröffentlichen. Stattdessen setzen wir auf ein lebendiges Werk, das einen Streifzug durch das Leben im Pfaffenthal bietet. Der Mensch steht im Mittelpunkt“, so der Initiator des Projekts.

Der „Straubejitzer“ und die „Sichenhaffer Zeidong“

Im ersten von drei Kapiteln, einem Andantino, führt Fernand Théato den Leser auf 60 Seiten durch einen Streifzug der Pfaffenthaler Geschichte und Geschichten. Das zweite Kapitel, ein Vivace con anima, holt das Leben von damals in die Gegenwart zurück. Dabei geht es nicht nur um die Psychologie eines Vorstadtviertels, sondern um das gelebte Leben in Metzgereien, Bäckereien, Lebensmittelläden, beim „Straubejitzer“ oder halt in den Gaststätten. „D’Lidd vum Théiwesbuer“ und die Kirmes mit dem „Kiermesdësch“ kommen dabei nicht zu kurz. „D’Béierstränz“ und „d’Sichenhaffer Zeidong“ ebenso wie „d’Stolen Broscht“ sind nur drei der 274 Spitznamen, die im Buch im Detail erwähnt werden.

Die „Lakerten“, Lehrer, Musiker und Komponisten werden ebenfalls mit lebendigen Beiträgen gewürdigt. Auf mehreren Seiten klären die Autoren den Leser über das immaterielle Kulturerbe auf, etwa die erste Hebammenschule des Landes. Zwischen 1877 und 1937 befand sich in einem Nebengebäude der „Rumm“ in der rue Vauban die Hebammenschule und „Maternité“. Ist Hebamme nun ein Handwerk, eine Kunst oder doch ein Beruf? Und worin besteht denn nun die Kunst der Hebamme, die einst bei einer weisen Frau, der „sage-femme“, erlernt wurde? Auf diese Fragen findet man Antworten in dem Werk.

Im dritten Kapitel, dem Crescendo, steht das Viertel entlang der „rive gauche“ und der „rive droite“ im Rampenlicht der Gegenwart und der Zukunft. Dabei stehen die neuesten Errungenschaften im Alzettetal im Vordergrund: der Aufzug zum Pescatore-Park, der neue Bahnhof und der „Funiculaire“ zum Kirchberg. Abgerundet wird dieses Kapitel durch Beiträge über die urbanistische und demografische Entwicklung sowie über die Restaurierung lokaler Sehenswürdigkeiten wie etwa des „Théiwesbuer“. Apropos, mit dem vorliegenden Werk müssen die „Kanner o Kanner“ nicht mehr vom „Théiwesbuer“ fortziehen.

Verschiedene Papiersorten

An Innovation hat das Redaktionskomitee nicht gespart. Die drei Kapitel sind auf drei verschiedenen Papiersorten (antik, modern und zeitgemäß) dargestellt und ermöglichen somit einen kleinen Streifzug durch die Geschichte des Papiers. Kombiniert ist das Buch mit der Enriched Reality (die Abkürzung ER bezieht sich auf die beiden letzten Buchstaben von „Kanner“).

Anhand einer App kann der Leser eine Vielzahl von Seiten mit der digitalen Welt im World Wide Web kombinieren. Durch das Einscannen von QR-Codes und ER-Seiten liefert die kostenlose App multimediale Inhalte, sei es Konzertauszüge von Laurent Menager, Videos oder gar eine genealogische Datenbank aus dem Jahr 1867. Die Verbindung zwischen der analogen und virtuellen Welt belebt das Werk, kann aber auch jederzeit ergänzt und somit „updated“ werden, sagt Jean-André Stammet.

„Kanner o Kanner“

Bezugsquellen: Librairie Ernster oder per Bestellung unter www.pfaffenthal.info
E-Mail: pafendall@hotmail.com
Preis: 65 Euro
Versand: 10 Euro
Überweisung: LU44 1111 7215 9815 0000 (CCPL) mit dem Vermerk „Kanner o Kanner“, Name, Vorname, Adresse und E-Mail