Polen50 Botschafter protestieren gegen LGBT-Hetze

Polen / 50 Botschafter protestieren gegen LGBT-Hetze
Vor dem Europäischen Parlament in Brüssel bekundeten unlängst Europaabgeordnete ihre Unterstützung für die LGBTQ-Gemeinschaft in Polen, unter ihnen die beiden Parlamentarier aus Luxemburg, Tilly Metz (Mitte) und Marc Angel (vorne) Foto: John Thys/AFP

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Ein offener Brief von 50 Warschauer Botschaftern gegen die LGBT-Hetze hat in Polen am Montag großes Aufsehen erregt. Ohne jemanden beim Namen zu nennen, wird aus dem Kontext des diplomatisch vorsichtig formulierten Wortlautes klar, dass sich der Brief vor allem gegen den von der PiS-Regierung geschürten gesellschaftlichen Druck auf nicht-heterosexuelle Polen richtet.

„Dieser offene Brief ist nicht an uns gerichtet“, kommentierte Kanzleichef Michal Dworczyk gestern dennoch. Es handle sich eher um ein „ideologisch-politisches Happening“ als eine Intervention der Diplomaten, spielte Regierungschef Mateusz Morawieckis Kanzleichef die beispiellose Intervention herunter.

Am Sonntagabend hatten 50 Warschauer Botschaften einen offenen Brief veröffentlicht, in dem daran erinnert wird, dass für die LGBT-Gemeinschaft in Polen wie für alle andern Bürger die UN-Menschenrechtscharta gelte und sexuelle Minderheiten besonderen Schutz vor Diskriminierung und Hassreden genießen sollten. Der positiv gehaltene Brief lobt vor allem jene Kreise im In- und Ausland, die sich für LGBT-Rechte in Polen einsetzen. Die Erklärung geht offenbar auf eine Initiative der belgischen Botschaft zurück.

„Menschenrechte sind keine Ideologie“, unterstrich am Sonntagabend auf Twitter Georgette Mosbacher, die streitbare US-Botschafterin in Warschau. Damit machte sie deutlich, dass rechtskonservative Regierungskreise die Adressaten des Aufrufs sind. Denn erst im Sommer hatte Polens Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) den Wahlkampf für eine zweite Amtszeit von Staatspräsident Andrzej Duda unter eben diesen Slogan gestellt. Duda hatte eine so genannte „Familien-Charta“ verabschiedet, die sich explizit gegen die angebliche LGBT-Ideologie wandte. Das Thema LGBT dominierte daraufhin wochenlang den politischen Streit in dem tief zwischen Wertkonservativen und Weltoffenen geteilten Land.

Dudas knapper Wahlsieg gegen seinen liberalen, LGBT-freundlichen Herausforderer und Warschauer Stadtpräsidenten Rafal Trzaskowski unterstreicht diesen anachronistisch anmutenden Weltanschauungsstreit. Selbst auf internen Foren polnischer Oberstufenschüler ist LGBT inzwischen ein Dauerstreitthema geworden.  Anlass zu der konservativen Attacke gab indes Trzaskowski selbst, nachdem er im Februar 2019 als erster polnischer Bürgermeister eine so genannte „LGBT-Charta“ unterzeichnete, die Organisationen sexueller Minderheiten in Warschau mehr Mitspracherechte bei der Budgetplanung gewährte.

PiS-Politiker diskriminieren

Der offene Brief wurde neben den von PiS als strategische Partner betrachteten USA und Großbritannien von 21 (von 27) EU-Botschaften, aber auch von Albanien, Serbien und der Ukraine unterzeichnet. Abseits standen vor allem arabische Länder sowie jene post-sowjetischen Autokratien, darunter Russland, denen sich Polen laut der liberalen und linken Opposition unter der PiS-Regierung immer mehr annähern soll.

„Alle Bürger sind in Polen vor dem Gesetz gleich“, betonte am Montag nun Regierungskanzleichef Dworczyk (PiS). Sämtliche Insinuationen, wonach LGBT-Kreise in Polen Probleme hätten, seien „rundweg falsch“, unterstrich der PiS-Spitzenpolitiker. Dem widersprechen indes die rund 30 PiS-regierten Gebiete in Polen, die sich offiziell zu „LGBT-Ideologie-freien Zonen“ erklärt haben. Darunter befinden sich namhafte Städte wie Przemysl, Tarnow und Zamosc – aber auch vier von 16 Wojwodschaften, die sich alle im armen Südosten des Landes befinden.

Obwohl rechtlich nicht bindend, wollen diese Zonen traditionelle Familien besonders fördern und LGBT-Organisationen von Fördergeldern ausschließen. Nur zwei Kleinstädte haben seit der LGBT-Hetze ab Frühling 2019 Gerichtsprozesse gegen die Bezeichnung als „LGBT-freie Zonen“ verloren.  Dazu gilt es als wahrscheinlich, dass der Technokrat Piotr Piontkowski bei der anstehenden Kabinettsumbildung durch den Anti-LGBT-Hardliner Przemyslaw Czarnek (beide PiS) als Bildungsminister ersetzt wird.