Die Spürnasen von Sandweiler„Für die Hunde ist das Spaß pur“: Auf Mission mit der Hundestaffel der Zollverwaltung

Die Spürnasen von Sandweiler / „Für die Hunde ist das Spaß pur“: Auf Mission mit der Hundestaffel der Zollverwaltung
Gwen geht es bei der Suche nach Substanzen nur um die Beißwurst in Frauchens Hosentasche. Gerüche assoziiert die Hündin der Zollverwaltung mit dem Spielzeug, mit dem sie nach getaner Arbeit als Belohnung spielen darf.  Foto: Editpress/Alain Rischard

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Es war eine Meldung, die aufhorchen ließ: Zwei Millionen Euro Bargeld hatten zwei Geldspürhunde innerhalb von nur drei Wochen am Flughafen erschnüffelt. Grund genug, die Hundestaffel der Luxemburger Zollverwaltung etwas näher unter die Lupe zu nehmen.

„Zollkontrolle!“, kündigt die uniformierte Beamtin freundlich an, bevor sie die Anwesenden über die weitere Vorgehensweise aufklärt; „Wir gehen mit dem Hund durch die Reihen!“ Die Passagiere am Gate 16 blicken kurz auf, manche nicken zustimmend, bevor sie sich wieder ihrer Zeitung oder ihrem Smartphone zuwenden. Nervosität macht sich keine breit, die Fluggäste am Findel nehmen die Kontrolle gelassen.

Dann aber lässt der Anblick der stolzen Hundedame mit dem dunkelbraunen, gesprenkelten Fell doch noch etwas Neugierde bei den Anwesenden aufkeimen. Interessiert verfolgen sie, wie Gwen von ihrer Leine gelassen und mit einer Mischung aus verbalen Kommandos und Handgesten durch die Sitzreihen gelotst wird. Währenddessen wedelt die aufgeregte Hollandse-Herder-Hündin unentwegt mit dem Schwanz – ein Zeichen, dass sie großen Gefallen an ihrer Aufgabe findet.

„Für die Hunde ist das Spaß pur! Sie empfinden keinen Druck dabei“, erklärt ein weiteres Mitglied der Hundestaffel. Tatsächlich werde die rund einjährige Ausbildung so ausgelegt, dass das Tier die Aufgabe stets mit einer positiven Erfahrung verbindet. „Dabei wird ein Spielzeug oder ein anderer Bezugsgegenstand mit der Substanz präpariert, auf die wir den Hund abrichten wollen. Das Tier speichert diese Information ab und verbindet das Spielzeug mit diesem Geruch“, so der Hundeführer weiter.

In einem zweiten Schritt wird das Spielzeug dann unter realitätsnahen Bedingungen versteckt. Dabei lernt der angehende Spürhund, dem Geruch zu folgen und ihn aufzuspüren. Bei Erfolg bekommt er zur Belohnung sofort sein Lieblingsspielzeug, viel Lob und eine alternative Belohnung. Somit weiß der Vierbeiner auch im Einsatz, wonach er suchen muss.

Gwen wird von ihrer Hundeführerin durch die Sitzreihen gelotst, auf der Suche nach hohen Summen Bargeld oder illegalen Drogen
Gwen wird von ihrer Hundeführerin durch die Sitzreihen gelotst, auf der Suche nach hohen Summen Bargeld oder illegalen Drogen Foto: Editpress/Alain Rischard

Schnüffler im Rampenlicht

Wild mit dem Schwanz wedelnd schnüffelt sich die Hündin durch die Reihen, während sie sich immer wieder aufgeregt nach ihrer Halterin umblickt – bereit, auch neue Anweisungen sofort umzusetzen. Die Beamtin wechselt indessen zwischen Lob und Kommando hin und her, ohne den konzentrierten Blick von ihrer Hündin und den beschnüffelten Passagieren zu lassen. Dabei werden abwechselnd Mensch und Gepäck in Nasenschein genommen, damit Gwen auch ja nichts entgeht. Schließlich wartet beim Erfolg eine ganz besondere Belohnung auf sie.

Seitdem Gwen zusammen mit Kollegin Syrah zwei Millionen Euro am Findel erschnüffeln konnte, steht sie im Rampenlicht. Tatsächlich müssen Summen über 10.000 Euro an den EU-Außengrenzen ordnungsgemäß deklariert werden. Was in diesem Fall aber nicht geschehen war. Dank des hervorragenden Spürsinns der beiden Geldspürhunde konnte das Bargeld im eingecheckten Gepäck geortet werden.

Neben Gwen und Syrah verfügt die Staffel aber noch über zwei Sprengstoffhunde, sogenannte „Kombi-Hunde“, die den Beamten bei Einsätzen auch als Schutzhunde zur Seite gestellt werden können, sowie zwei Drogenspürhunde, auch „passive“ Hunde genannt. Drei Tiere werden derzeit noch zu Kombi-Hunden ausgebildet, zwei weitere sollen demnächst angeschafft werden.

Kombi-Hunde werden im Fachjargon jene Tiere genannt, die zusätzlich noch zum Schutz der Beamten eingesetzt werden können. Einfache Spürnasen hingegen werden „passive“ Hunde genannt, weil sie nach dem Aufspüren der Substanz ein „passives“ Signal geben und die Zielperson in Ruhe lassen.
Kombi-Hunde werden im Fachjargon jene Tiere genannt, die zusätzlich noch zum Schutz der Beamten eingesetzt werden können. Einfache Spürnasen hingegen werden „passive“ Hunde genannt, weil sie nach dem Aufspüren der Substanz ein „passives“ Signal geben und die Zielperson in Ruhe lassen. Foto: Editpress/Alain Rischard

Dabei sind Gwen und Syrah nicht allein auf Geld abgerichtet. Wie viele anderen Spürhunde können sie auch Drogen erschnüffeln. „Aber kein Marihuana“, erklärt Paul Felten, Chef der 40 Beamten starken „Inspection anti-drogues et produits sensibles“ (ADPS) mit Sitz in Sandweiler, in deren Zuständigkeitsbereich auch die Hundestaffel mit ihren elf Hundeführern und neun Vierbeinern fällt.

Eigentlich gehört Marihuana zu jenen Substanzen, deren Erschnüffeln von Hunden am leichtesten erlernt werden kann. Dennoch sehen die meisten Staffeln davon ab, ihre Tiere zusätzlich auch auf die leichte Droge abzurichten. Der Grund: Die Wirkstoffe THC und TBC sind heute so verbreitet, dass das Tier auf der Suche nach Sprengstoff, Geld oder härteren Drogen ständig abgelenkt werden könnte. Eine doppelte oder mehrfache Ausrichtung würde es nur verwirren.

Ähnliches gilt für Sprengstoffhunde: Eigentlich können die Tiere unglaublich viele Gerüche abspeichern. „Dem Hund ist es egal. Für ihn macht es keinen Unterschied. Vom Konzept her ist es immer das Gleiche: In seiner Auffassung sucht das Tier nur sein geliebtes Spielzeug“, erklärt der Hundeführer. Theoretisch könnte ein Sprengstoffhund also auch auf Drogen abgerichtet werden.

„Das würde aber nur wenig Sinn ergeben, weil es sich um zwei verschiedene Einsatzgebiete handelt. Für uns wäre ja nicht sofort ersichtlich, was der Hund aufgespürt hat: Drogen oder Sprengstoff? Und was dann: Einen Bombenalarm auslösen, auch wenn es sich nur um illegales Rauschgift handelt? Das können wir nicht verantworten“, so der Experte weiter.

Auch können die Spürnasen nicht den ganzen Tag über arbeiten. Sie seien rasch überfordert: „Immer nur zehn bis fünfzehn Minuten am Stück. Es hängt ganz von den Bedingungen ab, vom Wetter, ob sie im Freien arbeiten oder innen“, unterstreicht der Leiter der Hundestaffel. Es sei wie beim Menschen auch: „Sie brauchen regelmäßige Pausen. Bei manchen Hunden dauern sie länger, bei anderen kürzer.“

Setzen statt Bellen

Gwen hält plötzlich inne. Wie zur Bestätigung richtet sie ihre Spürnase noch einmal auf den jungen Mann in der dritten Reihe, bevor sie zu Boden sinkt und mit aufgerichteten Ohren erwartungsvoll in Richtung Frauchen blickt. Für die Hundeführerin ein Zeichen, dass Gwen fündig geworden ist. Wurden die Hunde früher noch auf andere Zeichen, etwa Scharren oder Bellen, trainiert, ist das Setzen inzwischen Standard.

„Ein Hund, der am Auto herumscharrt, ist nicht optimal“, erklärt der Kollege aus der Hundestaffel. Gleiches gelte fürs Kratzen oder Anbellen eines Menschen – vor allem da am Flughafen viele Passagiere auch noch Anzug tragen. „Unsere Aufgabe ist es nicht, die Leute zu belästigen. Unsere Mission ist es, Menschen zu überführen, die illegale Substanzen bei sich tragen.“ Genau das lasse sich auch mit weniger aggressiven Zeichen seitens des Hundes bewerkstelligen.

Früher bellten die Hunde oder scharrten am Koffer herum. Wie Chili (Foto) setzen sich heute alle Hunde der Zollverwaltung, um ihrem Halter zu signalisieren, dass sie illegale Substanzen entdeckt haben.
Früher bellten die Hunde oder scharrten am Koffer herum. Wie Chili (Foto) setzen sich heute alle Hunde der Zollverwaltung, um ihrem Halter zu signalisieren, dass sie illegale Substanzen entdeckt haben. Foto: Editpress/Alain Rischard

Schließlich kennen die Halter ihre Tiere aus dem Effeff. Hund und Herrchen sind seit der Ausbildung ein eingespieltes Team. „Zwischen beiden muss ein inniges Vertrauensverhältnis herrschen. Anders funktioniert diese Arbeit nicht“, betont der Leiter der Hundestaffel, der, wie die Hundemeister auch, aus ermittlungstaktischen Gründen nicht namentlich genannt werden kann. Anonymität ist nicht nur ein Vorteil, sondern Voraussetzung in einem Job, in dem die Beamten den Unehrlichen immer einen Schritt voraus sein müssen.

Die Hunde werden normalerweise im Alter eines Jahres im Ausland erworben. Vom Charakter und Körperbau her eignen sich unter anderem belgische Schäferhunde (Berger malinois) und niederländische Schäferhunde (Hollandse Herdershond). „Andere Verwaltungen bilden zuerst die Hunde aus, bevor sie einem Hundeführer zugeteilt werden. Bei uns wird der Hundemeister sofort in die Ausbildung mit einbezogen. Beide sollen schließlich zu einem Team heranwachsen“, ergänzt der Leiter der Hundestaffel.

Kein Wunder also, dass die meisten Hunde auch nach ihrer aktiven Zeit bei ihren Haltern bleiben. „Die Hundemeister haben die Wahl. Bislang hat aber noch niemand abgelehnt“, erklärt der Staffelchef. Der Staat kommt indessen im Ruhestand weiter für das Futter und Veterinärskosten auf – sozusagen als Rente für einen Dienst, der im Schnitt zehn Jahre dauert.

Ein Erfolg für die Wurst

Währenddessen ertönt ein Klicken aus der Hand der Hundemeisterin, woraufhin Gwens Ohren nochmals in die Höhe schießen. Für die fünfjährige Hundedame ist das ein Zeichen, dass sie ihren Job zur vollsten Zufriedenheit ihres Frauchens erledigt hat. Zur Belohnung darf sie nun von ihrem Platz aufspringen und ihr Lieblingsspielzeug abholen.

Die Beamten achten darauf, nach erledigter Arbeit eine gewisse Distanz zwischen Hund und Zielperson aufzubauen. „Unter anderem weil sich die Hunde regelrecht auf ihr Spielzeug stürzen und energisch damit spielen, was ja auch zur Belohnung gehört“, erklärt die Hundemeisterin, die den Klicker erst nach Abschluss einer ersten Befragung betätigt.

Dann erst stürzt sich das dunkelbraune Energiebündel übermütig auf seine Beißwurst und lässt sich auf ein freudiges Ziehspiel mit der Zollbeamtin ein. Dabei genießt das Tier das Lob und die Streicheleinheiten des Frauchens, das zusätzlich auch noch Leckerlis hervorzaubert. Sehr zur Freude der Schäferhündin, deren Rute überschwänglich hin und her wedelt.

Die Zielperson erhebt sich indessen von ihrem Sitz und lächelt zufrieden. Die Übung war schließlich ein Erfolg. Zwar trug der junge Mann tatsächlich ein großes Bündel Euroscheine am Körper, bestraft wird er dafür aber nicht: Das Ganze war nur eine Vorführung. Der Heldin des Tages aber ist es schnuppe. Ihr ging es im wahrsten Sinne nur um die (Beiß-)Wurst.

Spieltrieb: Für Gwen gibt es nichts Schöneres als ihre Beißwurst und etwas Lob vom Frauchen. Dann leuchten ihre Augen.
Spieltrieb: Für Gwen gibt es nichts Schöneres als ihre Beißwurst und etwas Lob vom Frauchen. Dann leuchten ihre Augen. Foto: Editpress/Alain Rischard