PorträtRoland Breyer, ein Leben im Dienst der Gemeinde

Porträt / Roland Breyer, ein Leben im Dienst der Gemeinde
Roland Breyer ist mit 77 noch immer voller Tatendrang und Ideen Foto: René Hoffmann

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Mit seinen 77 Jahren gehört Roland Breyer noch immer zu den Aktivposten der Gemeinde Petingen. Ob als Präsident des „Syndicat d’initiative“ und der „Amis du Souvenir“ oder als Gemeinderatsmitglied, an seinem Engagement hat sich nichts geändert – und das bereits seit über 50 Jahren. Porträt eines Petinger Urgesteins.

Es gibt viele Menschen, die sich während Jahren in einem Verein engagieren, Personen, die über mehrere Jahrzehnte in mehreren Vereinigungen aktiv sind – und dabei noch sehr erfolgreich –, sind aber eher rar. Roland Breyer aus Petingen ist solch ein Mann. Der Sohn eines Frisörs erblickte am 2. Juni 1943 in Petingen das Licht der Welt. Er hat eine Schwester. Er war nie der Klassenprimus, fiel aber früh durch seinen hellwachen Geist auf. Schon damals gab es Leute, die ihm viel zutrauten. Sie sollten recht behalten. Vor allem die Geschichte des seit 1937 bestehenden „Syndicat d’initiative et de tourisme de la commune de Pétange“ (SITP) ist eng mit derjenigen Breyers verbunden. Kein Wunder, denn er steht  bereits seit fast 50 Jahren an dessen Spitze. Am 7. November 1966 wurde Roland Breyer Sekretär des Vereins. Er erinnert sich noch gut an den Tag: „Ich war damals Vorsitzender der ,Jeunesse estudiantine catholique‘ und Sekretär eines Sparvereins. Der Präsident des Letzteren, Henri Welter, hatte die Idee, mich als Sekretär des lokalen ,Syndicat d’initiative‘ vorzuschlagen.“ Er wurde zu einer Vorstandsversammlung in einem Café gegenüber dem Rathaus eingeladen. Damals war Breyer 23 Jahre alt, aber bereits verheiratet und Vater von zwei Kindern. „Der Präsident des ‚Syndicat‘ war Armand Kaiser. Zuerst ließ man mich warten. Dann wurde ich hineingerufen und eingeladen, an einem Eignungstest teilzunehmen. Ich war aufgeregt, denn ich sollte in die Fußstapfen von Marcel Gregorius, meinem ehemaligen Lehrer, treten. Zuerst musste ich einen Brief, den man mir vorlas, mit der Schreibmaschine zu Papier bringen, dann musste ich erklären, welche Vorgehensweise bei der Organisation einer Ausstellung Usus war. Nach dem Test musste ich erneut vor der Tür warten. Dann informierte man mich, dass ich den Posten bekommen würde.“

Der junge Familienvater zeichnete sich in seinem neuen Amt durch sein Pflichtbewusstsein aus. So verfasste er sofort nach den Vorstandsversammlungen, egal wie spät es war,  einen Bericht und verteilte ihn eigenhändig an die Mitglieder des Komitees. Dokumente, die unterzeichnet werden mussten, wurden dem Präsidenten des SI als Morgenlektüre ins Bistro gebracht und anschließend sofort verschickt. Leider habe sich die Vereinigung damals durch ihren Mangel an Initiativen ausgezeichnet, so Breyer. Außer einigen Feiern und der Kavalkade sei nicht viel passiert. Das sollte sich aber ändern, als der junge Sekretär am 28. Januar 1972 neuer SI-Chef wurde und neuen Schwung und neue Ideen in das „Syndicat“ brachte. Vor gut einem Jahr gab sich das „Syndicat d’initiative“ schließlich erneut eine neue Ausrichtung und widmet sich nun verstärkt den touristischen Aktivitäten. „Die Organisation der Vereinigung wurde komplett reformiert, mit einer klaren Aufgabenaufteilung“, sagt der Vorsitzende.

Der Karneval spielte im Schaffen Roland Breyers stets eine wichtige Rolle. Von 1956 bis 1990 wurden die Kavalkaden vom SI organisiert. Aus dem „Syndicat“ ging dann die Vereinigung „Péitenger Wand“ hervor, die  die Kavalkade organisierte, bis 2008 die Dachgemeinschaft des Karnevals, die KaGePe (Karneval Gemeng Péiteng), die Veranstaltung übernahm. Deren Vorsitzender ist zurzeit Roland Breyers Sohn Serge. Bereits vor seiner Präsidentschaft hatte sein Vater die Einführung einer Prinzessin neben dem Prinzen durchgesetzt. Als Serge Breyer die Zügel der Vereinigung übernahm, folgte die Inthronisierung eines Kinderprinzenpaars. Der 77-jährige Roland Breyer ist darüber hinaus Mitbegründer der Anfang der 1980er Jahre ins Leben gerufenen FECC (Federation of European Carnival Cities), einem Netzwerk von Karnevalsstädten in ganz Europa. „Der eingetragene Sitz des Verbands ist immer noch meine Privatadresse“, so Breyer. Er ist zudem Präsident der sechs internationalen Senatoren der FECC. 

Stars in Petingen

Der ehemalige Versicherungsvertreter ist des Weiteren der Initiator vieler Großevents in Petingen. „Wenn ich etwas vorschlage, dann habe ich mich im Vorfeld bereits ausgiebig damit befasst“, erklärt er. Mit der Eröffnung der Petinger Sporthalle Anfang der 1980er Jahre bot sich die Möglichkeit, dort große Konzerte und Galas zu organisieren. Über 80 Weltstars und Bands, darunter Udo Lindenberg, Black Sabbath, Chris de Burgh, Bonnie Tyler, B.B. King, Patricia Kaas, Bob Dylan, Die Ärzte, Fish, Marillion, Vico Torriani usw., standen hier bis 2002 auf der Bühne. Danach fanden noch bis 2011 diverse Shows statt, ehe die Veranstaltungen wegen der immer strengeren Sicherheitsbestimmungen und des größeren technischen Aufwands eingestellt werden mussten. Roland Breyer erinnert sich gerne an jene Zeit zurück. „Das erste Konzert 1980 mit Johnny Hallyday war ein Flop. Es kamen nur etwas über 300 Zuschauer. Wir machten rund 700.000 Luxemburger Franken Miese (35.000 Euro). Zum Konzert von Michel Sardou kamen dann aber mehr als 2.200. Da waren die Konten wieder saniert.“ Die Events waren manchmal eine wahre logistische Herausforderung, unter anderem durch die Extrawünsche der Künstler, erzählt Breyer. So wollte Johnny Hallyday unbedingt Würstchen mit Kartoffelsalat in der Pause essen. Man beschaffte ihm das Gericht. Schlussendlich aber umsonst, weil er es nicht aß. Zudem mussten fünf Kästen Bier und zehn Flaschen Whisky in seiner Garderobe vorrätig sein. Jean-Jacques Goldman seinerseits wollte unbedingt ein Bad nehmen. In seinem Hotel gab es aber nur eine Dusche. Kurzerhand nahm Roland Breyer den Sänger mit zu sich nach Hause, wo er ein Bad nehmen konnte. „Währenddessen saßen wir in der Stube und tranken Whisky“, erinnert er sich und lacht.

Breyer ist zudem ein geschichtsbegeisterter Mensch. So zeichnete er unter anderem für die beiden historischen Umzüge 1981 (700 Jahre Freiheitsbrief für Petingen) und 1995 (200 Geburtstag der Gemeinde) sowie für die Ausstellung im vergangenen Jahr über den Zweiten Weltkrieg und die Befreiung Luxemburgs verantwortlich. „Ich will, dass man sich immer daran erinnert, dass Petingen die erste Stadt des Landes war, die befreit wurde und dass hier der erste US-amerikanische G.I. auf Luxemburger Boden getötet wurde“, so der 77-Jährige. Breyer ist darüber hinaus Gründungsmitglied der 1995 aus der Taufe gehobenen „Amis de l’Histoire“ und Präsident des vor fünf Jahren gegründeten „Comité du souvenir“, der Nachfolgevereinigung der seit 1992 existierenden Vereinigung „Borne du passeur“. Unter der Federführung des SI und unter seiner Leitung werden seit vielen Jahren die Gedenkfeierlichkeiten beim amerikanischen Denkmal sowie bei der „Borne du passeur“ organisiert.

Ein Leben für Petingen

„Die Ortschaften der Gemeinde attraktiver machen“, lautet ein weiteres Motto des Petingers. Unter seiner Regentschaft wurde so zum Beispiel der Wettbewerb „Villes et villages fleuris“ organisiert, die Eröffnung der Kirmes ins Leben gerufen, ein amerikanisch-luxemburgisches Festival wie auch das Rockabilly Deluxe ins Leben gerufen. Mit lokalen und regionalen Künstlern wurden viele Ausstellungen organisiert. Seit 50 Jahren gibt es außerdem vom „Syndicat“ organisierte Sprachkurse. Erwähnenswert ist auch die Gründung des „Ordre de la Chevalerie du 7e Centenaire de la Ville de Pétange“. „Der Vorschlag war damals umstritten. Inzwischen haben sich die Wogen aber geglättet. Einer der einstigen Kritiker ist sogar der neue ,Grand-maître‘ des Ritterordens“, sagt Breyer mit einem Grinsen. Last but not least ist der überzeugte Vereinsmensch Breyer ebenfalls Gründungsmitglied der „Amis des jumelages de la commune de Pétange“ (1992).

Aber auch politisch ist Roland Breyer noch aktiv. Er ist seit 1970 mit einer kleinen Unterbrechung (1983 bis 1988) Mitglied des Gemeinderats, saß sogar 27 Jahre lang im Schöffenrat. „Als ich 1978 Schöffe wurde, wurde ich mit meiner ganzen Familie mit einer Pferdekutsche durch die Stadt gefahren. Das war schön“, erinnert sich Breyer. Nicht so gerne erinnert er sich jedoch an die politischen Niederlagen bei Wahlen oder den Verlust einiger seiner langjährigen Weggefährten im „Syndicat d’initiative“. Der Politiker Breyer genießt ein hohes Ansehen in der Gemeinde. „Ich lerne viel von ihm“, kommentierte unlängst CSV-Rat Patrick Arendt. Auch der aktuelle Kulturschöffe und ehemalige Bürgermeister Jean-Marie Halsdorf sieht in Breyer eine Art Mentor. „Er ist immer korrekt und hat mir viel geholfen“, betont der Ex-Minister. „Als ich Bürgermeister war (von 1994 bis 2000, d. Red.) waren Breyer und ich erbitterte politische Gegner, inzwischen sind wir aber Freunde geworden. Ich schätze vor allem sein Engagement und sein Fachwissen“, erzählt indes Ex-LSAP-Bürgermeister Roger Klein, der gemeinsam mit Breyer Mitglied des „Comité du souvenir“ und der Koordinationszelle für „Esch 2022“ ist. Roland Breyer ist dort der Leiter. Er hat schon vor ein paar Jahren, als er noch Kulturschöffe war, ein Dossier an die Zentrale in Esch/Alzette eingereicht, beklagt aber seitdem dessen mangelndes Feedback.

Breyer ist außerdem Mitglied in mehreren interkommunalen Syndikaten. Unter anderem die Arbeit als Vorsitzender des Abwassersyndikats Siach („Syndicat intercommunal pour l’assainissement du bassin de la Chiers“) mache viel Spaß, sei aber auch mit einer großen Verantwortung verbunden, so der Vertreter aus Petingen. Man verwalte dort schließlich teilweise immense Budgets.

Wer rastet, der rostet

Seit drei Jahren leidet Roland Breyer an Parkinson. „Ich nehme meine Pillen und ignoriere die Krankheit“, so der siebenfache Großvater. Breyer ist von seiner ersten Frau geschieden. Seine Lebensgefährtin Germaine, mit der er seit 32 Jahren zusammen ist, erlitt im März dieses Jahres einen Hirnschlag und ist seitdem ein Pflegefall. „Ich hatte in diesem Jahr noch keinen Tag frei. Ich werde demnächst ein wenig Ferien machen und überlegen, wie es weitergeht“, so der rüstige Senior. Ans Aufhören denkt er aber noch lange nicht, auch wenn ihn die Mehrfachbelastung manchmal ermüdet. „Ich liebe es zu gestalten, zu organisieren, die Stadt weiter zu beleben und aktiv zu bleiben.“ Eine gute Nachricht. „Er lebt für die Gemeinde und kann nicht loslassen. Er liebt das Risiko und braucht die permanente Herausforderung“, unterstreicht Jean-Marie Halsdorf. „Ohne ihn wäre das kulturelle Leben hier in der Gemeinde viel ärmer“, so Cynthia aus Petingen. Für Roger Klein ist ein SI ohne Breyer nicht vorstellbar, Sergio seinerseits wundert sich, warum der CSV-Politiker es nie auf den Bürgermeisterstuhl oder ins Parlament geschafft hat, bei seinen Ideen und seinem Tatendrang. Etwas, das auch Serge, der älteste der beiden Söhne des CSV-Politikers, etwas traurig stimmt. Er ist stolz auf seinen Papa, auch wenn dieser durch seine vielen Aufgaben oft nicht zu Hause war. „Roland ist ein absoluter Vereinsmensch. Meine Mutter war demnach oft präsenter als mein Vater, dafür wurden wir aber immer durch herrliche Ferien entschädigt“, so der Sohn, der zudem von den Kochkünsten seines Vaters begeistert ist. „Kochen und Reisen sind meine Hobbys“, bestätigt dann auch Roland Breyer. Das Kochen sei für ihn zudem eine gute Therapie gegen seine Parkinson-Erkrankung. Das Reisen kam in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie etwas zu kurz. „Normalerweise mache ich im Jahr rund fünf kleinere Trips und eine große Reise, zum Beispiel nach Südostasien“, erzählt Breyer. Die Krankheit bereitet ihm aber nicht nur wegen der nicht möglichen Reisen Sorgen. Sie schaffe Stillstand in vielen Bereichen, das sei nicht gut für die Gesellschaft, so der Petinger. Und dagegen will er kämpfen – auch mit 77.