Minièresbunn im Fond-de-GrasDer Unsinn paradoxer Corona-Regeln

Minièresbunn im Fond-de-Gras / Der Unsinn paradoxer Corona-Regeln
Ein Abteil bleibt geschlossen, das andere wird gefüllt: Die Regeln lassen es derzeit nicht anders zu im Fond-de-Gras. Foto: Editpress/Eric Hamus

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Corona ist auch im Fond-de-Gras ein Thema. Wie bei anderen Sehenswürdigkeiten gelten auch im Minettpark bestimmte Regeln. Diese lösten am Wochenende etwas Aufregung und Kopfschütteln aus.

Sonntag, 13. September: An einem der letzten Wochenenden der Saison ist der Minettpark im Fond-de-Gras noch einmal gut gefüllt. Hunderte Besucher profitieren vom guten Wetter, um sich auf die Spuren des Luxemburger Reichtums zu begeben und den Tag an der frischen Luft zu genießen.

Zum Besuch des Freilichtmuseums in dem verwunschenen Tal nahe Niederkorn gehört natürlich auch eine Fahrt mit der schmucken, gut unterhaltenen „Minièresbunn“. Auf knapp anderthalb Kilometern verbindet die Schmalspurbahn den Industriepark u.a. mit Lasauvage, wo sich die Grubenarbeiter in aktiven Zeiten auf ihre Schicht vorbereiteten. Dazwischen durchqueren die Besucher die Grube Doihl, wo sie an normalen Sonntagen ausgeladen werden, um mehr über die Arbeit unter Tage zu erfahren.

Normal ist in Pandemie-Zeiten kaum noch etwas. Wegen der sanitären Krise nämlich wurden für sämtliche kulturellen Einrichtungen des Landes bestimmte Maßnahmen ausgearbeitet, die Besucher und Mitarbeiter schützen sollen, ohne deren Erlebnis einzuschränken. So etwa stehen im Fond-de-Gras überall Gel-Spender bereit, an denen sich die Anwesenden die Hände säubern können. Indessen müssen im Minettpark überall dort Masken getragen werden, wo der Mindestabstand von zwei Metern nicht mehr gewährleistet werden kann. Auch bleibt die Schmalspurbahn nicht mehr in der Grube stehen, sondern fährt gleich weiter zum kleinen Bahnhof in Lasauvage.

Zurück aber zum Bahnsteig knapp hundert Meter unterhalb der ikonischen Gaststätte „Bei der Giedel“: Ungeduldig warten die Fahrgäste kurz vor 16.15 Uhr auf die Abfahrt. Alle sitzen sie in dem Abteil, das ihnen beim Kauf der Fahrscheine von den freundlichen Mitarbeitern zugewiesen wurde. Wegen Corona scheint die Zahl der Plätze begrenzt, ist jedes zweite Abteil mit Absperrbändern geschlossen. Ein Schild mit dem Logo der bekannten Ghostbuster-Franchise räumt allerletzte Zweifel aus dem Weg: „Halt!“, signalisiert der sympathische Geist. „Kein Zutritt!“

„Das ergibt keinen Sinn“

Währenddessen stehen die Besucher am Bahnsteig kurz vor der Abfahrt immer noch Schlange. Allerdings sind die sechs offenen Abteile bereits besetzt. Eine junge Mitarbeiterin schreitet die Bahn ab und zählt im Geiste die Fahrgäste durch, bevor sie zwei Passagiere in Abteil Nummer 5 anspricht: „Sie haben ja nichts dagegen, das Abteil mit zwei weiteren Gästen zu teilen? Es gilt ja schließlich Maskenpflicht“, fragt die junge Freiwillige und winkt zwei Herren herbei.

Tatsächlich besteht die Grubenbahn aus einer Lok und zwei offenen Waggons mit jeweils sechs Abteilen, in denen sich bis zu sechs Erwachsene auf zwei hölzernen Bänken gegenüber sitzen. Nun wurde aber in Zeiten der sanitären Krise jedes zweite Abteil geschlossen, um Distanz zwischen den Fahrgästen zu schaffen. „Warum werden dann Mitglieder aus unterschiedlichen Haushalten in einem Abteil zusammen gesetzt? Es wäre doch weitaus sicherer, eines der gesperrten Abteile wieder zu öffnen“, fragt sich eine Frau aus dem besagten Abteil.

Ihr neuer Abteilnachbar – ein Einwohner aus der Gegend von Longwy (F) – pflichtet ihr bei. „Das ergibt doch keinen Sinn“, so der Mann. Er ist mit einem Freund aus der Grenzregion angereist, um sich im Fond-de-Gras umzusehen. Währenddessen rutschen auch die Insassen im letzten Abteil zusammen. Drei Passagiere erklären sich bereit, vier weiteren Besuchern Platz zu schaffen. Auch hier hat die Mitarbeiterin nett nachgefragt. Sie und die Betreiber der Bahn trifft angesichts der unsinnigen Bestimmungen keine Schuld. Ihnen geht es in der Hauptsache darum, so vielen Besuchern wie möglich ein Erlebnis mit der Schmalspurbahn zu bieten – ohne die geltenden Regeln zu verletzen.

So nehmen die Fahrgäste die Umstände schließlich mit Humor. Trotz des regelrechten Unsinns der paradoxen Situation: Mit der Schließung der Abteile soll eigentlich Distanz zwischen den Besuchern geschaffen werden, um das Risiko weiterer Infektionen zu verringern. Die Bestimmungen aber zwingen die Mitarbeiter, die Passagiere in den verfügbaren Abteilen auf Tuchfühlung gehen zu lassen.

Auf die Situation angesprochen, betonen die freundlichen Freiwilligen, dass es ihnen durchaus bewusst sei, dass die Vorgehensweise kontrovers erscheint. „Allerdings wurden die Maßnahmen vom Ministerium ausgearbeitet. Wir müssen uns daran halten, ob sie Sinn ergeben oder nicht“, sagt eine junge Freiwillige.

„Schlecht für Tourismus“

Am nächsten Tag reagiert Tourismusminister Lex Delles zwar umgehend auf die Anfrage des Tageblatt, muss aber eingestehen, dass „sein“ Ministerium nicht zuständig sei für die Attraktionen im Fond-de-Gras. Es sei vielmehr das Kulturministerium, das per Konvention mit dem schmucken Minettpark verbunden sei. Generell aber sei es so, dass die Ministerien in besagten Umständen die Verbindung zwischen der entsprechenden Einrichtung und dem Gesundheitsministerium gewährleisten.

Vereine, Sehenswürdigkeiten oder Etablissements, die in Krisenzeiten öffnen und den Schutz der Besucher und Angestellten gewährleisten möchten, können also entsprechende Anfragen an die zuständigen Ministerien richten. Diese schalten dann die Gesundheitsbehörden ein, die den Antragstellern mit sanitären Bestimmungen weiterhelfen oder bereits ausgearbeitete Leitfäden überarbeiten und gutheißen.

Die gut unterhaltene „Minièresbunn“ führt die Besucher über eine Schmalspurstrecke vom Fond-de-Gras bis nach Lasauvage. Dazwischen führt ein Abschnitt durch die Grube Doihl – ein Highlight des Erlebnisses. 
Die gut unterhaltene „Minièresbunn“ führt die Besucher über eine Schmalspurstrecke vom Fond-de-Gras bis nach Lasauvage. Dazwischen führt ein Abschnitt durch die Grube Doihl – ein Highlight des Erlebnisses.  Foto: Editpress/Eric Hamus

Für Tourismusminister Delles sei es aber unabdingbar, dass diese Maßnahmen Sinn ergeben und ihr Ziel nicht verfehlen. Und das ist der Schutz von Angestellten und Besuchern. „Bei all den Bemühungen, die wir in unsere Label stecken, oder all der Mühe, die sich die Angestellten im Gastronomiebereich derzeit geben: Es geht darum, dass die Gäste sich wohl und sicher fühlen“, betont Delles. „Es geht darum, dass man Spaß haben kann, ohne sich Sorgen machen zu müssen, dass etwas passiert“, so der junge Politiker weiter. „Wenn Besucher eine Sehenswürdigkeit mit einem mulmigen Gefühl verlassen, ist das schlecht für den gesamten Tourismus in Luxemburg.“

Als Ansprechpartner im Kulturministerium verweist Jo Kox indessen auf die geltenden Bestimmungen im öffentlichen Transport: „Prinzipiell gelten in der Grubenbahn die gleichen Regeln. Dort ist die Maskenpflicht obligatorisch. In einem Bus oder einem Zug hat man auch nicht die Erwartung, eine Reihe oder ein Abteil nur mit Mitgliedern aus dem gleichen Haushalt teilen zu können“, erklärt der „Premier conseiller de Gouvernement“.

Ansonsten gelten für sämtliche Betreiber von Sehenswürdigkeiten oder anderen Einrichtungen die gleichen Regeln: „Die Gäste müssen sitzen und die Plätze müssen im Voraus reserviert werden“, so Kox weiter. Es sei den Organisatoren überlassen, sämtliche Plätze zu vergeben oder nur einen Teil: „Voraussetzung ist, dass jeder Mensch eine Maske trägt.“ Somit sei den Betreibern der Grubenbahn auch nichts vorzuwerfen, betont der hohe Regierungsbeamte, ohne weiter auf Sinn oder Unsinn der Maßnahmen im Fond-de-Gras einzugehen. Dazu müsste er Rücksprache mit den Betreibern der „Minièresbunn“ halten, meint Kox. „Jeder interpretiert die Bestimmungen halt anders“.

„Bestimmungen sind vage“

Genau darin liege das Problem: „Die Bestimmungen sind generell sehr vage“, erklärt Raphael Feller. Leider genössen kulturelle Einrichtungen nicht nur aktuell kaum Priorität: „Die Kultur kommt meistens erst am Schluss zum Zuge“, so der Präsident der „Minièresbunn“. Tatsächlich würden sich die Betreiber über genauere Ansagen freuen, wie Paul Hessé gegenüber dem Tageblatt betont. „Wir hängen selbst irgendwie im luftleeren Raum. Wir sind nicht die einzige betroffene Einrichtung. Es gibt viele Bestimmungen, die bei näherer Auslegung nicht ganz klar sind“, so der Sekretär der „Minièresbunn“, die sich zum Ende der Saison aufgrund der sanitären Krise auf einen herben Verlust einstellen muss.

„Wir würden uns auf jeden Fall über eine klarere Regelung freuen“, betont das freiwillige Mitglied des Betreibervereins. „Wie viele Plätze dürfen wir nutzen und in welchem Waggon? Wie müssen wir die Leute verteilen: Sollen wir sie zusammen setzen oder die Abteile öffnen?“, frag Hessé weiter. „Anstatt eines ganzen Abteils könnten wir auch nur eine Bank auslassen und sämtliche Passagiere in eine Fahrtrichtung setzen“, schlägt der Vereinssekretär vor. „Das wäre schnell umgesetzt und genauso einfach, wenn nicht sogar besser.“

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16. September 2020 - 11.16

Wenn sie im Restaurant gefragt würden ob sie noch einen Unbekannten mit an Ihren Tisch nehmen wollten, wie würden Sie dort antworten? Laut Gesetz dürfen Tische mit bis zu 10 Personen besetzt werden. Wo ist also das Problem? Man darf auch Nein sagen