KommentarWer für ein paar Wählerstimmen seine Menschlichkeit verhökert, gefährdet die EU

Kommentar / Wer für ein paar Wählerstimmen seine Menschlichkeit verhökert, gefährdet die EU
Fast alle wollen weg von der Insel Lesbos, doch Athen und viele Europäer bleiben hart Foto: AFP/Angelos Tzortzinis

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Eine Einigung, Migranten und Flüchtlinge gleichmäßiger aufzuteilen, wird es in der EU in absehbarer Zeit kaum geben. Zu sehr liegen die Positionen auseinander. Seit Jahren. Vielmehr dürften es dieselben fünf, sechs oder sieben EU-Staaten bleiben, die sich dieser Aufgabe annehmen werden. Luxemburg gehört dazu, darauf können wir stolz sein.

Stolz darauf, nicht in einem Land zu leben, in dem ernsthaft diskutiert wird, ob man Kinder retten soll oder nicht. Das ist zivilisatorisches Mindestmaß – unter dieser Latte lauert die Barbarei.

Ein Augenmerk verdient auch die Diskursverschiebung. Politikern wie Jean Asselborn sowie den handelnden Teilen der Zivilgesellschaft, die sich gegen ein Ertrinkenlassen im Mittelmeer und gegen die menschenunwürdigen Zustände in griechischen Abschreckungslagern auflehnen, wird vorgeworfen, genau das als Lösung der Migrationsprobleme zu verkaufen. Doch das hat nie jemand behauptet. Hier geht es um Rettungen, nicht um Lösungen. Langfristig ist das Problem nur solidarisch und gemeinsam zu bewältigen, was auch eine Solidarität mit den Staaten Afrikas und Asiens bedeutet.

Kaltherzige Gegner einer humaneren Migrationspolitik heften jenen, die Hilfe und Solidarität einklagen, gerne eine gewisse Naivität an: Vielleicht meint ihr es gut – aber ihr macht es schlecht, denn dann kommen immer mehr. Aber nichts ist falscher als das. Der von Rechten viel beschworene Pull-Effekt wurde längst wissenschaftlich entkräftet. Und vor allem kann nichts falscher sein, als Menschen sehenden Auges sterben zu lassen.

Noch dazu geschieht dies oft genug aus innenpolitischen Gründen, um daheim das über die Jahre eigens rassistisch aufgehetzte Wahlvolk bei grimmiger Laune zu halten und diese Stimmen einzusäckeln. Das ist auf dem Buckel der Schwächsten und zulasten des größeren Ganzen des europäischen Projekts ausgetragene Provinzpolitik – und das wiederum ist die wahre Plage der EU. Und ein Armutszeugnis dazu. Solche Politiker darf man, wie Asselborn es mit Österreichs Kanzler Kurz getan hat, als Missetäter bezeichnen. Er ist aber nicht der einzige.

jean-pierre goelff
15. September 2020 - 14.37

Bravo,Mr.Scholer,sie haben den berühmten Nagel auf den Kopf getroffen und bewiesen dass diese EU zu einem Sammelsurium höchst unfähiger Politiker verkommen ist!Wie sagte da jemand im Hintergrund:,,doch die Finsternis hat es nicht begriffen,,!

J.Scholer
14. September 2020 - 15.50

Objektiv gesehen ist die Flüchtlingspolitik ein Fass ohne Boden. Solange die Zustände in den Krisenländern nicht behoben werden , der Teufelskreis nicht zu durchbrechen und der Flüchtlingsstrom nicht einzudämmen sein. Fakt ist die europäischen Ländern , ihrer Macht, ihrem Einfluss, ihrer Wirtschaft wegen zu den Zuständen in den Krisenländern beitragen,Verursacher und Teil des Problems sind.Zur Auffrischung der Gedankengänge, Deutschland,Frankreich,Italien,....verdienen enorme Summen mit dem Verkauf militärischer Güter in diese Krisenländern.Man kann von Herrn Kurz denken was man will, sein Vorschlag in den Krisenländer zu investieren, die Probleme zu lösen ist richtig. Falsch ist ist es auch , wollen wir diesen Krisenländern durch Investitionen , die Probleme an der Wurzel zu packen und beheben, dem Flüchtlingsstrom den Weg nach Europa ebnen. Wichtigstes Potential der Krisenländern sind ihre Einwohner.Indem wir das Potential das in diesen Menschen steckt ,die Abwanderung durch eine freizügige Flüchtlingspolitik begünstigen, werden die Krisenländern nicht mehr fähig sein zu überleben.Im Endeffekt geht es nicht darum ,ob wir durch solidarisches , humanistisches Handeln unserer Gewissen beruhen , den Ruin dieser Krisengebiete fördern , einzig alleine darum den Krisenländern wirkliche, ehrliche Hilfe zukommen zulassen oder dumm und dämlich zu akzeptieren, die die nicht die Mittel zur Flucht haben , deren Tod in Kauf zunehmen.

Realist
14. September 2020 - 13.48

Tja, da kann man mal sehen wie sehr Kompetenz auf der einen und Erwartungshaltung auf der anderen Seite auseinanderklaffen. Die Politiker begnügen sich wieder mal mit medial zelebrierten Rettungen - wohl wissend, dass hinter jedem "Geretteten" eine hohe Dunkelziffer Ertrunkener und unterwegs sonstwie elendig Umgekommener, Versklavter und Verlorener stehen - , während die Wähler sich endlich mal Lösungen erwarten. Dafür werden Politiker nämlich bezahlt, und das hierzulande gar nicht mal schlecht.