TechnologieForscher aus Luxemburg erhält 1,5 Millionen Euro Zuschuss für Arbeit an einer KI

Technologie / Forscher aus Luxemburg erhält 1,5 Millionen Euro Zuschuss für Arbeit an einer KI
Professor Dr. Tegawendé Bissyandé wird vom Europäischen Forschungsrat unterstützt, um sein Projekt zu verwirklichen Foto: uni.lu

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Ein Professor der Universität Luxemburg hat für seine Arbeit einen 1,5-Millionen-Euro-Zuschuss des Europäischen Forschungsrates erhalten. Sein Projekt im Bereich der Informatik wurde unter den Rezipienten vom Forschungsrat besonders hervorgehoben.

Den Zuschuss zu erhalten, sei für ihn eine große Ehre, sagt Professor Dr. Tegawendé Bissyandé gegenüber dem Tageblatt. Der Zuschuss des Europäischen Forschungsrates ist nicht nur eine Würdigung für sein Projekt, sondern auch für ihn persönlich. Die Jury, die über die Gelder entscheidet, schaut sich neben dem Projekt auch die Person an, die dahintersteht, und ihren Werdegang. Die Zuschüsse werden namentlich an die Person verliehen und nicht etwa an eine Uni oder ein Konsortium.

Anders als bei solchen Zuschüssen üblich, ruft der Forschungsrat auch nicht dazu auf, Vorschläge zu einem bestimmten Thema einzureichen. Es ist den Kandidaten überlassen, was sie einreichen und womit sie versuchen, den Nerv der Jury zu treffen.

Bissyandés Projekt (mit dem Namen NATURAL) beschäftigt sich mit einem Vorgang, der von Computerexperten als „Debugging“ bezeichnet wird – das Beheben von Problemen im Computercode. Bissyandé will mit seinem Projekt fünf Jahre lang untersuchen, wie künstliche Intelligenz diese Arbeit erleichtern kann. Am Ende soll ein „Bot“ stehen, der die Beschwerden der Benutzer versteht und selbstständig Verbesserungsvorschläge machen kann.

Von wütend bis hilfreich

Stößt ein Computerprogramm auf ein Problem – stürzt es zum Beispiel ab – dann fragen viele Programme den Nutzer, ob sie einen Bericht über das Problem an den Entwickler senden dürfen, damit dieser dafür sorgen kann, dass das Problem in zukünftigen Versionen des Programmes nicht mehr auftaucht. Manchmal werden diese Berichte automatisch generiert, oft ist es aber auch der Benutzer, der in einigen Sätzen beschreibt, was genau er gemacht hat und was dann schiefgelaufen ist.

Bislang müssen diese Berichte in „natürlicher Sprache“ von einem Menschen gelesen und interpretiert werden. Der muss dann von dem, was der Benutzer beschreibt, auf eine Stelle im Code schließen, die den Fehler verursacht hat. Hier will Bissyandé eingreifen. Die Forschung zur künstlichen Intelligenz hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht und Computer sind immer besser in der Lage, natürliche Sprache zu verstehen, erklärt Bissyandé. Darum sollte es möglich sein, eine KI zu schaffen, die diese von Benutzern verfassten Berichte versteht und Verbesserungsvorschläge machen kann. Am Ende steht immer noch ein Mensch, der sich die Verbesserungsvorschläge ansieht, sie validiert und gegebenenfalls in die Software aufnimmt. Dabei muss das Programm Fehler beheben, an die vor Auslieferung der Software niemand gedacht hat; Fehler, die erst bei der Benutzung des Programmes aufgefallen sind.

Der Vorgang sei iterativ, erklärt Bissyandé. Die Maschine könne unterschiedliche Lösungen auswerten und einen Vorschlag machen und implementieren. Wenn der Benutzer noch immer nicht zufrieden ist, dann sucht die Maschine weiter nach einer Lösung. Die Maschine soll allerdings nur Fehler beheben und nicht ein neues individuell abgestimmtes Programm für den Benutzer schreiben können.

Eine der Herausforderungen, denen sich Bissyandé und sein Team stellen müssen, ist die, dass diese Berichte von sehr unterschiedlicher Qualität sind. Einige Benutzer kennen sich überhaupt nicht mit Computern aus, sodass es ihnen schwerfällt, das Problem zu beschreiben. Andere wiederum sind wütend, weil ein Fehler aufgetreten ist, und verfassen im Affekt einen unschönen Bericht. Andere wiederum kennen sich sehr wohl mit Computern aus und sind sehr hilfsbereit.

Hohe Kosten für die Wirtschaft

Bissyandés Institut, das SnT, gibt an, dass der Markt für Software und softwarebasierte Dienste in der Europäischen Union einen geschätzten Wert von 300 Milliarden Euro bildet. Auf einem solchen Markt sind Programmfehler, die behoben werden müssen, ein ernstzunehmender Kostenfaktor für die betroffenen Unternehmen. Das SnT geht so weit, zu sagen, dass diese Fehler auch für die Öffentlichkeit zum Problem werden, da sie sich auf die Wirtschaftsleistung insgesamt auswirken können. Das SnT zitiert aus einer Studie von Tricentis, einem Softwaretest-Unternehmen, derzufolge Softwarefehler allein im Jahr 2017 Umsatzeinbußen von ca. 1,7 Billionen US-Dollar im anglofonen Raum verursacht haben. Entwickler, so SnT, verbringen in der Regel 50-80 Prozent ihrer Zeit mit dem Testen und Reparieren von Software.

Das SnT ist die Hightech-Schmiede (oder eine der Hightech-Schmieden) der Universität. An dem Institut am Boulevard Kennedy auf dem Kirchberg wird an künstlichen Intelligenzen, Sensoren für den Einsatz im Weltall und an autonomen Autos gearbeitet.

Mit dem erhaltenen Geld will Bissyandé drei Doktoranden und zwei Post-Docs einstellen, die mit ihm zusammen das Projekt durchführen. Diese Menschen sollen im Idealfall aus der ganzen Welt rekrutiert werden. Auch weil die entsprechenden Profile in Luxemburg nicht vorhanden sind. Luxemburg wolle nicht andere kopieren, sondern Pionierarbeit leisten, so Bissyandé. Die Zahl der Arbeiten zu dem Thema mehrten sich in jüngster Vergangenheit und in vielen werde bereits die vorläufige Forschung der Luxemburger Forscher zitiert, berichtet Bissyandé.

Bissyandé stammt aus Burkina Faso. Anschließend besuchte er eine Schule in Marokko und studierte in Bordeaux in Frankreich. Seit 2013 arbeitet er am SnT. Luxemburg sei heute ein großartiger Ort, um zu forschen, erzählt er. Zum einen, weil hier auch Englisch gesprochen wird. Ein Forscher, der zum Beispiel aus China stammt, habe es dadurch in Luxemburg leichter als etwa in Frankreich. Zum anderen mache Luxemburg durch seine „Stars“ von sich reden – damit gemeint sind Forscher, die in der Forschungsgemeinschaft herausstechen. Einige Forscher in Luxemburg gehörten zu den „größten Persönlichkeiten in unserem Bereich“, sagt Bissyandé. Das Großherzogtum habe seinen Platz neben den USA, Kanada, China und Singapur gefunden. „Luxemburg is now shining“, sagt Bissyandé.