Kopf des TagesVon Kraftwerk bis „Dreaming“: „Krautrock“-Legende Rother wird 70

Kopf des Tages / Von Kraftwerk bis „Dreaming“: „Krautrock“-Legende Rother wird 70
 Foto: dpa/Annette Riedl

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„Krautrock“-Legende Rother wird 70

Er hat in drei der international renommiertesten deutschen Bands der Pop-Historie gespielt, als Solokünstler Erfolge gefeiert und mit Herbert Grönemeyer einen prominenten Förderer an seiner Seite. Dennoch war Michael Rother in Deutschland lange Zeit nur für Musikexperten eine bekannte Größe – während im Ausland schon der rote Teppich für „die Krautrock-Legende“ mit Stationen bei Kraftwerk, NEU! und Harmonia ausgerollt wurde.

Für das Online-Lexikon Allmusic gehört der Künstler „zu den einflussreichsten überhaupt im Bereich Rock, experimentelle und elektronische Musik“. Nun veröffentlicht der abwechselnd in Niedersachsen oder Italien lebende Gitarrist und Filmkomponist Rother nach langer Pause ein neues Album, er wird zum zweiten Mal mit einem Solo-Boxset geehrt – und feiert am 2. September seinen 70. Geburtstag. Es hat sich also doch noch ganz gut gefügt für diesen so selbstbewussten wie bescheidenen Pop-Pionier und Klangforscher.

„Die Wahrheit ist immer noch, dass mein Name im Ausland mehr Zugkraft hat und größere Begeisterung auslöst als hierzulande“, sagt Rother im Interview der Deutschen Presse-Agentur. „Wahrscheinlich könnte ich in Tokio mit meiner Musik mehr Leute anziehen als in Deutschland.“ Er erwähnt diesen seit über 40 Jahren bestehenden Gegensatz in der öffentlichen Wahrnehmung ohne Groll oder Bitterkeit – dafür ist das Naturell des gebürtigen Hamburgers viel zu freundlich und positiv.

Zumal sich in den vergangenen 25 Jahren für ihn ja einiges getan hat. Als Elektropop-Türöffner, der schon in ganz jungen Jahren bei Kraftwerk spielte, wurde ihm etwa von David Bowie, Sonic Youth, John Frusciante (Red Hot Chili Peppers) oder Radiohead gehuldigt. Dann kam die vom Label Grönland angestoßene Wiederentdeckung der Rother-Zeit im Duo NEU! (1971 bis 1975) und beim Trio Harmonia (1973 bis 1976).

Rother hatte vor, es mit knapp 70 dabei zu belassen. Neue Aufnahmen seien eigentlich nicht geplant, betonte er Anfang 2019 im dpa-Gespräch. Mit weiteren Live-Gigs wolle er aber „die neue Begeisterung für meine Musik jetzt gern am Leben erhalten“. Doch dann kam Corona: keine Konzerte mehr, stattdessen viel Zeit beim persönlichen Lockdown im Heimstudio in Bevern-Forst an der Weser.

Das Ergebnis, die neue Platte „Dreaming“, ist für den bekannten britischen Musikjournalisten Trevor Pinnock „die eigentliche Sensation“ der Krautrock-Renaissance. Aus einer Hamburger Aufnahmesession mit der britischen Sängerin Sophie Joiner vor gut 20 Jahren hatte Rother noch etwa 75 – wie er es nennt – „Skizzen“ übrig. Diesen elektronischen Songentwürfen fügte er kürzlich nun seine typischen, sphärischen oder auch verzerrten Gitarren-Sounds hinzu – als „entscheidende Klangfarben“.

Ob er mit 70 nun in ein Spätwerk einbiegt, das neben den für 2021 fest eingeplanten Konzerten auch weitere neue Musik umfasst? „Man ist gut beraten, damit zu rechnen, dass Nicht-Vorhersehbares passiert im Leben. Ich habe aber jetzt nicht plötzlich das Gefühl, ich müsste in drei Monaten das nächste Album anfangen.“ Diese Gelassenheit war es wohl, die Rother – trotz mancher Frust-Phase – eine lange Karriere mit großem Einfluss auf die internationale Popszene beschert hat. (dpa)