PowerliftingAnkie Timmers trainiert in Luxemburg und gehört zur Weltelite in dem Sport

Powerlifting / Ankie Timmers trainiert in Luxemburg und gehört zur Weltelite in dem Sport
 Foto: International Powerlifting Federation

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„Bist du gedopt?“, „Hast du keine Angst, nachher wie ein Mann auszusehen?“ Solche und ähnliche Fragen kennen Kraftsportlerinnen. Zeitgemäß ist dies jedoch nicht mehr: Immer mehr Frauen trauen sich an das Eisen heran. Im Leistungssport wird zwischen zwei Disziplinen unterschieden: Powerlifting oder Kraftdreikampf und Gewichtheben (im englischen Sprachraum als Olympic Weightlifting bezeichnet). In den vergangenen Jahren hat sich eine neuere Sportart etabliert, die Elemente aus den erstgenannten übernimmt: Crossfit. Das Tageblatt stellt drei Athletinnen aus diesen Bereichen vor.

Europameisterin 2019 in Pilsen, Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft 2019 in Dubai und European Athlete of the Year 2019, als erste Holländerin und Powerlifterin überhaupt: Ankie Timmers gehört zur Weltelite in dieser Disziplin. Und sie trainiert in Luxemburg, mit Nationaltrainer Alain Hammang. Ihre bisherigen Rekorde: 230 kg in der Kniebeuge, auch Englisch Squat genannt, 177,5 kg im Bankdrücken und 222,5 kg im Kreuzheben. Auf diese drei Übungen kommt es in Wettkämpfen an, wobei mehrere Regeln befolgt werden müssen. Mit Pumpen hat dies nichts zu tun – „es ist kein Bodybuilding“, betont die Athletin, die als Pflegekraft mit behinderten und dementen Personen arbeitet. Kniebeugen müssen beispielsweise tief genug sein und beim Bankdrücken muss die Langhantel bewegungslos auf der Brust gehalten werden, bis der Hauptkampfrichter das entsprechende Signal gibt.

Als Kind und Jugendliche war Ankie Timmers in der Leichtathletik in den Niederlanden aktiv. Von 1994 bis 2006 übte sie den Sport aus und war acht Jahre lang Kugelstoßerin und Diskuswerferin, wo sie auch Jugendmeisterin wurde. Auf das Bankdrücken wurde sie 2008 aufmerksam, 2009 ging es dann mit dem Powerlifting allgemein, den drei Übungen also, los. Hierbei wird zwischen Classic und Equipped unterschieden: Bei Letzterem werden spezielle Anzüge getragen, die den Körper bei der jeweiligen Übung schützen und zugleich unterstützen.

2010 wurde sie bereits für die Europameisterschaft im Equipped-Powerlifting nominiert – und schaffte es mit einem dritten Platz gleich auf das Podium. „Ich ging einfach voller Power in diesen Wettkampf und konnte es anfangs nicht glauben“, erzählt sie rückblickend. Ab da ging es stets bergauf.

Training in Hamm

2013 begann die Zusammenarbeit mit Alain Hammang, mit dem sie bei der Weltmeisterschaft 2012 in Puerto Rico in Kontakt getreten war. Der Luxemburger gilt als Legende in Powerlifting-Kreisen und hat bereits viele sehr erfolgreiche Athleten hervorgebracht. „Mit ihm habe ich wirkliche Fortschritte im technischen Bereich gemacht“, sagt Timmers. Das ist auch der Tipp, den sie einem Anfänger, der sich für diese Sportart interessiert, geben würde: „Such dir einen guten Trainer und lerne die richtigen technischen Bewegungsabläufe. Das ist besonders wichtig.“

Seitdem pendelt die 33-Jährige zwischen Luxemburg und den Niederlanden hin und her, ist mittlerweile aber öfter im Großherzogtum und hat nun offiziell ihren Wohnsitz hier. In den Niederlanden erfreut sich Powerlifting im Classic-Bereich hoher Beliebtheit: Rund 200 Athleten messen sich in dieser Disziplin, die seit vergangenem Jahr dort als Hochleistungssport anerkannt ist, und es gibt sogar eine Reserveliste.

In Hamm schätzt sie die Top-Ausrüstung und die Professionalität, mit der der Sport ausgeübt wird. Keine Musik, keine knappe Kleidung, alle tragen T-Shirts und lange Hosen oder Leggings. Um zu verhindern, dass die Athleten den Blick auf das Wesentliche verlieren. „Hier geht es nicht darum, seine Muskeln zu zeigen oder vor dem Spiegel zu posieren, sondern darum, sich selber weiterzuentwickeln.“

„Best Lifter“ bei der EM

Wie viele Trophäen und Preise Timmers bereits gewonnen hat, kann sie nicht genau einschätzen. Auf jeden Fall sind es viele: Bei fast jeder internationalen Meisterschaft hat sie es bislang auf das Podium geschafft. Neben dem dritten Platz im Equipped-Powerlifting weltweit und Silber im Classic-Bereich in Europa gibt es noch neun Siege bei den Western European Championships und Wettkämpfe, die sich rein auf das Bankdrücken konzentrieren. 2019 wurde sie nicht nur Europameisterin in der Kategorie der Frauen unter 84 kg Körpergewicht, sondern auch zum „Best Lifter“ des gesamten Turniers gekürt.

Dieses Jahr ist der Kalender Corona-bedingt leer, doch der Lockdown hatte keine negativen Konsequenzen auf ihren Trainingsalltag. Die Athletin besitzt ihr eigenes Powerlifting-Gym zu Hause. Auch die Ausübung des Boxsports gehört dazu, als Komplementärübung zum Kraftaufbau und für die Entwicklung der Schnellkraftfähigkeit.

Eine Frau, die über 230 kg im Squat schafft – das klingt für viele erst mal unwirklich. Und macht stutzig. Das Vorurteil, dass die Sportler Dopingmittel zu sich nehmen, haftet der Schwerathletik seit eh und je an. Dass auch Frauen einfach stark sein können, leuchtet nicht jedem ein. Ankie Timmers muss sich regelmäßig Dopingtests unterziehen, die unangekündigt erfolgen. „Dreimal innerhalb von vier Tagen ist mein bisheriger Rekord“, sagt sie lachend. Sie nimmt auch keinerlei Ergänzungsmittel zu sich. Ab und zu gibt es mal einen Proteinshake, doch ansonsten esse sie, was sie möchte. „Wenn ich Lust auf ein Eis habe, lasse ich es mir schmecken.“ Zurzeit ernährt sie sich vegetarisch und zeitweise auch vegan. Um zu schauen, ob es Unterschiede in ihrer Leistung gibt.

Ihr großes Ziel lautet natürlich, Weltmeisterin zu werden. Auch eine Beteiligung an den World Games 2022 in Amerika und 2025 in China peilt sie an. Ihren Platz unter den Größten im Powerlifting hat sie auf jeden Fall erreicht.

HTK
30. August 2020 - 16.23

Jeder ist seines Glückes Schmied. Erinnert mich ein wenig an die alten DDR-Athletinen mit Stiergenick und kaputter Wirbelsäule.