Explosion in LagerhalleGewaltige Detonation in Beirut: War Ammoniumnitrat der Auslöser?

Explosion in Lagerhalle / Gewaltige Detonation in Beirut: War Ammoniumnitrat der Auslöser?
Rauch steigt von der Stelle auf, an der sich eine Explosion ereignete. In der libanesischen Hauptstadt Beirut hat sich am Dienstag eine gewaltige Explosion mit Dutzenden Toten und mindestens 2.700 Verletzten ereignet. Foto: dpa/AP/Hussein Malla

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Blutende Menschen irren durch Schutt und Staub, nachdem Beirut von einer riesigen Explosion erschüttert wurde. Auslöser dafür könnte eine sehr große Ladung Ammoniumnitrat sein. In China war der Stoff schon 2015 für eine Reihe tödlicher Explosionen mit verantwortlich.

Nach der gewaltigen Detonation in Beirut mit mehr als 70 Toten und 3.000 Verletzten beginnt im Libanon die Suche nach möglichen Ursachen. Ausgelöst haben könnte die schwere Explosion eine sehr große Menge Ammoniumnitrat: Schätzungsweise 2.750 Tonnen der gefährlichen Substanz seien jahrelang ohne Sicherheitsvorkehrungen im Hafen von Beirut gelagert worden, sagte Ministerpräsident Hassan Diab dem Präsidialamt zufolge. Hinweise auf einen Anschlag oder einen politischen Hintergrund gab es am Dienstag nicht.

Die Explosion stürzte die libanesische Hauptstadt, deren Bevölkerung derzeit schon unter einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise leidet, in noch tieferes Chaos. Durch die Erschütterung zerbarsten Fenster, Trümmerteile schlugen Löcher in Wände. Blutende Menschen wanderten durch Schutt und Staub, einige Straßen waren voller Glasscherben. Große Teile des Hafens wurden vollständig zerstört. Beirut, in dessen Großraum schätzungsweise bis zu 2,4 Millionen Menschen leben, wurde zur „Katastrophen-Stadt“ erklärt.

Herstellung von Raketenantrieb und Düngemittel

Ammoniumnitrat, das auch zur Herstellung von Sprengsätzen dient, kann bei höheren Temperaturen detonieren. Die Substanz dient zum Raketenantrieb und vor allem zur Herstellung von Düngemittel. Die farblosen Kristalle befanden sich auch in dem Gefahrgutlager der chinesischen Hafenstadt Tianjin, wo 2015 nach einer Serie von Explosionen 173 Menschen getötet wurden. In Deutschland fällt die Handhabung von Ammoniumnitrat unter das Sprengstoffgesetz.

Der Stoff könnte von einem Frachtschiff stammen, dem libanesische Behörden laut Berichten im Jahr 2013 wegen verschiedener Mängel die Weiterfahrt untersagt hatten. Das Schiff war demnach von Georgien aus ins südafrikanische Mosambik unterwegs. Der Besatzung gingen dann Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff offenbar auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schließlich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus untergebracht wurde.

Bei der Detonation hatte sich eine riesige Pilzwolke am Himmel gebildet. Eine Druckwelle breitete sich blitzschnell kreisförmig aus. Noch Kilometer weiter gab es Schäden. Beschädigt wurden der Regierungspalast, die finnische Botschaft und die Residenz von Ex-Ministerpräsident Saad Hariri. Am Suk Beirut, einer modernen Einkaufsgegend, zerbarsten Fensterscheiben. Auch ein Schiff der UN-Friedenstruppen im Libanon (Unifil) wurde beschädigt. Es seien Blauhelm-Marinesoldaten verletzt worden, teilte die Mission mit.

Verantwortliche gesucht

Präsident Michel Aoun rief für Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung des Kabinetts ein, um die Ursachen der Explosion zu klären. „Ich werde nicht ruhen, ehe ich den Verantwortlichen kenne und ihm die härteste Strafe gebe“, sagte Aoun laut Zitaten des Präsidialamts bei Twitter. Regierungschef Diab erklärte den Mittwoch zum Tag landesweiter Trauer in Gedenken an die Opfer. Für die Stadt wurde ein zwei Wochen langer Notstand verhängt.

Regierungen anderer Länder zeigten sich betroffen und stellten rasche Unterstützung in Aussicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich „erschüttert“, wie die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer die Kanzlerin zitierte. Deutschland stehe dem Libanon in der „schweren Stunde zur Seite“, twitterte Außenminister Heiko Maas. Auch Mitarbeiter der Deutschen Botschaft seien unter den Verletzten.

Auch die Europäische Union und Frankreich – frühere Mandatsmacht des Libanon – stellten Hilfen in Aussicht. UN-Generalsekretär António Guterres reagierte bestürzt und drückte den Familien der Opfer sein „tiefstes Beileid“ aus. US-Präsident Donald Trump schien den Vorfall als Anschlag einzustufen: Seine „Generäle“ gingen von einer Art Bombe aus, sagte Trump im Weißen Haus. Die Explosion deute nicht auf einen Unfall hin, sagte Trump unter Berufung auf seine Militärberater.

Selbst Israel, das mit dem benachbarten Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, bot über ausländische Kanäle „medizinische humanitäre Hilfe“ an. Offiziell befinden sich beide Länder noch im Krieg. Spekulationen, dass Israel hinter der Explosion stecken könnte, räumte Außenminister Gabi Aschkenasi aus.

Tarzan
6. August 2020 - 22.27

Ich bin vielleicht nur ein alter weisser mann, der sich mit Vorurteilen geplagt, bepackt durch sein Restleben schleppt. aber, ich kanns nicht lassen, allein der blosse Gedanke, dass im Libanon etwas kontrolliert wird oder mit rechten dingen zugehen könnte, lässt mit mich sprachlos, staunend zurück.die zeit als Beirut als das Paris des nahen Ostens galt, liegt, zum leid der Einwohner, schon lange zurück.

Esmeralda
6. August 2020 - 17.03

@Tarzan "da der libanon nicht gerade als ein führendes Agrarland bekannt ist (oder doch?), gehe ich mal davon aus dass die Hisbollah was für schlechte Zeiten gehortet hatte" 'Berichten zufolge hatten libanesische Behörden im Jahr 2013 einem Frachtschiff die Weiterfahrt wegen verschiedener Mängel untersagt, das von Georgien ins südafrikanische Mosambik unterwegs war. Der Besatzung gingen Treibstoff und Proviant aus, der Inhaber gab das Schiff dann offenbar auf. Der Crew wurde nach einem juristischen Streit schließlich die Ausreise genehmigt. Das Schiff blieb zurück mit der gefährlichen Ladung, die in einem Lagerhaus für beschlagnahmte Güter untergebracht wurde. ' Tagesspiegel

Tarzan
6. August 2020 - 13.47

da der libanon nicht gerade als ein führendes Agrarland bekannt ist (oder doch?), gehe ich mal davon aus dass die Hisbollah was für schlechte Zeiten gehortet hatte. der FOCUS hat berichtet, dass 2016 solch ein Depot in Deutschland entdeckt wurde.. dank dem Mossad.der Absender war der gleiche.

viviane
6. August 2020 - 12.49

Bei jedem unserer Hobbybauern lagern auch Zentner bis Tonnen dieses Zeugs.

Realist
6. August 2020 - 7.48

Laut einem Chemiker, der gestern im deutschen Fernsehen zur Sache sprach, deutet die rötliche Färbung der Sprengwolke tatsächlich auf Ammoniumnitrat hin, ein Stoff von dem offenbar an die 2700 Tonnen (!) dort eingelagert waren. Um diesen an sich recht trägen Stoff zur Explosion zu bringen, bedarf es jedoch beträchtlicher Energie. Die klassische Lunte, ein paar Funken, ja sogar gängige Sprengkapseln und mittlere Feuereinwirkung reichen nicht aus. Vor der eigentlichen Detonation sieht man auf den veröffentlichten Handy-Videos einen Brand mit immer wieder aufflackernden Explosionsblitzen. Der deutsche Experte vermutete hochgehende Feuerwerkskörper, die das Ammoniumnitrat in eine Reaktion "mitgerissen" hätten. Kann man glauben oder auch nicht, zumal es sich angesichts der Grösse der Feuerbälle beim Feuerwerk dann schon um gehörige Kaliber gehandelt haben müsste. Ich stelle mir jedoch folgende Frage: Ob Präsident Aoun seine markige Forderung nach strenger Bestrafung der Schuldigen auch dann aufrecht erhalten wird, falls sich herausstellen sollte, dass die mit ihm befreundete Hisbollah ein paar ihrer für Israel bestimmten Raketen an einer Höchst unklug gewählten Stelle gelagert hatte…?

J.C.Kemp
5. August 2020 - 20.56

Trump weiss es schon, es ist eine Bombe und der Iran oder China stecken dahinter, vielleicht auch beide. Es könnte aber auch Biden sein.