DeutschlandJuso-Chef Kevin Kühnert gibt sein Amt auf und will in den Bundestag einziehen

Deutschland / Juso-Chef Kevin Kühnert gibt sein Amt auf und will in den Bundestag einziehen
Der Juso-Chef Kevin Kühnert ist eines der wenigen Aushängeschilder der deutschen Sozialdemokraten Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

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Gerhard Schröder war mal Juso-Chef und wurde Jahre später Bundeskanzler. Auch Andrea Nahles führte die Jugendorganisation der SPD einst an, sie brachte es immerhin bis zur Ministerin und Parteichefin.

Die rebellischen Jusos sind traditionell ein Sprungbrett, manch einer behauptet sogar, sie sind die Talentschmiede der Genossen. Da viele ihrer früheren Vorsitzenden später wichtige Funktionen erlangt haben, kann man Kevin Kühnert getrost eine ähnliche Ambition unterstellen.

Der 31-Jährige hat angekündigt, beim Bundeskongress seiner Organisation Ende November in Potsdam das Amt des Juso-Chefs vorzeitig zur Verfügung zu stellen. Er will zur Bundestagswahl 2021 im Berliner Wahlbezirk Tempelhof-Schöneberg antreten. Gelingt ihm das, verspricht es spannend zu werden. Erstens kandidiert dort für die Grünen ebenfalls ein prominentes Zugpferd: die frühere Verbraucherministerin Renate Künast. Und zweitens wurde der Bezirk seit 2009 direkt vom CDU-Mann Jan-Marco Luczak gewonnen. Keine leichte Aufgabe also für Kühnert.

Pikant ist zudem, dass für den Wahlbezirk auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller im Gespräch ist. Spekuliert wird schon länger, dass für ihn Familienministerin Franziska Giffey ins Rote Rathaus einziehen soll und Müller in den Bundestag wechseln will. Ob es so kommt, ist offen. Auch, wer dann über welchen Berliner Landeslistenplatz abgesichert werden wird – erhält Kühnert Platz eins oder gegebenenfalls Müller? Neue Grabenkrämpfe in der gebeutelten Hauptstadt-SPD drohen allemal.

Der gebürtige Berliner Kühnert ist seit 2017 Juso-Vorsitzender. Bundesweit bekannt wurde der Mann vom linken Flügel als führender Kopf der „NoGroko-Kampagne“ Anfang 2018, mit der er damals die Parteiführung vor sich hertrieb. Seitdem ist er ein Aushängeschild der Genossen, von denen die SPD nicht mehr viele hat. Streitbar – jedoch nicht unumstritten. Seine Macht ausgebaut hat er im vergangenen Jahr durch die Wahl der neuen Parteispitze Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans. Beide wurden von Kühnert unterstützt, ohne den Strippenzieher hätte das Duo wohl nicht gewonnen. Der bekennende Fan von Arminia Bielefeld wurde dann auch Parteivize. Nicht wenige Sozialdemokraten behaupten, dass das der eigentliche Sinn seiner Aktionen war. Kühnerts Bemühungen, die SPD wieder weit nach links zu schieben, gerieten jedenfalls bald ins Stocken. Einerseits wegen der politischen Blässe Eskens und Walter-Borjans, andererseits, weil bei der Bewältigung der Corona-Krise das SPD-Lager pro Kurs der Mitte um Finanzminister Olaf Scholz wieder deutlich an Stärke gewonnen hat.

„Linke Politik machen“

Welche Ziele verfolgt Kühnert nun? Er wolle die Veränderungen, die die Jusos angestoßen hätten, auch in die Bundestagsfraktion einbringen, meinte er gestern. Der SPD müsse es im Wahljahr gelingen, „die Union aus der Bundesregierung herauszubekommen“, so Kühnert gewohnt selbstbewusst. „Die Mission ist, linke Politik für die Gesellschaft zu machen.“ In einer großen Koalition sei das schwerlich möglich. Kühnert steht deshalb für ein rot-rot-grünes Bündnis, weswegen es kein Geheimnis ist, dass er in Olaf Scholz nicht den richtigen Kanzlerkandidaten sieht. Auf die Frage, ob er selbst die Funktion anstrebe, antwortete er grinsend: „Das kann ich aber so was von ausschließen.“

Kühnerts Kritikern ist nicht nur sein Linkskurs ein Dorn im Auge, sondern immer wieder auch der Umstand, dass er weder eine Berufsausbildung noch ein Studium abgeschlossen hat. Wer diese persönlichen Vorwürfe erhebe, treffe alle Menschen, „die auf ganz ähnliche Biografien gucken“, wehrt er sich gestern. Sollte Kühnert tatsächlich in den Bundestag einziehen, stellt sich noch die Frage, inwieweit er seinen linken Prinzipien treu bleiben wird. Die früheren Rebellen Schröder und Nahles legten jedenfalls im Laufe der Zeit eine erstaunliche Wandlung hin.