Kopf des TagesDer Meister der Ironie – Paul McCarthy wird 75

Kopf des Tages / Der Meister der Ironie – Paul McCarthy wird 75
Der Künstler Paul McCarthy im Jahr 2016 Foto: Gian Ehrenzeller/Keystone/dpa

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Paul McCarthy wird 75

Mitten in München kriecht eine Schnecke. Die 4,5 Meter hohe „Sweet Brown Snail“-Skulptur ist eine der berühmtesten öffentlichen Skulpturen des US-Künstlers Paul McCarthy, gemeinsam mit seinem Kollegen Jason Rhoades, und beliebtes Fotomotiv. Die Schnecke „steht in ironischem Gegensatz zum Traum von Geschwindigkeit, verkörpert aber gleichzeitig mit ihrem tragbaren Haus die Sehnsucht nach unbegrenzter Mobilität“, heißt es vom Baureferat der bayerischen Landeshauptstadt. McCarthy, der am kommenden Dienstag 75 Jahre alt wird, ist der künstlerische Meister der Ironie.

Geboren wurde McCarthy 1945 als Sohn eines Mormonen-Paares in Salt Lake City im US-Bundesstat Utah. Sein Vater war Fleischer, seine Mutter Bürgerrechtsaktivistin. McCarthy studierte nach der Schule Kunst in Utah und später in Kalifornien. Danach begann er, in der kalifornischen Stadt Pasadena als Künstler zu arbeiten, blieb aber zunächst erfolglos. Er produzierte Videos und hielt Performances ab, traf aber auf wenig Interesse. Bis in die 90er-Jahre hinein habe er so gut wie nichts verkauft, erzählte er einmal dem britischen Guardian.

Weil kein Geld hereinkam, konnte McCarthy sich keine Farben leisten. „Ich bin dazu übergegangen, alles zu benutzen, was ich finden konnte. Ketchup ist billig.“ Weil der Künstler sich in seinem Werk zu diesem Zeitpunkt ohnehin viel mit Tod, Krankheit und dem menschlichen Körper beschäftigte, wurden Ketchup, Mayonnaise, Senf und Schokolade zu Körperflüssigkeiten. „Ich hatte damals so eine Obsession damit, das Innere des Körpers offenzulegen, die Öffnungen des Körpers und das Innere, die Tabus des Inneren.“

In den 2000er-Jahren gelangen McCarthy dann erste größere Erfolge, vor allem mit monumentalen Skulpturen, immer an der Grenze zwischen Ironie und Provokation: eine Art Weihnachtsmann mit Sexspielzeug in der Hand beispielsweise, den der Künstler 2008 in Rotterdam aufstellte.
Zahlreiche Einzelausstellungen in renommierten Museen weltweit folgten, inzwischen zählen Kunstmarktexperten McCarthy zu den erfolgreichsten Künstlern der Gegenwart. Am besten aber gefällt es McCarthy – der immer wieder mit dem Beatles-Sänger Paul McCartney verwechselt wird, weil ihre Namen so ähnlich klingen – zu Hause in Kalifornien. „Man sieht den Himmel hier einfach anders.“ (dpa)