SerieHistorisches und architektonisches Esch (78): Bahnhof Belval-Université

Serie / Historisches und architektonisches Esch (78): Bahnhof Belval-Université
Bahnhof Belval-Université, eine organische Architektur, die einer riesigen Raupe ähnelt. Architekt: Architektur- und Designstudio Jim Clemes Foto: Christof Weber, 2015

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1910 wurde im Rahmen des Baus der Adolf-Emil-Hütte zwischen den Bahnhöfen Esch und Beles eine Haltestelle angelegt, die später Belval-Usines genannt wurde. Dieser Bahnhof war ausschließlich für den Güterverkehr bestimmt. Allerdings gab es hier eine Haltestelle für die Belegschaft der Fabrik auf der Linie für den Personentransport Esch-Petingen. Im Zusammenhang mit der Umnutzung des Standorts Belval fast ein Jahrhundert später wurde die Haltestelle während des Baus des Bahnhofs (ab 2008) vorübergehend verlegt.

Der Bahnhof spielt eine wesentliche Rolle im Mobilitätskonzept für das neue Viertel Belval-West. Die Bevölkerung wird nach Fertigstellung des Areals auf 20.000 tägliche Nutzer geschätzt. Belval wird somit nach Luxemburg-Stadt und Esch der drittgrößte Bahnhof Luxemburgs sein. Es wird erwartet, dass 40% der Nutzerbewegungen per Zug, Bus, Fahrrad oder zu Fuß erfolgen werden. So stellt der Bahnhof einen der wichtigsten Zugänge und einen Knotenpunkt für die verschiedenen Verkehrsmittel der sanften Mobilität dar. Der Neubau wurde am 28. September 2010 eingeweiht. Die Haltestelle erhielt den Namen „Belval-Université“. Die Universität Luxemburg eröffnete im September 2015 ihren Hauptstandort Belval.

Der Bahnhof liegt strategisch günstig südlich der Terrasse des hauts fourneaux, nur wenige Gehminuten von den universitären Einrichtungen entfernt. Er ist über eine Fußgängerbrücke direkt mit der Rockhal verbunden, die bei großen Konzerten 5.000 Zuschauer fasst, wovon etwa 2.000 mit dem Zug anreisen. Eine zweite Fußgängerbrücke führt zum Park & Ride und zum Einkaufszentrum. Auf der Südseite befindet sich der Busbahnhof. Eine interessante Tatsache ist, dass eine Änderung der französisch-luxemburgischen Grenze notwendig wurde, um das Parkhaus bauen zu können. Im Jahr 2006 wurde ein Abkommen mit Frankreich über den Tausch von 8,75 Hektar Land unterzeichnet, die erste Grenzveränderung im Süden Luxemburgs seit dem 18. Jahrhundert.

Die Herausforderungen an den neuen Bahnhofsbau waren groß. Das Gebäude sollte nicht nur funktional sein, sondern seine Architektur spielt auch eine wichtige identitätsstiftende Rolle für den Stadtteil. Die Gelegenheiten, einen neuen Bahnhof zu bauen, sind außerdem recht selten. Als Auftraggeber war sich die Eisenbahngesellschaft CFL bewusst, dass der Neubau auch für ihr eigenes Image wichtig ist. Daher beauftragte sie einen der renommiertesten Architekten Luxemburgs mit dem Entwurf des Gebäudes. Das Architektur- und Designstudio Jim Clemes knüpft an die Tradition der emblematischen Bahnhöfe des 19. und 20. Jahrhunderts an, indem es ein futuristisch anmutendes Gebäude mit einer dynamischen Form entwarf. Der Bau ist das schönste Eingangsportal zum Standort Belval geworden. Er fasziniert sowohl die täglichen Nutzer als auch die Besucher von nah und fern. Der Bahnhof und seine technische Ausführung sind in der Broschüre, die das Architekturbüro anlässlich der Einweihung herausgegeben hat, gut dokumentiert. 2011 ging der Bau im Wettbewerb Luxembourg Architecture Award in der Kategorie Ingenieurbauten und Strukturen als Sieger des Publikumspreises hervor.

Die von Clemes entwickelte Architektur entstand einerseits aus der Idee der Bewegung und andererseits aus der Vorgabe, die noch in Betrieb befindlichen Bahngleise des Industriegeländes von ArcelorMittal in Belval-Ost überspannen zu müssen. Der Architekt machte sich die Situation zunutze, indem er ein Gebäude schuf, das über den Schienen zu schweben scheint. Im Gegensatz zu den meisten geometrisch geformten Bahnhöfen entwickelte er eine organische Form, die auf einem aufwendigen 3D-Modell basiert. Es ist der einzige Hochbahnhof in Luxemburg.

Mit seiner Betonschale, die auf 16 schrägen Pfeilern ruht, und seinem lichtdurchlässigen Dach sieht der Bahnhof wie eine riesige Raupe oder ein sich bewegender Tausendfüßler aus. Die Passagierplattform ist 120 Meter lang und zwischen 18 und 34 Meter breit. Die unregelmäßige Form des Gebäudes ergibt sich aus der Berechnung des Nutzerflusses und des Raumbedarfs für verschiedene Dienstleistungen. Aufzüge und Rolltreppen verbinden die Bahnsteige mit der Plattform. Die Bahnhofshalle ist ein einladender und lichtdurchfluteter Raum. Große Glasscheiben an beiden Enden des Gebäudes und beidseitig umlaufende Fensterbänder lenken den Blick auf das neue städtische Umfeld und die umgebende Landschaft. In der Bahnhofshalle gibt es einen Mobilitéit.lu-Serviceschalter, sanitäre Einrichtungen und einige kommerzielle Pavillons.

Die Betonschale wurde vor Ort in einer speziell entwickelten Schalung gegossen. Das Dach der Plattform unterstützt die Lichtzufuhr im Gebäudeinneren. Die filigrane Konstruktion aus 33, in elliptischer Form gebogenen Stahlrahmen ist mit luftgefüllten, transluzenten Folienkissen überspannt. Mit drei übereinanderliegenden, unterschiedlich bedruckten Folien werden durch das Auffüllen oder Ablassen der Luft in den Kissen die Verschattung und der Lichteinfall reguliert. Bei Einbruch der Nacht verwandelt sich die Raupe in ein Glühwürmchen und wirkt wie ein Leuchtturm, der von Weitem gesehen wird und einen Orientierungspunkt in der Landschaft bildet.

Die neue Brücke auf der Nordseite von Belval wurde vom selben Architekturbüro entwickelt. Sie ist ein wesentliches Glied der Micheville-Verbindung, der Schnellstraßenverbindung nach Frankreich. Man kann die gestalterische Verwandtschaft mit dem Bahnhof erkennen. Es ist zu bedauern, dass das Parkhaus neben dem Bahnhof nicht einbezogen wurde und nur eine verhältnismäßig banale Konstruktion darstellt.