CCDH„Alle Covid-19-Studien müssen systematisch und unverzüglich offengelegt werden“

CCDH / „Alle Covid-19-Studien müssen systematisch und unverzüglich offengelegt werden“
Präsident Gilbert Pregno (M.), Generalsekretärin Fabienne Rossler (l.) und Jurist Max Mousel sind erstaunt darüber, dass die Regierung die beratende Menschenrechtskommission nicht um ein Gutachten zum neuen Covid-19-Gesetzentwurf gebeten hat Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Die konsultative Menschenrechtskommission fordert in ihrem Gutachten zum neuen Covid-19-Gesetz, dass die Regierung alle ihr zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Verbreitung der Corona-Pandemie in Luxemburg systematisch und unverzüglich offenlegt. Nur so könne die Akzeptanz der Einschränkung von Grundrechten und Freiheiten in der Bevölkerung gewährleistet werden. Dass die Regierung die Menschenrechtskommission gar nicht erst um ein Gutachten gebeten hat, tut ihr Präsident Gilbert Pregno gutwillig als Versäumnis ab.

Die „Commission consultative des Droits de l’Homme“ (CCDH) hat die Aufgabe, die Regierung in wichtigen Menschenrechtsfragen zu beraten. In der Regel wird die Kommission darum gebeten, zu allen in dieser Hinsicht relevanten Gesetzesprojekten eine Stellungnahme abzugeben. Umso überraschter waren die Mitglieder der CCDH, dass sie nicht von der Regierung gefragt wurden, ein Gutachten zum neuen Covid-19-Gesetz abzugeben, das am Donnerstag im Parlament debattiert und votiert werden soll. CCDH-Präsident Gilbert Pregno nahm dies am Dienstag auf einer Pressekonferenz mit einer „großen Dosis Erstaunen“ zur Kenntnis. Sogar das Olympische Komitee COSL sei um eine Stellungnahme gebeten worden. Demnach hätte es nahe gelegen, auch die Menschenrechtskommission zu fragen, umso mehr weil in dem Gesetzentwurf noch immer Einschränkungen der bürgerlichen Grundrechte und Freiheiten geplant sind.

Manche Kommissionsmitglieder hätten dieses Versäumnis der Regierung als Respektlosigkeit empfunden, sagte Pregno. Er selbst gehe eher davon aus, dass es sich um eine Unachtsamkeit oder eine Panne in der Kommunikation der Regierung handle. Deshalb hat die CCDH nun ein Gutachten in Eigeninitiative verfasst.

Die mangelhafte Kommunikation der Regierung war dann auch einer der Hauptkritikpunkte, die die beratende Menschenrechtskommission am Dienstag äußerte. Er würde sich freuen, wenn die Regierung sich insgesamt mit mehr Bedacht und Klarheit ausdrücken würde, sagte Gilbert Pregno. Wegen der steigenden Infektionszahlen in Luxemburg gebe es viele Ursachen, beunruhigt zu sein. Umso wichtiger seien transparente, fundierte und verständliche Botschaften, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Auf diese Weise wüssten die Menschen, woran sie sich halten sollen.

Das Gutachten der CCDH zu den ersten beiden Covid-19-Gesetzen, die am 22. Juni von der Abgeordnetenkammer angenommen wurden, umfasste 30 Seiten und fiel sehr kritisch aus. Das Gutachten zum neuen Gesetzesprojekt ist zwar bedeutend kürzer, doch das Durcheinander, das schon die ersten beiden Gesetze gekennzeichnet habe, bleibe weiterhin bestehen, erklärte Pregno. Verbesserungen seien zwar beim Datenschutz vorgenommen worden, doch viele Problembereiche aus den vorigen Gesetzen seien im neuen Entwurf unverändert übernommen worden. Die meisten Empfehlungen der Menschenrechtskommission habe die Regierung nicht berücksichtigt. So vermisst die CCDH noch immer den Zugang zu den wissenschaftlichen Daten, auf deren Grundlage die Regierung ihre Maßnahmen beschließt. Diese Daten müssten für die Presse und die gesamte Öffentlichkeit transparent offengelegt werden, forderte Pregno.

Freiheitsentzug nur mit Garantien

Ein weiteres Problem sieht die Kommission in der Quarantäne und Isolation von Covid-19-Infizierten und Verdachtsfällen. Diese Maßnahme stelle einen Freiheitsentzug dar, deshalb müsse das Gesetz Garantien vorsehen, um die Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit dieses Freiheitsentzugs zu gewährleisten. Solche Garantien seien auch im neuen Gesetzentwurf nicht zu finden. Gleiches gelte für die viel diskutierte Zwangshospitalisierung („hospitalisation forcée“), die zwar inzwischen in „confinement forcé“ umbenannt wurde. Im Gesetzentwurf seien aber noch immer keine klaren Prozeduren und Einspruchsmöglichkeiten vorgesehen. Ferner sei immer noch nicht definiert, an welchem konkreten Ort ein Patient denn gegen seinen Willen untergebracht werden soll. Die Krisenphase, in der die Regierung schnelle Entscheidungen treffen musste, sei inzwischen vorbei, deshalb könne man verlangen, dass das Gesetz klare juristische Prozeduren beinhaltet, die das Funktionieren des Rechtsstaats garantieren, sagte Pregno. Dies sei aber noch immer nicht der Fall.

Im neuen Covid-19-Gesetzentwurf wird die Einschränkung der Versammlungsfreiheit vom öffentlichen auf den privaten Raum ausgedehnt. Bei Versammlungen mit über 20 Teilnehmern muss ein Sicherheitsabstand eingehalten werden und es gilt Maskenpflicht. Bisher galt diese Einschränkung nur für den öffentlichen Raum, weil der Staatsrat beim ersten Gesetz eine „opposition formelle“ gegen eine Ausweitung auf den privaten Raum eingelegt hatte. In seinem Gutachten zum neuen Gesetz hat der Staatsrat nun seinen Einspruch zurückgezogen. Die hohe Körperschaft begründet diese Entscheidung mit einer Studie der Uni Luxemburg, die die Regierung ihr zugestellt habe. In ihrem Gutachten weist die CCDH darauf hin, dass diese Studie bereits vor der Abstimmung der ersten beiden Covid-19-Gesetzesprojekte veröffentlicht wurde. „Wir fragen uns deshalb, wieso die Regierung diese Studie erst jetzt an den Staatsrat weitergeleitet hat und ob es inzwischen neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die vielleicht noch nicht veröffentlicht wurden“, so Max Mousel, juristischer Berater der CCDH, am Dienstag. Diese Frage sei umso relevanter, weil die Uni Luxemburg in einer neuen, am 2. Juli veröffentlichten Studie betont, dass der Ursprung für den Anstieg der Infektionen in den vergangenen Wochen noch nicht ausgemacht werden konnte. Deshalb wiederholte Mousel die Forderung, dass alle Forschungsergebnisse und wissenschaftlichen Studien zu Covid-19 systematisch und unverzüglich veröffentlicht werden müssten. Nur so seien die im Gesetzentwurf festgelegten Einschränkungen verständlich und für jedermann nachvollziehbar.

Widerspruch auflösen

Grundsätzlich spreche die CCDH sich nicht gegen eine Einschränkung des Rechts auf Privatsphäre aus. Die europäische Menschenrechtskonvention sehe vor, dass das Recht auf Gesundheit überwiegt. Allerdings müsse der Eingriff in die Privatsphäre verhältnismäßig und notwendig sein. Positiv im neuen Gesetzentwurf sei, dass kein generelles Versammlungsverbot für mehr als 20 Personen geplant sei. Ferner seien für bestimmte Personengruppen Ausnahmen vorgesehen. Nicht zuletzt seien die Strafen gering und würden nicht ins Strafregister eingetragen. Probleme sieht die CCDH jedoch bei der Kontrolle zur Einhaltung der Maßnahmen im privaten Raum. Die Polizei sei nicht befugt, ohne Erlaubnis der Betroffenen Kontrollen in privaten Haushalten durchzuführen, unterstrich Mousel.

Nicht nachvollziehen kann die Menschenrechtskommission, wieso die Maßnahmen in bestimmten Bereichen wie Handel, Tourismus, Sport oder Kultur gelockert bzw. aufgehoben wurden, während sie im privaten Bereich nun wieder verschärft werden. Auch dieser Widerspruch müsse von der Regierung besser erklärt werden, verlangte der Jurist. Nur so könne sichergestellt werden, dass der Ansatz der Regierung von der Bevölkerung als kohärent nachvollzogen wird.

Nicht zuletzt stellt die CCDH die Frage, wieso das neue Gesetz für eine Dauer von zwei Monaten gelten soll, während die ersten beiden Gesetze nur einen Monat gültig waren. Wenn die Dauer lediglich wegen der Sommerferien verlängert werde, sei dies bedenklich. In zwei Monaten könne viel passieren, zudem bestehe die Gefahr, dass die Menschen sich an die Einschränkungen ihrer Freiheiten gewöhnen, die in Zeiten der Angst und Unsicherheit generell auf größere Akzeptanz stoßen würden.

Der neue Covid-19-Gesetzentwurf ist eine Fusion der ersten beiden Gesetze, die seit dem 24. Juni den Ausstieg aus dem „état de crise“ regeln. Am Donnerstag soll es vom Parlament verabschiedet werden und bis zum 30. September in Kraft bleiben. Laut Kammerreglement beginnt die neue Sitzungsperiode des Parlaments erst am zweiten Dienstag im Oktober. In diesem Jahr wäre das der 13. Oktober. Damit die Einschränkungen auch nach dem 30. September in Kraft bleiben können, muss das Parlament bis dahin notgedrungen ein neues Gesetz verabschieden. Angesichts der langen legislativen Prozeduren ist dafür eine gewisse Vorlaufzeit notwendig. Für die Abgeordneten und die Regierung könnte es in diesem Jahr eine kurze Sommerpause werden.

Buff
16. Juli 2020 - 11.39

@Nomi/ Gin Iech vollkommen recht. Déi ganz Art a Weis wéi a wât e schwëtzt. O my God! B-urp...

TNT
15. Juli 2020 - 13.38

@ Jerry Scholer. Ihre Kommentare sind unbesiegbar! Sarkasmus, Ironie Aus!

zyniker
15. Juli 2020 - 12.46

@J.Scholer Ein Toter in 6 Wochen.... Glauben Sie etwa dass dies die Einschränkungen rechtfertigt. Ich glaube es nicht. In dieser Zeit sind über 800 Meschen gestorben und niemand verliert auch nur ein Wort darüber. Wir müssen diese Krankheit akzeptieren. Sie wird bei uns bleiben sowie die Grippe und die meisten anderen Viren. Sie tötet nicht sehr viel auch wenn man nicht gegen sie vorgeht (siehe Schweden) . Und ja die Menschenrechtskommission hat Recht. Alles auf den Tisch, dann können wir darüber befinden. 50 Neuinfektionen und 0 Tote, 20 Meschen um Krankenhaus 3 schwierige Fälle genügt einfach nicht um sich ein Bild zu verschaffen. Ich wette dass die Regierung sich hüten wird alles offenzulegen. Sie fürchten Wiederspüche und das was daraus entstehen kann und wird. Sehr lange können sie es sowieso nicht heraus zögern

Nomi
15. Juli 2020 - 12.42

Wann ech den Haer mat den weissen-gekrauselten Hoor hei'eren schwaetzen krei'en ech emmer Mookraemp ! Et gin vill aaner Laenner wo'u heen seng Kritik kennt unbrengen, mee do gett et net so'u vill Geld fir dei' Positio'un wei' hei zu Letzeburg !

J.Scholer
15. Juli 2020 - 11.00

Das Geplänkel über die Menschenrechte in Covid Zeiten , unnütze Zeitverschwendung. Eine Pandemie, Seuche erfordert ein uneingeschränktes Handeln seitens der Verantwortlichen und zwecks Eindämmung ungewöhnliche Maßnahmen. Freiheit kann nicht grenzenlos sein, zumal der Tod an die Türe klopft. Allerdings gibt es wirkliche Menschenrechtsverletzungen in der Welt, ob der Türkei,.....anderen Ländern , auch da wird nur geplänkelt, aber den massiven Hebel von Sanktionen ansetzen wiederum leere Worte. Wer in Luxemburg glaubt , hierzulande würden elementare Menschenrechte verletzt, der verkennt das reale Geschehen auf der Welt.