AustralienKardinal Pell: Im Gefängnis bespuckt

Australien / Kardinal Pell: Im Gefängnis bespuckt
Pell sagte, er habe während der rund 400 Tage hinter Gittern selbst Verachtung vonseiten von Mördern erhalten Foto: AFP/William West

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Im April sprach das höchste Gericht Australiens Kardinal George Pell vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs frei. Jetzt gab der Geistliche in einem Interview Details über seine Zeit im Gefängnis preis: Mithäftlinge hätten ihn beschimpft und bespuckt.

13 Monate hatte der Kurienkardinal George Pell hinter Gittern verbracht, als das australische Berufungsgericht Anfang April seine sechsjährige Haftstrafe wieder aufhob. Zwischenzeitlich hatte Pell schon jede Hoffnung verloren, wie der frühere Finanzchef des Vatikans, der einst die Nummer drei hinter dem Papst war, nun der australischen Tageszeitung The Australian berichtete.

In dem Interview sprach der Geistliche darüber, wie er den Kampf um seinen guten Namen in seinen dunkelsten Stunden bereits aufgeben wollte. Pell war im Dezember 2018 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden, hatte selbst aber stets seine Unschuld beteuert.

Selbst Mörder verachteten ihn

Während seiner Zeit im Gefängnis wurde der 78-Jährige wegen seiner angeblichen Taten von anderen Mithäftlingen angespuckt und beschimpft. Pell sagte, er habe während der rund 400 Tage hinter Gittern selbst Verachtung vonseiten von Mördern erhalten. „Wir alle sind versucht, diejenigen zu verachten, die wir als schlimmer als uns selbst definieren“, sagte er der australischen Tageszeitung. „Sogar Mörder teilen die Verachtung gegenüber denjenigen, die Kinder verletzen.“

Pell sagte, es sei zwar unangenehm gewesen, wie er behandelt wurde, doch es habe gleichzeitig auch seinen Glauben an die Menschen und an Recht und Unrecht bestärkt. „So ironisch diese Verachtung auch sein mag, sie ist nicht nur schlecht, da sie den Glauben an die Existenz von richtig und falsch, gut und böse zum Ausdruck bringt“, sagte er.

Gefängnischef ermutigte ihn

Nachdem Strafgefangene, die wegen Kindesmissbrauchs einsitzen, im Gefängnis häufig angegriffen werden, sind sie zu ihrem eigenen Schutz von den anderen Insassen getrennt. Auch Pell war den anderen Mithäftlingen nicht direkt ausgesetzt, doch diese fanden trotzdem Wege, ihm ihre Meinung zu sagen. So bespuckte ihn ein Häftling einmal während des Sports im Freien vom zweiten Trainingsbereich aus. Außerdem wurde er von anderen Strafgefangenen beschimpft.

Eine besonders schwere Zeit erlebte der Kardinal, nachdem sein Antrag auf Berufung im August 2019 abgelehnt worden war. Damals habe er gedacht, dass er nie wieder ein „freier Mann“ sein werde, sagte Pell. Der Chef des Gefängnisses in Melbourne habe ihn dann aber ermutigt durchzuhalten. Dieser sei ein „größerer“ Mann als er und ein „Straight Shooter“, meinte der Kardinal. „Ich wurde ermutigt und dafür bin ich ihm auch weiterhin dankbar.“

Umstrittenes Urteil

Laut der Catholic News Agency (CNA) will der Kardinal auch das Tagebuch, das er während des Gefängnisaufenthalts geschrieben hat, veröffentlichen. Kardinal George Pell war am 7. April dieses Jahres vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs freigesprochen worden. Das Urteil hob ein früheres aus dem Jahr 2018 auf. Damals war der Geistliche zunächst in fünf Anklagepunkten für schuldig befunden und später zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Rund 400 Tage davon saß er tatsächlich im Gefängnis.

Pell wurde vorgeworfen, er habe zwischen Dezember 1996 und Anfang 1997 zwei 13-jährige Chorknaben in der St. Patrick’s Kathedrale in Melbourne sexuell missbraucht. Die Anwälte Pells argumentierten jedoch, dass es nach dem Gottesdienst unmöglich gewesen sei, dass er mehrere Minuten mit zwei Chorknaben alleine in der Sakristei verbringen hätte können. Ein weiteres Argument lautete, dass sich die Jury zu stark auf „unbestätigte Beweise“ des einzigen überlebenden Opfers gestützt habe. Das zweite Opfer war 2014 an einer Überdosis Heroin gestorben und hatte sich niemals zu dem Missbrauch geäußert.

Der Fall hatte nicht nur wegen der hohen Stellung Pells in der katholischen Kirche weltweites Aufsehen erregt, sondern auch, da Pell 1996 noch das erste führende Mitglied der Kirche gewesen war, das Vorwürfe von Kindesmissbrauch gegen katholische Priester untersucht hatte. Als Erzbischof von Melbourne installierte er die sogenannte „Melbourne Response“. 2014 sagte er selbst vor einer von der australischen Regierung eingesetzten Kommission aus und entschuldigte sich öffentlich bei einem früheren Ministranten, der in den 1970er Jahren von einem Priester missbraucht worden war.