EU-BudgetLuxemburgs EU-Parlamentarier bereit für Konfrontationskurs mit Rat

EU-Budget / Luxemburgs EU-Parlamentarier bereit für Konfrontationskurs mit Rat
EU-Ratspräsident Charles Michel hat am vergangenen Freitag einen neuen Verhandlungsvorschlag zum mehrjährigen EU-Budget vorgelegt Foto: AFP/Pool/Yves Herman

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Die luxemburgischen Abgeordneten im Europäischen Parlament sind nicht sonderlich optimistisch, was eine eventuelle Einigung beim Ende der Woche anstehenden EU-Gipfeltreffen über den mehrjährigen EU-Haushalt sowie den Wiederaufbauplan anbelangt. Doch sie sind bereit für eine Konfrontation mit den EU-Mitgliedstaaten, sollte das Ergebnis der Verhandlungen nicht ihren Erwartungen entsprechen.

Mit ihrem Gipfeltreffen ab kommendem Freitag – dem ersten, bei dem sie sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie wieder alle 27 in Brüssel treffen – werden die EU-Staats- und Regierungschefs die heiße Phase der Verhandlungen über den mehrjährigen EU-Haushalt sowie einen wirtschaftlichen Wiederaufbauplan einläuten. Am vergangenen Freitag noch hatte EU-Ratspräsident Charles Michel einen neuen Vorschlag für den Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 vorgelegt, der unter anderem ein um 26 Milliarden Euro geringeres Budgetvolumen vorsieht (ursprünglich waren 1.100 Milliarden Euro für die kommenden sieben Jahre eingeplant), jedoch weiterhin 750 Milliarden Euro für den Wiederaufbau veranschlagt, die von der EU-Kommission über Eigenmittel finanziert werden sollen.

Dem Ergebnis der Diskussionen zwischen den 27 müssen letzten Endes noch die EU-Parlamentarier zustimmen. Und die scheinen zur Durchsetzung ihrer Forderung zu mehr entschlossen zu sein als noch vor sieben Jahren. Behaupten zumindest die luxemburgischen EP-Abgeordneten. Doch sie werden sich vorerst noch nicht mit den Budgetplänen befassen müssen, meint zumindest der S&D-Abgeordnete Marc Angel. „Die Staats- und Regierungschefs brauchen eine zweite Runde“, sagt er voraus, diese Woche werde es noch keine Einigung geben. In der Tat liegen die Positionen noch weit auseinander, auch wenn in den vergangenen Tagen vereinzelte Annäherungen signalisiert wurden. So hatte Charles Michel unter anderem noch vorgeschlagen, die Rabatte für Dänemark, Deutschland, die Niederlande, Österreich und Schweden auf ihren Beiträgen zum EU-Budget beizubehalten. Sehr zum Ärger des liberalen „Renew“-Politikers Charles Goerens, der diese Rabatte „lächerlich“ findet. Er hoffe, dass die sogenannten „geizigen Vier“ (die vorher genannten ohne Deutschland) noch auf ihre Rabatte verzichten. „Wir brauchen mehr Geld“, meint Charles Goerens und hat mit dieser Forderung die Zustimmung der fünf anderen luxemburgischen EP-Abgeordneten.

Doch neben der Forderung nach einem größeren Budget stellen die EU-Parlamentarier weitere Bedingungen. Der Wiederaufbauplan, der an den mehrjährigen Haushalt gekoppelt wird, müsse den Zielen des von der EU-Kommission als größte Priorität ausgelobten „Green Deal“ sowie dem Kampf gegen den Klimawandel dienen, verlangt die Grünen-Abgeordnete Tilly Metz.

Unnachgiebig wollen die EP-Abgeordneten in der Frage der Rechtsstaatlichkeit sein, das heißt, dass Mitgliedstaaten künftig keine EU-Gelder mehr erhalten sollen, wenn sie gegen die Grundwerte und -prinzipien der Union verstoßen. Die Streichung von Geldern aus Brüssel für EU-Staaten, die die Rechtsstaatlichkeit missachten, würde mit qualifizierter Mehrheit entschieden, schlägt der EU-Ratspräsident in seinem neuen Vorschlag vor. Gegen eine solche Regelung hat sich insbesondere der ungarische Regierungschef Viktor Orban in Stellung gebracht und mit einem Veto gegen den mehrjährigen Haushalt und den Wiederaufbauplan gedroht, sollte es zu einer Verknüpfung zwischen Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der Auszahlung von EU-Geldern kommen. Nicht nur in Ungarn, sondern auch in Polen versuchen die Regierungen, sich die Justiz hörig zu machen, und gängeln unabhängige Medien, sofern es solche in diesen Ländern noch gibt.

Mehr Eigenmittel für den EU-Haushalt

„Sehr, sehr wichtig“ seien auch mehr Eigenmittel für den EU-Haushalt, sagt Isabel Wiseler, eine Forderung, die ebenfalls von den anderen luxemburgischen EP-Abgeordneten getragen wird. Die EU sollte weniger abhängig von den Beiträgen aus den Mitgliedstaaten werden und dadurch mehr budgetäre Autonomie erlangen. Jüngst hat sich der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz für die Einführung von CO2-Zöllen auf Waren aus Drittstaaten, die auch in der EU produziert werden könnten, ausgesprochen. Andere Einnahmequellen wären eine Digital- und/oder eine Plastiksteuer.

Sind die EU-Parlamentarier jedoch bereit, den Streit mit dem Rat zu wagen, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden. „Es ist schon realistisch, bei einer Minimal-Lösung auf Konfrontationskurs zu gehen“, meint etwa Marc Angel. „Wir haben schon viel Wasser in unseren Wein geschüttet“, findet der S&D-Politiker und meint, dass das EP sich wehren sollte. Dass die Rechtsstaatlichkeit eingehalten werden muss, um EU-Gelder zu erhalten, sei für seine Fraktion „nicht verhandelbar“, sagt auch der EVP-Abgeordnete Christophe Hansen, der diesen Punkt als „rote Linie“ bezeichnet. Dem schließt sich ebenfalls die Grünen-Politikerin Tilly Metz an.

Charles Goerens hingegen befürchtet etwas anderes. Der Rat der EU-Staaten sei derzeit das schwächste Glied im EU-Institutionengeflecht, so der Liberale, der nicht ausschließt, dass das bestehende Budget über sein Verfallsdatum hinaus weitergeführt werden muss. „Wir werden am Ende des Jahres in eine existenzielle Krise fallen, wenn wir keine Einigung finden“, warnt Charles Goerens.