WahlenPräsident der Alten vom Dorf: Knapper Sieg für Duda, Kaczynski kann Polen weiter umbauen

Wahlen / Präsident der Alten vom Dorf: Knapper Sieg für Duda, Kaczynski kann Polen weiter umbauen
Polens konservativer Präsident Andrzej Duda wurde wiedergewählt Foto: AFP/Janek Skarzynski

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Knapper Wahlsieg für Polens nationalkonservativen Präsidenten Andrzej Duda: Der 48-jährige Amtsinhaber setzte sich bei der Stichwahl am Sonntag mit einem Vorsprung von 2,4 Prozentpunkten gegen seinen pro-europäischen Herausforderer Rafal Trzaskowski durch. Das befeuert Sorgen um die Rechtsstaatlichkeit. Duda holte seine Stimmen vor allem im verarmten Osten des Landes.

Noch gibt es mehr Polen-Fähnchen als willige Bürger vor dem Schloss in Pultusk. In der Provinz draußen, rund 60 Kilometer nördlich von Warschau, will Andrzej Duda seinen Wahlsieg feiern. Doch die Freude wirkt eher gut orchestriert als von Herzen. „Noch freue ich mich nur am Exitpoll-Sieg, aber das letzte Mal sind die Zahlen auch noch gewachsen“, sagt Duda und die Menge klatscht. Nun werden die Fähnchen geschwenkt und die Vornamen von all denen gerufen, denen Duda für die Wahlkampfhilfe dankt. Am unbeliebtesten ist klar hörbar Jaroslaw Kaczynski, der große Abwesende des Abends in Pultusk.

Nur 0,8 Prozent beträgt der Vorsprung des Regierungskandidaten gemäß Exitpoll. Da will der Parteichef von „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) lieber auf Nummer sicher gehen und sich zum Gebet im Nationalheiligtum Jasna Gora zurückziehen. Duda hingegen präsentiert sich in Pultusk vor ein paar Hundert Anhängern als Familienmensch und stellt Ehefrau und Tochter in den Vordergrund, nicht Kaczynskis Partei, der er alles verdankt.

Seine ganz in Weiß gekleidete Tochter Kinga wird auf die Bühne vorgeschoben, um nach der brutalen Wahlkampagne ihres Vaters gegen LGBT davon zu sprechen, wie sehr sie sich wünscht, „dass niemand in Polen Angst haben muss, auf die Straße zu gehen, egal wen er liebt und was er denkt“. Die Toleranzbotschaft, die man von PiS nie hören würde, geht der in London wohnhaften jungen Juristin leicht von den Lippen. „Kinga, Kinga, Kinga!“, schreit das Publikum.

Das Land einen mit „Heldentum und Stolz“

Duda sagt an dem Abend, er wolle das Land nun wiedervereinen, und nennt folgende Werte, die dies ermöglichen würden: „unsere Familie, unsere polnische Gemeinschaft, unsere Kultur und Tradition, unsere Geschichte, Heldentum und Stolz“. Dudas Aufzählung macht klar, in welchem Weltbild der erst 48-jährige Amtsinhaber gefangen ist. So fehlten etwa Toleranz, Europa und Menschenrechte. Eine Stunde und ein paar Bergler-Volkslieder später ist der Spuk von Pultusk vorbei. Dudas Wahlstab zieht sich nach Warschau zurück, um zitternd der ersten gesicherten Resultate zu harren.

„Ich mag ihn, aber ich wünsche mir, dass sich der Präsident endlich auch um die Jugend kümmert“, sagt die 62-jährige Magda, die erst vor Jahresfrist nach zehn Jahren in New York wieder nach Polen zurückgekehrt ist. „Die Jungen sind unsere Zukunft, auch sollen sie nicht mehr emigrieren müssen, doch dazu muss es Polen so gut gehen wie dem Westen“, fügt die Duda-Anhängerin vor dem Schloss an.

Erst am gestrigen Morgen hat Kaczynskis PiS den Wahlsieg in der Tasche. Nach Aufzählung von 99,9 Prozent der Wahlbezirke kommt Duda auf 51,2 Prozent der Stimmen. Der liberale Oppositionskandidat Rafal Traskowski hat mit 48,8 Prozent so knapp verloren wie niemand in einer Stichwahl seit 1990. Die Wahlbeteiligung ist mit 68 Prozent für Polen sehr hoch.

Eine genauere Analyse der Wahlergebnisse zeigt, dass Duda nur noch in sechs von 16 Wojwodschaften gewinnen konnte. Sie alle liegen im verarmten Ostpolen. Besorgniserregend ist allerdings die Altersstruktur seiner Wähler. Unter den 18- bis 29-Jährigen hat Trzaskowski 28 Prozent mehr Stimmen bekommen als Duda. Duda siegte nur bei den über 50-jährigen Polen – und nur noch im Dorf. Den Liberalen ist es diesmal gelungen, auch in den 850 Kleinstädten zu siegen, die in der ersten Runde noch für Duda gestimmt hatten.

War in Trzaskowskis liberaler Bürgerkoalition (KO) noch in der Wahlnacht von einer Klage gegen das Wahlresultat wegen organisatorischen Problemen bei der Stimmabgabe im Ausland die Rede, so ist der Rückstand am Montag mit 2,4 Prozent so klar, dass auch die rund 500.000 stimmberechtigten Auslandpolen an der Niederlage nichts ändern könnten. Gegen Mittag gratuliert Trzaskowski Duda auf Twitter. „Ich gratuliere Andrzej Duda; aber ich hoffe, dass diese Amtsperiode wirklich anders wird“, giftet Trzaskowski.

Duda selbst hatte kurz vor den Wahlen in Interviews mit der PiS-freundlichen Presse angedeutet, dass er in den nächsten fünf Jahren ein anderer Präsident sein möchte. Er ist nun nicht mehr auf Kaczynski und PiS angewiesen, ein drittes Mal kann er nicht Staatspräsident werden. Allerdings deutet nichts darauf hin, dass Duda von seinem weltanschaulich wertekonservativen Kurs abweichen wird. Auch scheinen ihm Handschläge mit Donald Trump weit mehr zu bedeuten als ihm die EU und europäische Werte wichtig wären. Es könnte indes sein, dass Duda nicht mehr jedes PiS-Gesetz sofort unterschreibt, sondern tatsächlich versucht, dabei an alle Polen und nicht nur die PiS-Wähler zu denken. Bisher indes hat sich Duda nicht als Brückenbauer hervorgetan.