AnalyseMeisch setzt beim Infektionsrisiko von Jugendlichen alles auf eine Karte

Analyse / Meisch setzt beim Infektionsrisiko von Jugendlichen alles auf eine Karte
In Luxemburgs Klassenzimmern gibt es keine Maskenpflicht. Immer mehr Lehrer bestehen dennoch auf den Atemschutz und viele Schüler behalten ihn freiwillig an. Bildungsminister Claude Meisch nutzt dieses Vorgehen für seine Argumentation, die ein geringes Ansteckungsrisiko in den Schulen verteidigt.  Foto: dpa/Boris Roessler

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Bildungsminister Claude Meisch wirft Kinder und Jugendliche, trotz altersbedingten unterschiedlichen Infektionsrisikos, in die gleiche Schublade. Sein Argument: Die Schulen seien immer noch sehr gut organisiert. Wer sich richtig benehme, könne sich dort kaum anstecken. Eine Analyse. 

Die Regeln, die seit der Aufhebung des Splittings gelten, sind in Grund- und Sekundarschulen die gleichen. Sie sind das Resultat einer Zusammenarbeit zwischen dem Bildungs- und dem Gesundheitsministerium. Ersteres vertritt die Meinung, dass Kinder weniger ansteckend sind als Erwachsene, das Virus weniger verbreiten und bei einer Infektion nur selten einen schweren Krankheitsverlauf durchmachen.

Doch wie definiert man das Wort Kinder? Schüler an Lyzeen können kaum als Kinder durchgehen. Zumindest nicht jene, die älter als 13 sind. Der Direktor der Luxemburger „Santé“ sagte auf einer Pressekonferenz, dass die Rezeptoren von Jugendlichen ab dem Alter von 14 Jahren genauso empfänglich für das Coronavirus seien als jene von Erwachsenen.

Die Regeln in den Grund- und Sekundarschulen sind also die gleichen. Doch das Virus verhält sich bei den über-13-Jährigen – also bei den meisten Sekundarschülern – anders als bei den Grundschülern. Auf diese Krux am vergangenen Freitag auf der Pressekonferenz angesprochen, sagte Bildungsminister Claude Meisch, dass man auf diese Thematik einen breiten Blick werfen müsse. Meisch spaltet die Ansteckungsgefahr in zwei Bereiche ein: „Es ist einerseits eine Frage von Biologie, andererseits aber auch von sozialen Verhalten.“

Der Minister spricht vom Reproduktionsfaktor. Wenn dieser eins ist, dann bedeute dies nicht zwingend, dass ein Infizierter einen anderen Menschen anstecke. Das sei nur ein Durchschnitt. Es bedeute eher, dass beispielsweise von zehn Infizierten acht niemanden anstecken und die anderen zwei jeweils fünf Menschen infizieren.

Eine Frage des Benehmens

Meisch ist einverstanden mit der Tatsache, dass 14-Jährige und ältere sich einfacher infizieren können, doch für ihn überwiegt das Argument, dass das Infektionsrisiko „auch ganz stark eine Frage des Benehmens“ sei. Dies stehe sowohl in Luxemburg als auch woanders im Fokus der Diskussion. In der Schule werde demnach viel Wert auf das Benehmen gelegt, auch wenn Jugendliche aufgrund ihres Alters bestimmte Dispositionen haben. Im gleichen Zuge gibt der Minister zu, dass durch die Aufhebung des Splittings die Klassen größer seien und dass dadurch die anfänglich geforderte Distanz von zwei Metern „nicht immer einzuhalten sind“.

Dennoch seien die Schulen „immer noch sehr gut organisiert“. Meisch nennt die Maskenpflicht auf dem Schulgelände, das regelmäßige Händewaschen und die Wege der Schüler, die sich in den Gebäuden nicht kreuzen würden. „Wir wissen heute, dass sehr viele Schüler die Maske anbehalten oder Lehrer, die beschlossen haben, dass dies so sein sollte.“ Damit argumentiert der Minister gegen seine eigenen Regelungen. Mit dieser Aussage zeigt er, dass eine Maskenpflicht im Klassenzimmer eigentlich sinnvoll wäre, insbesondere in den Sekundarschulen. Nur durchsetzen konnte oder wollte er diese nicht.

Auf die ursprüngliche Frage, wie der Bildungsminister die Gefahren für Jugendliche in den Schulen einschätzt, sagte Meisch als Fazit: „Ich will aber gerne zugeben, dass dies etwas ist, das wir weiterverfolgen sollten.“ Und weiter: „Ich glaube, dass wir jetzt die Chance haben, aufgrund der Erfahrungen, die wir jetzt gesammelt haben und der Infektionen, die wir festgestellt haben, nun auch analysieren können, von wo sie kommen.“ Damit meint Meisch die am Freitag angekündigte und von ihm in Auftrag gegebene wissenschaftliche Auswertung der Infektionsdaten in den Schulen durch die Taskforce „Research Luxembourg“. Erste Resultate sollen Mitte August verfügbar sein. Auf diesen Daten beruht auch die Organisation der „Rentrée“ im September.

Das Problem an einer solchen Analyse bleibt jedoch die Tatsache, dass die Wissenschaftler, die diese machen, nur auf die Daten zurückgreifen können, die bislang erhoben wurden. Und diese Daten bestehen fast ausschließlich aus Tracing-Angaben. Das sind jene Aussagen, die Eltern, Schüler und Lehrer der “Santé” mitgeteilt haben, um nachzukonstruieren, wo und mit wem sie in Kontakt waren 48 Stunden vor dem positiven Testergebnis bzw. den ersten Symptomen. Dass diese Erinnerungen oft subjektiv, lückenhaft oder gar falsch sein können, werden auch die Wissenschaftler nicht ausbügeln können. Ob die Auswertung dieser Analyse so zuverlässig ist, dass dies als Beweis für etwas gelten soll oder, dass daraus die neue Rentrée geplant werden kann, sollte ernsthaft angezweifelt werden.

Meischs Gefühl

Meisch erwartet sich dennoch viel von dieser Auswertung und sagt: „Wenn sich herausstellt, dass es Infektionen in der Schule gab, dann müssen wir darauf reagieren. Ich habe mehr als das Gefühl, dass die positiven Fälle nicht in der Schule auftreten. Das ist zurzeit mein Kenntnisstand.“ Wenn das so ist, dann könne man nicht auf Bildung verzichten oder auf halbe Klassen zurückgehen.

Nicht nur bei der Auswertung der Infektionszahlen durch die Taskforce, sondern auch bei der Kommunikation in den Lyzeen gibt es Probleme. Manche Direktionen kommunizieren gar nicht über Infektionszahlen oder Klassen in Quarantäne mit den Lehrern. Andere teilen Informationen mit, bestehen aber auf Diskretion. Vom Bildungsministerium gibt es keine Vorgaben darüber, wie die Kommunikation in den Sekundarschulen zu funktionieren habe, sagt Meisch. „Quarantänen auszusprechen und positive Fälle mitzuteilen und was die Folgen davon sind, ist nicht unsere Kompetenz“, so Meisch. Dies sei jene der „Santé“.

Auch die Agenten der Gesundheitsinstanzen dürften nicht regeln, wer wann was zu wem sagen dürfe, sagt Meisch. „Wir haben eine gute Zusammenarbeit, aber es darf nicht zu einer Vermischung der Aufgaben kommen.“ Meisch gibt ein Beispiel: „Es kann nicht sein, dass ein Lehrer gezwungen wird, die Eltern anzurufen, wenn die Kinder in Quarantäne gesetzt werden.“ Das sei die Aufgabe der „Inspection sanitaire“. „Wir haben nicht die Kompetenz, das richtig zu erklären.“

Bildungs- und Gesundheitsministerium wollen nun eine gemeinsame Linie in Bezug auf die Kommunikation festlegen. Meisch sagt, dass es Fälle gab, wo die Leute „um Terrain“ Informationen über Infektionsfälle hatten und diese dann in sämtliche Richtungen bekannt gaben, bevor die Direktion der Schule Bescheid wusste. „Das ist nicht glücklich“, sagt Meisch. „Es wäre besser, wenn wir da geordnetere Informationen über die Strukturen des Bildungsministeriums bekommen könnten, dann könnten wir auch klarer ‚um Terrain’ kommunizieren.“ So entstehe auch weniger Panik in solchen Situationen.

Nomi
15. Juli 2020 - 12.47

@ Pascal H : Am Regierungsroot ass et so'u : Ech treppelen net ob deng Plattbande, an du och net ob meng. Also mecht all Minister watt heen wellt, an di aaner nicken oof. Wann do d'Paulette net d'Brems anferft, kennt den Meisch emmer durch !

Louis Mevis
14. Juli 2020 - 15.56

Warum immer dieses herumhacken auf Meisch? Es ist inzwischen klar, dass die meisten Infektionen auf unverantwortliches Verhalten von einer Minderheit von Erwachsenen und Jugendlichen in der Freizeit zurückzuführen sind. Schulen sowie Betriebe bilden wegen der dort mehrheitlich respektierte Disziplin das kleinste Risiko.

Pascal H
14. Juli 2020 - 14.20

Alles auf Meisch oder wie? Die Entscheidung zu den Öffnungen sind im Regierungsrat gefallen, werden also von der ganzen Regierung getragen. Eines ist klar: Die ganze Gesellschaft muss dafür sorgen das die Infektionszahlen gering bleiben, nur dann können Schulen sicher funktionieren. Bistrots auf, Schulen zu, das geht wirklich nicht.

Romain K
14. Juli 2020 - 9.35

Et ,mengt een wierklech den Haer Meisch well die eigentlich gutt Arbecht vun eiser Regierung torpedeieren an se schlecht ausgesin loossen.Et mengt een baal datt hien wellt datt CSV erem erstaerkt...an wann sou eng Ministeren wei Die Haren Bausch an Meisch sou weiderfueren dann geschitt daat och........

jung luc
13. Juli 2020 - 21.37

Meisch ist schlimmer als alles von der CSV. Politische Verantwortung für Schulen und Lyzeen gebietet Rücktritt oder Rauswurf aus der Regierung die eine ordentliche Arbeit leistet.

Grober J-P.
13. Juli 2020 - 21.11

Der neue Virologe hat gesprochen, basta.

Jemp
13. Juli 2020 - 20.45

Ich sag es schon seit 6 Jahren: Meisch und Bausch werden es schaffen uns wieder in CSV-Paralysezeiten zurück zu katapultieren.

Charel Hild
13. Juli 2020 - 20.02

A propos R Faktor. Et ass am Resulat genau dat selwecht, op der 10 jeweils een ustiechen oder op der 2 jeweils fënnef. Um Schluss sinn zeng nei Fäll. Wat soll also dat verwurrelt Raisonnement? Kuckt d'Resultat. Alles wat mer errécht haten ass scho quasi futti. Awer mir fuere stur op dem falsche Gleis weider. Den R Faktor ass och méi grouss ewei eent an dohir hu mer exponentielle Wuestum vum Virus.