SerieHistorisches und architektonisches Esch (74): Das Projekt „Al Esch“

Serie / Historisches und architektonisches Esch (74): Das Projekt „Al Esch“
Der zentrale Boltgen-Platz mit den Gebäuden der SGT-Reding (Arch.: Paczowski-Fritsch) auf der rechten Seite und den Gebäuden des „Fonds du logement“ (Bogen: Welter-Kuhlmann) auf der linken Seite, an den Platz angrenzend das Kunstwerk der Architekten Flammang-Linster, eine Art Längstränke, genannt „Wëlle Mann“ Foto: Christof Weber, 2015

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Der Katasterplan von 1842 zeigt das Dorf Esch in einer ovalen, von den ehemaligen Befestigungsanlagen geprägten Form, die auch in den aktuellen Plänen noch deutlich erkennbar ist. Unter dem Druck des raschen Wachstums der Stadt (6.000 Einwohner im Jahr 1880, 11.000 Einwohner 1900) und als Folge des Anschlusses an das Schienennetz mit dem Bau des Bahnhofs wurde Esch zu einem wichtigen Anziehungspunkt. Südlich des historischen Zentrums entstand ein neuer Stadtteil. In einer späteren Phase entwickelte sich die Stadt entlang der neu geschaffenen Achse der rue de l’Alzette (um 1910), nachdem das Flussbett zugedeckt worden war. Der alte Ortskern mit seinen vielsagenden Straßennamen wie rue du Commerce, rue des Artisans, Grand-rue … verlor gegenüber der neuen Geschäftsstraße rue de l’Alzette an Attraktivität. Damit begann der Niedergang von Al Esch, das zu einem komplett sanierungsbedürftigen Viertel wurde.

Ab den 1960er Jahren begann die Stadt, dieser negativen Entwicklung gegenzusteuern, und versuchte das Viertel wiederaufzuwerten. Die Projekte für die Sanierung des durch das Rathaus, die Grand-rue, die avenue de la Gare, die rue Boltgen usw. begrenzten Viertels wurden immer zahlreicher: von einem Projekt, das 1963 von einer Gruppe von Architekten aus Esch vorgelegt wurde, bis zum Ideenwettbewerb 1978, der den Abriss des Viertels und den Bau eines großen Einkaufszentrums sowie von Hochhäusern umfasste (Tetra-Projekt 1981). Auf Anregung von Lucien Steil, einem jungen Escher Architekten, wurde eine neue Debatte in Gang gesetzt. In der Brüsseler Zeitschrift Archives d’architecture moderne stellte er sein Projekt „La reconstruction d’un quartier à Esch-sur-Alzette“ vor, das auf der Idee der traditionellen Stadt mit ihren Vierteln, Straßen, Plätzen und Gärten und auf einer Mischnutzung basierte. 1984 führten diese Überlegungen schließlich zur Abstimmung über einen Rahmenplan, der den alten Straßenverlauf weitgehend respektierte und einen Teil des historischen Erbes bewahrte.

Da die Stadt im Verlauf der Jahrzehnte zu einem bedeutenden Grundbesitzer in diesem Viertel avanciert war, konnten die Arbeiten unverzüglich begonnen werden. 1985 übernahm der Wohnungsbaufonds die Pläne der Architekten Welter und Kuhlmann (Petingen und Karlsruhe), um als öffentlicher Akteur die Operation „Al Esch“ mit der Phase 1, die rund 120 Wohnungen umfasste, zu initiieren. Kurz darauf wurde zwischen der Stadt und dem privaten Bauträger Rolphe Reding eine zweite Vereinbarung mit der SGT („Société de gestion et de travaux“) über den Bau eines Geschäfts-, Verwaltungs- und Wohnkomplexes mit Hotel (derzeit ein Studentenwohnheim) und einer Tiefgarage für 300 Fahrzeuge unterzeichnet. Diese beiden Großvorhaben respektierten zwar die stark unterschiedliche Parzellenstruktur des Viertels nicht und wiesen eine Architektur auf, die dem vorhandenen Erbe kaum gerecht wurde, führten aber dennoch zu einer Neubelebung des Stadtzentrums. Dies vor allem dadurch, dass sie sich prioritär auf Wohnraum und Mischnutzung konzentrierten.

Zusätzlich zu diesen beiden wichtigen Maßnahmen wurde in verschiedenen Straßen wie der rue du Commerce (Häuser Nr. 10, 12 und 14, die von der Stadt renoviert wurden), der rue St-Vincent und der rue de l’Ecole (Phase 3, Architekten: Herr, Huyberechts und Steil) eine sanftere Stadterneuerung durchgeführt. Hier wurden verschiedene Häuser restauriert und Neubauten harmonischer in die traditionelle Struktur integriert. Dies ermöglichte eine größere architektonische Vielfalt und bewahrte die lokale Identität. Phase 4 von „Al Esch“ entlang der avenue de la Gare ist ein dicht bebauter Block mit 64 Wohnungen, wobei ein Bereich innerhalb des Blocks als halböffentlicher Garten angelegt ist. In der letzten und fünften Phase hinter dem Rathaus, die vom „Fonds du logement“ eingeleitet wurde, befinden sich 16 Wohneinheiten für behinderte Menschen und 20 preisgünstige Wohnungen.

Besondere Aufmerksamkeit wurde dem öffentlichen Raum gewidmet, vor allem mit der Schaffung des zentralen, von Terrassen gesäumten Boltgen-Platzes, einer Art Stadtlounge, sowie einem intimeren Platz für die Anwohner, der place St-Michel. Die Zweiteilung des alten Ortskerns durch den Verlauf der Grand-rue, die nach wie vor als Verkehrsachse dient, besteht weiterhin und könnte lediglich durch die städtebauliche Neuqualifizierung dieser Straße nach den Plänen von Peter Latz und Christian Bauer (Gewinner des Wettbewerbs 2004) beseitigt werden.

Bauherren und Architekten

Bauherren:
Phase 1: Fonds du logement
Phase 2: SGT/Rolphe Reding 
Phase 3: Fonds du logement
Phase 4: Von Roesgen
Phase 5: Fonds du logement 
Architekten:
Phase 1: Welter-Kuhlmann (Petingen/Karlsruhe)
Phase 2: Fritsch-Paczowsky
Phase 3: Herr-Huyberechts-Steil
Phase 4: Claude Schmitz/Arlette Schneiders
Phase 5: Herr-Huyberechts-Jourdan
Diverses: Beng-Service de l’architecte Esch/Alzette