GesellschaftDas Chorleben in Luxemburg leidet unter den Bedingungen der Pandemie

Gesellschaft / Das Chorleben in Luxemburg leidet unter den Bedingungen der Pandemie
Acht Sängerinnen und ein Sänger produzieren den Sound von Crush!?: Sie proben ihr neues Programm zurzeit im Freien Foto: privat

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Fehlende Proberäume in angemessener Größe, ein anderer Probenrhythmus und abgesagte Konzerte: Das Chorleben in Luxemburg leidet schwer unter den veränderten Bedingungen der Pandemie. Viele Chöre bleiben stumm und sind als Infektionsherde identifiziert. Sie fürchten um ihre Zukunft.

In Coronazeiten ist nichts planbar. Normalerweise sollten um diese Uhrzeit die Stimmen der Mitglieder des Vokalensembles „Crush!?“ den Merscher Park erfüllen. Open Air wollten sie proben und mit weitem Abstand zueinander. Es wäre die erste Probe seit langem für das neue Programm mit Chartsklassikern von Bruno Mars oder Rag’n’Bone Man gewesen. Wegen eines Corona-Verdachtsfalls im Umfeld des Chors musste die Probe kurzfristig abgesagt werden. Das sind nicht die einzigen Sorgen, die Chöre und Chorleiter umtreiben.

Das Problem, geeignete Proberäume zu finden, ist bekannt. Viel schwerer wiegt aber, dass das Proben nicht nur räumlich erschwert wird. „Wir müssen alle 15 bis 20 Minuten unser Programm unterbrechen und lüften“, sagt Arend Herold (43). Normalerweise werden die Stücke hintereinander geprobt und die Pause wird gewählt, wenn es passt. Das geht unter den aktuellen Sicherheitsbestimmungen nicht mehr. Hinzu kommt die fehlende Akustik bei Proben im Freien, die momentan die einzige Alternative sind.

Singen macht glücklich 

Herold ist der Direktor des „Institut européen de chant choral“, kurz Inecc, und selbst Sänger. Ob barocke Kantaten, Passionen von Johann Sebastian Bach oder Muttetten, der gelernte Musikpädagoge lebt das, was die Inecc als Aufgabe hat: Gesang fördern, Chorprojekte initiieren, Anfängern den Einstieg erleichtern und Konzerte im Land und über die Grenzen hinaus organisieren. Bei den „Cojellico’s Jangen“ singt er auf Luxemburgisch Songs à la „Comedian Harmonists“ aus den 20er-Jahren. Zurzeit kann er das nicht, obwohl es ihm viel bedeutet.

„Ich bin nach 20 Minuten singen viel besser gelaunt“, sagt er. „Eine Probe habe ich noch nie schlecht gelaunt oder frustriert beendet.“ Nach drei Monaten Zwangspause fehlt ihm das. Der Grund ist einfach. Singen macht offensichtlich glücklich. „Die Hinweise darauf, dass Singen die Stresshormone verringert, verdichten sich“, sagt Gunter Kreutz, Professor für systemische Musikwissenschaft an der Universität Oldenburg (D) auf Anfrage des Tageblatt. Er hat kürzlich in einem Buch den Stand der Forschung zusammengefasst. Die Erkenntnisse gipfeln in dem Satz „Gemeinsames Singen ist eine Art gesundheitliches Gesamtpaket“.

Die Atmung zu verlangsamen, die Herztätigkeit zu beruhigen und zugleich durch mehr Sauerstoffzufuhr den Körper und den Geist zu aktivieren, ist eine wichtige Motivation für das Singen

Gunter Kreutz, Professor für systemische Musikwissenschaften an der Universität Oldenburg (D)

Abgesehen davon, dass Singen entspannt, gibt es einen Zusammenhang mit dem menschlichen Immunsystem. „Studien lassen die Annahme zu, dass während des Singens die Schleimhäute der oberen Atemwege vermehrt Immunglobuline, insbesondere das Protein Immunglobulin A, produzieren“, bestätigt Kreutz. Die Antikörper gelten als bedeutende Abwehrbarriere gegen Krankheitserreger. Hinzu kommt das gemeinschaftliche Erlebnis. „Die Stärke liegt darin, dass die Menschen in aller Regel gerne im Chor singen, also auch immer wieder teilnehmen möchten“, sagt der Musikwissenschaftler.

Mitglieder unruhig und Konzerte abgesagt

Auf der anderen Seite dieser Feststellungen stehen Sorgen. „Die Chöre geraten in Schwierigkeiten, ihre Mitglieder unter diesen Bedingungen zu halten – zumal derzeit das Ziel, nämlich ein Konzert, als Abschluss, fehlt“, sagt Herold. Er weiß, dass selbst Konzerte für Oktober abgesagt wurden, weil die Chorleiter die durch den Lockdown ausgefallenen Proben nicht aufholen können. Steht ein Chorsterben bevor? „Ich will den Teufel nicht an die Wand malen“, sagt er. „Aber wir befürchten das.“

Musikalische Aktivisten, die sich vor den Balkonen und Terrassen von Altenheimen versammeln, sind wahre Helden des Alltags. Sie leisten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität im Kampf gegen Einsamkeit. Er sollte nicht nur in Corona-Zeiten geführt werden. Musik ist eine soziale Kunst.

Gunter Kreutz, Professor für systemische Musikwissenschaften an der Universität Oldenburg (D)

Das wäre katastrophal. Es wäre nicht nur ein Verlust für die Musikwelt. Ob Weihnachtslieder, Hochzeiten, Geburtstagsständchen oder christliche Messen, Singen ist ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Ganz davon abgesehen, dass damit der „Türöffner“ für Menschen, die nie ein Instrument erlernen konnten, fehlt. „Chöre bieten Menschen einen Zugang zu Musik, die sonst vielleicht keine Möglichkeit haben, sich musikalisch zu betätigen“, sagt Herold. In dieser Situation bleibt Sängern und Chorleitern nur eines: Abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Und hoffen, dass die Mitglieder bei der Stange bleiben.

Chöre in Luxemburg

Nicht nur das Inecc, dessen Angebote 2019 rund 9.500 Menschen erreicht haben und die derzeit komplett ausfallen, ist davon betroffen. In der „Fédération nationale de musique du Grand-Duché de Luxembourg“ (UGDA) sind 73 der 286 angeschlossenen Vereine nach eigenen Angaben Chöre oder Vokalensembles. 2.463 von insgesamt 13.219 Mitgliedern singen in weltlichen wie kirchlichen Vereinigungen. Im Piusverband sind die Kirchenchöre des Landes organisiert. Es sind 235 mit rund 4.000 Mitgliedern.

Schiltz Roby
12. Juli 2020 - 22.17

Genau das hat Ambitus heute im Park der Orangerie in Echternach geschafft. Wir waren nicht komplett, weil zu spät programmiert. Zum Glück haben uns einige Mitglieder des Echternacher *Proffechouer" geholfen. Resultat: Jeder war froh, wieder zu singen! ... und à répéter!