BauvorhabenDie Kindertagesstätte in Beckerich erhält einen Baustopp

Bauvorhaben / Die Kindertagesstätte in Beckerich erhält einen Baustopp
Auf dem Gelände soll  „notwendige ökologische Substanz“ zerstört worden sein Foto: René Hoffmann

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In Hovelingen bei Beckerich soll eine neue Kindertagesstätte entstehen. Die Bauarbeiten begannen vor einigen Wochen. Doch nun hat das Umweltministerium einen Baustopp verhängt. 

Barbara Agostino ist die Chefin der Kindertagesstätten „Barbara“. Das Unternehmen betreibt rund ein Dutzend Einrichtungen in Luxemburg-Stadt, Beggen, Born, Mamer, Tüntingen und Esch/Alzette. In der Gemeinde Beckerich, genauer in Hovelingen, sollte eine weitere „Crèche“ hinzukommen. Die Direktorin freute sich über das Projekt, postete vor einiger Zeit ein Video von den Arbeiten auf der Baustelle und  kündigte die Eröffnung der Kita für 2021 an. Plötzlich aber standen die Bagger still. In Hovelingen, nicht weit vom Grundschul-Gebäude entfernt, passiert zurzeit nichts mehr. Warum, fragen sich die Anrainer. Der Grund ist ein Baustopp. Er wurde aber nicht, wie zuerst angenommen, von der Gemeinde verhängt, sondern vom Umweltministerium. „Bei der Baugenehmigung gab es keine Probleme. Alles war konform zum allgemeinen Bebauungsplan (PAG) und Bautenreglement. Alle anderen Fragen, die den Umweltschutz oder ähnliches betreffen, liegen nicht in unserem Kompetenzbereich“, betont Bürgermeister Thierry Lagoda. In Beckerich gibt es insgesamt drei „Crèches“: „Draachemailchen“ und „Le temps d’un rêve …“ in Noerdingen sowie  „Zavanouille & Co.“ in Oberpallen. „Barbara“ soll die vierte Einrichtung dieser Art in der Gemeinde werden.

Es war der lokale Förster, der laut Umweltministerium am 16. Juni einen Bericht bei der Natur- und Forstverwaltung (ANF) eingereicht hatte und darin die Zerstörung von geschützten Biotopen auf dem Areal der zukünftigen Betreuungseinrichtung beklagte. Es sei keine Genehmigung für diese Arbeiten gegeben worden, heißt es. Man habe lediglich einen Antrag für das Fällen von vier Bäumen gestellt, der aber noch nicht beantwortet worden sei, weil kein sogenannter „Eco-Bilan“ vorgelegt wurde. Der Mitarbeiter der ANF habe aber vor Ort festgestellt, dass bereits zehn Bäume gefällt worden seien, bedauert Thomas Schoos, Regierungsberater im Umweltministerium. Die Folge: Das Ministerium beschloss einen Baustopp und ordnete eine Untersuchung an.

Nichteinhaltung kann teuer werden

Jede Fortführung der Arbeiten kann mit Geldstrafen von bis zu 750.000 Euro und sogar mit einer Gefängnisstrafe von acht Tagen bis zu sechs Monaten sanktioniert werden. Leute, die den offiziellen Aushang entfernen oder unleserlich machen, müssen mit Geldbussen zwischen 24 und 1.000 Euro rechnen. Die Gemeindeverwaltung, die Staatsanwaltschaft und die Generalstaatsanwaltschaft in Luxemburg seien über die Maßnahme informiert worden, heißt es im Aushang. Der Bauherr kann innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntmachung beim Verwaltungsgericht Einspruch gegen den Beschluss einlegen. Die Leiterin der „Crèches Barbara“ wollte sich uns gegenüber nicht zum Dossier äußern. Inzwischen wurde auch das Video über die Arbeiten entfernt.

„Ich hoffe, dass man eine Lösung findet. Es wäre schade, wenn die Kita nicht gebaut würde“, so eine Anrainerin, die mit ihrem Hund unterwegs war. „Hat man denn nicht aufgepasst, als man das Projekt ausarbeitete? Wenn Gesetze nicht befolgt wurden, ist ein Baustopp normal. Jetzt muss schnell eine Lösung gefunden werden“, ergänzt ihr Ehemann.

Das Umweltministerium zeigt sich jedenfalls gesprächsbereit. In diesem Fall sei „notwendige ökologische Substanz“ (Bäume, Hecken) zerstört worden, ehe ein „Eco-Bilan“ durchgeführt werden konnte. Das erschwere nun die Kompensationsmaßnahmen, so der Regierungsbeamte. Aber was ist eigentlich der „Eco-Bilan“? Der Bauherr muss für jeden Biotop, der im Rahmen der Arbeiten zerstört wird, eine Kompensation vorsehen. Laut Naturschutzgesetz von 2018 muss hierfür eine ökologische Bilanz des betroffenen Areals erstellt werden. Dabei wird der Wert des Biotops in „Eco-Punkten“ ausgedrückt. Ein „Eco-Punkt“ entspricht einem Euro. Je seltener der zerstörte Lebensraum ist oder je schwerer er wiederherzustellen ist, desto teurer wird es. Man müsse jetzt genau klären, unter welchen Bedingungen eine Genehmigung ausgestellt werden könne, so Schoos. Man stehe hierfür in Kontakt mit dem Bauherren. Dieser hat inzwischen beim Ministerium um Erlaubnis gefragt, eine Böschung auf der Baustelle sichern zu dürfen. Der Hang könne während des Baustopps rutschen, heißt es. Die ANF prüfe nun den Sachverhalt. Sobald die Situation wieder bereinigt sei, zum Beispiel durch die Festlegung der  Kompensationsmaßnahmen, könne der Baustopp wieder aufgehoben werden, so der hohe Beamte. 

Kein Einzelfall

Früher musste der Bauherr selbst die Kompensationsmaßnahmen planen und umsetzen, seit dem neuen Naturschutzgesetz aber hat die öffentliche Hand diese Aufgabe übernommen. Der Bauherr muss nur eine Abgabe entrichten, die sich nach dem „Eco-Bilan“ richtet. Mit diesem Geld ersetzt die ANF in den sogenannten „Flächenpools“ dann quer durch das Land die zerstörten Biotope.

Der Fall in Beckerich sei aber kein Einzelfall, sagt Thomas Schoos. Regelmäßig würden Baustopps wegen Verstöße gegen das Naturschutzgesetz verhängt. Die Dauer bis zur Wiederaufnahme der Arbeiten auf der Baustelle indes variiere und hänge maßgeblich von der Kooperationsbereitschaft des Bauherrn ab. 

Hubert Hollerich
5. August 2020 - 8.44

Natiirlech ass et net an der Rei wann ee wertvollt Biotop zerstéiert gëtt. Et ass och net ze vertrieden, dass op en Neits eng Fermette dem Erdbuedem gläichgemaach gouf. Alt nees ass ee Stéck vun eisem bebaute Patrimoine fir ëmmer verschwonnen. Och desen Aspekt sollt bei zukünftege Projeten eng zentral Roll spillen.