SpanienVirus macht Toreros arbeitslos: Keine Stierhatz in Pamplona, Tierschützer jubeln 

Spanien / Virus macht Toreros arbeitslos: Keine Stierhatz in Pamplona, Tierschützer jubeln 
2020 und 2019 im Vergleich: Wegen Corona findet erstmals seit fast 100 Jahren kein Stiertreiben in den Altstadtgassen von Pamplona statt Foto: AFP/Ander Gillenea

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So ruhig war es in der nordspanischen Stadt Pamplona schon lange nicht mehr. In diesen Julitagen findet erstmals seit fast 100 Jahren kein Stiertreiben in den Altstadtgassen statt. Corona bewirkte, was Tierschützern auch mit jahrelangen Protesten nicht gelang: Die Suspendierung des weltberühmten achttägigen Stierspektakels, das üblicherweise Hunderttausende Besucher aus dem In- und Ausland anzieht und die Stadt in einen Vulkan verwandelt.

Eigentlich sollten in der zweiten Juliwoche wieder die Kampfbullen über das Kopfsteinpflaster der Altstadt bis zur Stierkampfarena gehetzt werden. Mehrere tausend meist junge, weiß-rot-gekleidete Männer, aber auch einige Frauen rennen dann vor, neben und hinter den bis zu 500 Kilo schweren Tieren. Für manche Teilnehmer, die sich „mozos“ nennen, ist es das höchste der Gefühle, dicht vor den spitzen Hörnern um ihr Leben zu laufen.

Doch dieses Jahr rennen weder Stiere noch „mozos“ durch die engen Gassen. Wegen des Infektionsrisikos bei diesem Massenereignis, bei dem Schweiß, Blut und viel Alkohol fließen, wurde das mittelalterlich anmutende Spektakel abgesagt. Die Stierhatz von Pamplona ist das international wohl bekannteste, aber auch umstrittenste Fest Spaniens.

Regelmäßig werden bei diesem lebensgefährlichen Treiben Menschen von den Bullen aufgespießt. 2019 waren neun Menschen durch Hornstöße schwer verletzt worden. Manchmal gibt es bei diesem Wahnsinn, der von Ernest Hemingway in seinem Roman „Fiesta“ verewigt wurde, auch Tote. Seit Beginn der historischen Aufzeichnungen im Jahr 1910 starben mindestens 16 Menschen. Das letzte Todesopfer wurde 2009 verzeichnet.

48 Kampfbullen den qualvollen Tod erspart

Für die Stiere endet die morgendliche Hatz hingegen immer tödlich: Sie werden am Abend in der Arena zunächst mit Lanzenstichen und Spießen im Rücken verwundet und dann vom Torero mit dem Degen getötet. Die Stiertreiben finden traditionell an acht aufeinanderfolgenden Tagen statt. Jeden Morgen um 8 Uhr werden dann sechs Kampfbullen durch die Stadt in die Arena gehetzt. Insgesamt sterben somit im Laufe dieser blutigen Fiesta 48 Kampfbullen im Sand des Stierkampfplatzes.

„Das ist keine Kultur, sondern Tortur“, kritisieren Tierschutzorganisationen wie etwa die internationale Bewegung PETA. Die Tierschützer sehen in der diesjährigen Absage des Festes eine Chance, über ein weniger blutiges Stadtfest nachzudenken, das in Pamplona zu Ehren des Stadtheiligen San Fermín gefeiert wird.

Sobald wir können, werden wir unser Fest wieder feiern

Enrique Maya, Bürgermeister von Pamplona

In einer Petition an Bürgermeister Enrique Maya fordert PETA: „Bitte ersetzen Sie die Stiertreiben und Stierkämpfe durch andere Aktivitäten, an denen keine Tiere beteiligt sind.“ PETA-Sprecherin Elisa Allen sagt: „Wir fordern, die grausame Stierhatz und die darauffolgenden quälerischen Stierkämpfe dauerhaft einzustellen, damit das Fest von San Fermín eine tierfreundliche Zukunft haben kann.“

Doch Maya hat bereits klargemacht, dass im kommenden Jahr wieder die Stiere durch Pamplona galoppieren sollen. „Sobald wir können, werden wir unser Fest wieder feiern“, ließ er per Videokampagne verbreiten. Zur Untermalung dieses Vorsatzes lässt er derzeit das Rathaus nachts in Rot erstrahlen. Rot wie die Halstücher, mit denen sich die Feiernden in Pamplona schmücken. Und rot wie das Blut, das bei den Stierrennen und der nachfolgenden Bullentötung fließt.

Nicht nur in Pamplona fällt dieses Jahr der Stierkampf aus. Auch in vielen anderen spanischen Städten mit großen Arenen wie etwa Madrid, Sevilla oder Valencia sind die Toreros wegen Corona seit Monaten arbeitslos. Seit Ausbruch des Virus in Spanien Mitte März durften keine Stierkämpfe mehr stattfinden. Erst jetzt, im Laufe des Juli, öffnen einige Arenen wieder, aber mit Zuschauerlimits.

Immer weniger Interesse an Toreros

Der Corona-Bann hat die schon länger schwelende Krise der spanischen Toreros vertieft. Denn die Zahl der Stierkämpfe in Spanien nimmt kontinuierlich ab. Nach Angaben der spanischen Regierung hat sich die Zahl dieser Torero-Spektakel in den letzten zehn Jahren von über 3.000 auf rund 1.500 halbiert. Immer mehr Arenen schließen, weil die Zuschauer ausbleiben und sich diese blutigen Veranstaltungen finanziell nicht mehr lohnen.

„Die Menschen werden dieses Jahr vieles vermissen – aber Stierkämpfe gehören sicher nicht dazu“, sagt Aïda Gascón Bosch, Vorsitzende der spanischen Tierschutzorganisation AnimaNaturalis. Nur eine Minderheit gehe noch zu solchen Veranstaltungen. „Aber wir alle zahlen dafür mit öffentlichen Geldern.“

In Umfragen findet der Stierkampf meist nur noch bei älteren Spaniern Zustimmung. Dieses Phänomen spiegelt sich in Spaniens Königshaus: Altkönig Juan Carlos (82) jubelt gerne von der Ehrenloge der großen Kampfplätze den Toreros zu. Thronfolger König Felipe (52) sitzt hingegen lieber im Fußballstadion auf der Tribüne.