EditorialDie EU soll ihre Beziehungen zu China offensiver angehen

Editorial / Die EU soll ihre Beziehungen zu China offensiver angehen
Die chinesische Regierung hat den Repressionsapparat in Hongkong mit einem neuen Sicherheitsgesetz wesentlich gestärkt Foto: ZUMA Wire/dpa/Jayne Russell

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Die Ereignisse in Hongkong dürften der britischen Regierung einen ersten Eindruck davon geben, was es bedeutet, nicht mehr Teil einer Gemeinschaft zu sein, in diesem Fall der Europäischen Union. Denn nachdem China der Sonderverwaltungszone ein Sicherheitsgesetz aufgezwungen hat, mit dem für die einstige britische Kronkolonie der Anfang vom Ende des Prinzips „Ein Land, zwei Systeme“ eingeläutet wurde, musste London reagieren. Denn das Vorgehen Pekings steht im Widerspruch zu den Vereinbarungen, die mit der Übernahme Hongkongs durch China im Juli 1997 eingegangen wurden.

Allerdings wird Großbritannien nicht viel ausrichten können. Mit dem Angebot an rund drei Millionen Hongkonger, ihnen die britische Staatsbürgerschaft zu gewähren, hat der britische Premierminister Boris Johnson zwar die chinesische Führung verärgert. Viel mehr wird er damit aber nicht ausrichten können. Andere Druckmittel stehen London jedoch nicht zur Verfügung. Schon gar keine wirtschaftlichen. Denn mit der endgültigen Loslösung von der EU und, wie es derzeit aussieht, möglicherweise sogar vom europäischen Binnenmarkt ist London mehr als zuvor auf andere Wirtschaftspartner angewiesen. Zwar wird dies- und jenseits des Ärmelkanals die Beschneidung der Rechte und der Autonomie Hongkongs gleichermaßen kritisiert und verurteilt, doch werden die Interessen Londons nicht mehr automatisch auch von Brüssel mitvertreten.

Denn die EU-Europäer sind selbst dabei, ein Investitionsabkommen mit China auszuhandeln, was nicht nur Corona-bedingt ins Stocken geraten ist. Die EU-Staaten werden selbstbewusster gegenüber China und verlangen unter anderem mehr Marktzugang sowie die Abschaffung von Wettbewerbsverzerrungen durch chinesische Staatsbetriebe – dem Peking wohl nicht so leicht nachgeben wird. Dazu passt ebenfalls die Mitte Juni von der EU-Kommissarin Margrethe Vestager eingeleitete Verschärfung des europäischen Wettbewerbsrechts, das darauf abzielt, unerwünschte Übernahmen europäischer Unternehmen vor allem durch (Staats-)Konzerne aus China zu verhindern.

China ist zwar für die Europäer ein bedeutender Handelspartner. Doch das gilt auch in umgekehrter Richtung. Das zeigte sich unter anderem, als US-Präsident Donald Trump China und den EU-Staaten gleichermaßen mit Strafzöllen drohte, um bessere Handelsbedingungen zu erreichen und der Vorsitzende der KP Chinas und Staatspräsident Xi Jinping daraufhin den Freihandel pries und den Schulterschluss mit den Europäern suchte.

Bei allem, was Peking mit seinem nun eingeleiteten harten Kurs in Hongkong bezweckt, dürfte wohl auch eine Warnung an die EU enthalten sein, dass mit einer wirtschaftlichen Öffnung keineswegs eine politische Öffnung verbunden sein wird. Eine Wechselwirkung, bei der man im Westen lange Zeit davon ausging, dass sie sich einstellen würde. Im Gegenteil, die kommunistische Führung unter Xi Jinping hat die Zügel in den letzten Jahren strammer gezogen und den Überwachungsapparat den technologischen Möglichkeiten entsprechend weiter ausgebaut, um die Bevölkerung im Griff zu behalten.

Die EU sollte sich davon jedoch nicht beeindrucken lassen und ihre Beziehungen zu China offensiver angehen sowie die Wiederherstellung der Rechte der Menschen in Hongkong einfordern. Denn mit den USA steht den Chinesen – unabhängig davon, wer gerade in Washington regiert – ein noch bedeutenderer Antagonist gegenüber. Und auch Peking ist mittlerweile derart mit der Welt verflochten, dass es sich die Führung nicht leisten kann, es sich mit allen zu verscherzen.