PolenAmtsinhaber Andrzej Duda klarer, aber auch einsamer Gewinner der ersten Runde

Polen / Amtsinhaber Andrzej Duda klarer, aber auch einsamer Gewinner der ersten Runde
Warschaus Bürgermeister Rafal Trzaskowski, hier mit seiner Ehefrau Malgorzata, hat es in die Stichwahl mit Duda geschafft  Foto: AFP/Janek Skarzynski

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Rafal Trzaskowskis Lächeln wirkt bemüht. „Mit solchen Resultaten kann man um Polen weiterkämpfen“, sagt der Warschauer Oberbürgermeister in der Wahlnacht am Weichselufer. Sein Stab hat zum Wahlabend unter freiem Himmel vor ein unter Kulturschaffenden beliebtes Elektrizitätswerk eingeladen. Die Stimmung ist hoffnungsvoll, aber keineswegs ausgelassen.

Der Wahlstab hatte auf einen Abstand zum konservativen Amtsinhaber Andrzej Duda von weniger als zehn Prozent gehofft, die Exitpolls deuten indes auf deutlich mehr hin. Das Resultat zeige, dass über die Hälfte der Polen eine Wende wollten, redet sich Trzaskowski gleichsam selbst Mut für die schwierige zweite Runde zu. „Aus diesem Resultat lese ich auch, dass viele Polen die Situation im Land anders einschätzen: Wir behalten das Kindergeld 500plus bei, wir werden das Rentenalter nicht erhöhen und die 13. Monatsrente nicht liquidieren“, verspricht Trzaskowski dann mit Blick auf mögliche Wechselwähler der konservativen Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) aus dem Zentrum.

Nach Auszählung von 99,8 Prozent der Wahllokale hat sich der Abstand Trzaskowskis auf Duda am Montagmittag erwartungsgemäß noch etwas erhöht. In Nachwahlbefragungen geben manche Polen nämlich ungern zu, dass sie PiS unterstützen. Andrzej Duda hat demnach die erste Runde der Präsidentenwahlen mit 43,7 Prozent der Stimmen klar gewonnen. Auf den zweiten Platz kommt wenig überraschend der liberale Herausforderer Rafal Trzaskowski von der oppositionellen Bürgerkoalition (KO, bestehend aus der liberalen Bürgerplattform PO, Modernen und Grünen) mit 30,3 Prozent. Mit 13,9 Prozent über seinen letzten Umfrageergebnissen abgeschnitten hat der unabhängige, linksliberale katholische Publizist Szymon Holownia. Der rechtsextreme Kandidat Krzysztof Bosak („Konföderation“) landet mit 6,8 Prozent – oder immerhin 1,3 Millionen Stimmen – auf dem guten vierten Platz.

Der Rechtsextreme überrundete damit den Homosexuellen-Aktivisten Robert Biedron (2,4 Prozent) von der Frühlingspartei (polnisch: „Wiosna“), der für die Linke als Einheitskandidat angetreten war, um ein Mehrfaches. Auch der noch im Frühling als möglicher Kandidat für eine Stichwahl gehandelte Wladyslaw Kosininak-Kamysz von der Bauernpartei PSL enttäuschte mit nur 2,2 Prozent der Stimmen. Fünf weitere Kandidaten von rechts- bis linksaußen kommen zusammen auf 0,9 Prozent der Stimmen.

Ganz am Ende der Rangliste platzierte sich dabei erstaunlicherweise Miroslaw Pietrowski (0,11 Prozent), der von dem unter vielen Rentnern beliebten rechtskatholischen „Radio Maryja“ unterstützt worden war. Der für gewöhnlich PiS-freundliche Radiogründer Pater Tadeusz Rydzyk setzte auf einen eigenen Kandidaten, statt Duda zu unterstützen, nachdem er sich mit Regierungsparteichef Jaroslaw Kaczynski offensichtlich nicht handelseinig geworden war. Sein schwaches Ergebnis zeigt, wie wenig Stimmenreserven Duda nun für die Stichwahl in zwei Wochen hat. Außerhalb eines Teils der Wähler der rechtsextremen „Konföderation“ sowie ein paar besonders konservativen PSL-Wählern kann Duda auf wenig Unterstützung durch die Wählerschichten der nun ausgeschiedenen neun Kandidaten rechnen.

Keine Wahlempfehlung vom Drittplatzierten

Viel besser sieht es für den liberalen Trzaskowski aus. Zwar hätte Duda im polnischen Dorf bereits in der ersten Runde gewonnen, doch die rechnerisch viel wichtigeren, Hunderten von Kleinstädten haben sich nicht mehr so klar für den PiS-Kandidaten entschieden. Trzaskowskis Rückstand ist hier unter zehn Prozent, und auch Holownia hat dort mit rund 15 Prozent gut abgeschnitten. Zwar kann Trzaskowski in der Stichwahl nicht automatisch auf die Wähler Holownias zählen, obwohl sich der Unabhängige im Wahlkampf als ebenso weltoffen, LGBT-freundlich und eher linksliberal gezeigt hatte. Denn Holownia hat viele Polen für sich gewonnen, die den seit 15 Jahren zwischen PiS und Bürgerplattform (PO) wütenden Bruderkrieg satthaben. Holownia selbst weigerte sich in der Wahlnacht, seinen Anhängern eine klare Wahlempfehlung für die Stichwahl auf den Weg zu geben. „Jeder muss nach dem eigenen Gewissen entscheiden“, sagte er. Gleichzeitig machte er klar, dass er an der Stichwahl teilnehmen, aber nicht für Duda stimmen würde.

Zwei Umfragen kurz vor der ersten Runde hatten ergeben, dass 70 bis 74 Prozent von Holownias Wählern in einer Stichwahl zu Trzaskowski wechseln würden. Dazu kann der linksliberale Warschauer Bürgermeister auch auf 85 bis 97 Prozent der Wähler Robert Biedrons zählen, der allerdings schwach abgeschnitten hatte, weil viele seiner Anhänger diesen Wechsel offenbar bereits in der ersten Runde vollzogen hatten. Auch die Mehrheit (63-70 Prozent) der Unterstützer Kosiniak-Kamyszs (PSL) wollen laut Umfragen in der Stichwahl für Trzaskowski stimmen. Zudem kann Trzaskowski selbst auf mindestens jeden Fünften der Bosak-Anhänger zählen, denn der rechtsextreme Präsidentschaftskandidat hatte sich im Wahlkampf auch betont wirtschaftsliberal gezeigt und immer wieder heftig gegen Kaczynskis PiS und Amtsinhaber Duda gewettert.

Die Wahlbeteiligung lag mit guten 64,4 Prozent so hoch wie seit 1995 beim legendären Wahlkampf Lech Walesas gegen den Postkommunisten Aleksander Kwasniewski nicht mehr. Für die Stichwahl wird mit ein bis zwei Millionen zusätzlichen Wählern gerechnet. Um diese hat bereits am Montag ein heftiger Kampf mit den alten Wahlversprechen begonnen.