FußballSaisonauftakt für Lars Gerson in Schweden

Fußball / Saisonauftakt für Lars Gerson in Schweden
Für Lars Gerson (l.) beginnt die Meisterschaft am Sonntag (14.30 Uhr) mit einem Heimspiel gegen Kalmar FF Foto: Gerry Schmit

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Schweden geht in der weltweiten Pandemie seinen eigenen Weg – beim Meisterschaftsauftakt der ersten Fußballliga Allsvenskan sind trotzdem einige Parallelen zum Vorreiter Bundesliga erkennbar. Nach der zehnwöchigen Verschiebung brennt FLF-Nationalspieler Lars Gerson (IFK Norrköping) trotz aller Kompromisse auf diese eingeschränkte Rückkehr in die Normalität.

Geisterspiele: In der Allsvenskan rollt ab diesem Wochenende wieder der Ball – allerdings unter ungewohnten Voraussetzungen. Bis Ende Mai war der schwedische Ligaverband sogar noch voller Hoffnung, in vollen Stadien spielen zu dürfen. Dennoch wurde beschlossen, aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie zunächst einmal nur Geisterspiele austragen zu lassen. Wie lange die Ränge noch leer bleiben, steht nicht fest. Mats Enquist, Generalsekretär des Ligaverbandes, bedauerte die Entscheidung, betonte aber in den Medien: „Es kommt die Zeit, in der wir wieder öffnen können.“ 

Nationalspieler Lars Gerson ist es gewohnt, in Norrköping vor 10.000 Zuschauern aufzulaufen, bei Spitzenspielen sind bis zu 16.000 Menschen im Östgötaporten-Stadion zu Gast. „Wir werden unseren Fanblock, die ‚Curva’, vermissen. Aber das ist jetzt für jede Mannschaft so und wir müssen das Beste draus machen“, fasst der 30-Jährige zusammen. „Nach diesen langen Wochen können wir es kaum erwarten, endlich wieder um Punkte zu spielen. Unsere Fans haben ja dann noch die Möglichkeit, sich das von zu Hause aus anzusehen.“ 

Verletzungsrisiko: 90 Spiele sind in den vergangenen zehn Wochen ausgefallen, doch verlängert wird die Meisterschaft nicht. Stattdessen soll das ganze Programm in englischen Wochen zu Ende gebracht werden: Allein für den Meisterschaftsbetrieb bedeutet dies 30 Spieltage bis zum 8. November. Nicht ganz ungefährlich, wie einer der betroffenen Fitnesstrainer bereits bemängelte: Viktor Helander, Mitglied des Trainerstabs beim Meister Djurgardens IF, basierte sich bei seinen Argumenten auf die Bundesliga-Analysen des australischen Wissenschaftlers Joel Mason. Demnach hat es nach dem Re-Start der deutschen Meisterschaft statt der üblichen Rate von 0,27 Verletzungen pro Spiel seither 0,88 Fälle gegeben.

„Es kann sein, dass einige Spieler nicht an diesen Rhythmus gewöhnt sind“, sagte der Norrköping-Verteidiger. „Aber man trainiert so lange auf das Ziel hin, jetzt will jeder nur noch raus auf den Platz.“ Um Schäden vorzubeugen, wurden auch beim IFK Norrköping während der Vorbereitung die Trainingseinheiten und die Intensität angepasst: „Wir haben gut und viel trainiert“, berichtete der Luxemburger, der hinzufügte: „Diese Woche haben wir das Pensum aber deutlich runtergefahren, um für die ersten beiden englischen Wochen Kraft zu sparen.“ 

Leistung: Wie der Wissenschaftler Joel Mason herausfand, stieg nicht nur das Verletzungsrisiko, sondern gab es in der Bundesliga auch niedrigere Werte bei den Laufwegen: Nur bei der Hälfte der Vereine blieb diese Zahl ungefähr stabil. Inwiefern das Niveau der Begegnungen davon beeinflusst wird, sei schwer vorauszusagen. Testspiele waren bislang verboten, sodass Norrköping einzig und allein mit internen Matches unter Wettbewerbsbedingungen trainieren konnte: „Das war auch der Grund, wieso wir diese Begegnungen in Trikots und mit einem Schiedsrichter absolviert haben. Das Gefühl sollte so echt wie möglich sein. Es war schon relativ langweilig.“ Trotzdem würden die internen Spiele keine Testmatches gegen einen Ligakonkurrenten ersetzen: „Es ist eine komische Situation. Niemand weiß, wo er genau steht und ob die Form stimmt. Das wird also sehr speziell für alle werden“, sagte Gerson. 

Auswechslungen: Der Verband hielt ebenfalls fest, aufgrund der besonderen Umstände in dieser Saison fünf Spielerwechsel zu erlauben. Für Jens Gustafsson, den Trainer von Lars Gerson, nur der erste Schritt in diese Richtung: „Wir als Verein haben uns dafür eingesetzt. Damit bekommen die Spieler, deren Karriere gerade erst anfängt, mehr Einsatzzeit. Ich hoffe, dass dies beweisen werden kann und wir aus langfristig so weitermachen werden“, wird er bei Teller Report zitiert. Auch in der Kabine sei dies oft Thema gewesen, berichtet Gerson: „Er hat uns mehrmals darauf hingewiesen, dass er davon profitieren wird. Es wird aufgrund der hohen Belastung mehr Wechsel in der Pause bei uns geben.“

Norrköping: Die Saison müsste für den letztjährigen Tabellenfünften eigentlich mit einem Sieg gegen Kalmar FF beginnen. Danach warten mit AIK Solna und Meister Djurgardens IF bereits zwei dicke Brocken auf den Europapokal-Aspiranten. „Ein paar Freunde aus anderen Klubs haben mir erzählt, dass sie deutlich weniger trainiert haben als wir. Das stimmt uns zuversichtlich. Wir hatten letztes Jahr einen schlechten Start und aus acht Spielen nur acht Punkte geholt. Zum Schluss der Saison waren wir richtig stark. Diesmal wollen wir gleich so loslegen, wie wir aufgehört haben.“ Dass er es innerhalb von zehn Tagen mit zwei Titelkandidaten zu tun bekommen wird, stört Gerson nicht: „Wir sind gut vorbereitet.“

Neues System: Nach zwei Jahren ging bereits zu Beginn des Jahres eine kleine Ära zu Ende: Die Fünferkette hatte ausgedient. Norrköping-Coach Gustafsson will in Zukunft auf zwei offensivere Ausrichtungen zurückgreifen und testete zwei Varianten (4-3-3 und 4-2-3-1). „Ich hoffe, dass wir dadurch unser Offensivpotenzial besser ausspielen können. Die Fünferkette passte zwar zu uns, aber wir standen teilweise sehr tief. Nach zwei Jahren war es an der Zeit, etwas anderes zu versuchen. Sollte es nicht klappen, können wir noch immer wieder zurück“, schlussfolgert Gerson. Die Rolle des Luxemburger bleibt die gleiche: Er wird verteidigen – dort, wo gerade Not am Mann ist: „Rechts oder links hinten. In der Innenverteidigung sind sie eingespielt. Ich rücke dann nur dorthin, wenn sich jemand verletzt.“ 

Verändert hat sich der Kader nur leicht. Das wird sich Ende Juni möglicherweise ändern, denn dann endet die Leihe von West-Ham-Offensivspieler Sead Haksabanovic. Der 21-jährige Montenegriner soll bis dahin aber auf der linken Außenbahn für Dampf sorgen. In der Warteschleife steht mit Ishaq Abdulrazak ein 18-jähriges Talent aus Nigeria, dessen Vertrag erst kürzlich unterschrieben worden ist.

Europapokal: Im letzten Sommer kam der Luxemburger erstmals in den Genuss der Europa-League-Qualifikation und hofft auf eine Wiederholung im Sommer 2021. Gerson fasste zusammen, welche anderen Teams Ambitionen auf das internationale Geschäft hegen: „Malmö ist wie jedes Jahr zu den Titelkandidaten zu zählen, ebenso Meister Djurgardens, Hammarby oder AIK. Mit uns rechnet wie immer eigentlich niemand. Das ist aber gar nicht schlimm, wir haben kein Problem mit der Underdog-Rolle.“ Den vierten europäischen Platz, den es über den schwedischen Cup zu holen gibt, wird Norrköping in dieser Saison nicht holen: Die Mannschaft flog im Februar überraschend früh aus dem Pokalwettbewerb.

Corona: Das alltägliche Leben in Schweden wurde bekanntlich nicht allzu sehr von der Pandemie beeinflusst. „Aufpassen und Abstand halten“ waren die Devisen der vergangenen Wochen, wie Gerson erzählt. „Ansonsten konnte man eigentlich alles machen.“ Auf das Virus getestet wurde der Luxemburger Nationalspieler bisher noch nicht. Testprogramme, wie es sie in Deutschland regelmäßig bei den Profis gibt, stehen in Schweden nicht auf der Tagesordnung. Stattdessen füllen die Spieler jeden Morgen ein Formular aus: „Wir antworten seit ein paar Wochen täglich per Mail auf zehn Fragen zu unserem Gesundheitszustand. Sollte jemand Halsschmerzen oder Fieber haben, bleibt er zu Hause. Das Formular war eine der Bedingungen, damit der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden konnte.“

Fantasy Football: Für die Fantasy-Manager war Lars Gerson in der letzten Saison der zweit-wertvollste Spieler Schwedens. „Auffällig für einen Verteidiger“, wie er selbst lachend hinzufügte. Der Wert von 6,5 geht aus dem Bericht von Fantasy-Football-Scout hervor. Der Luxemburger brachte seinen virtuellen Managern mit seinen vier Toren und fünf Vorlagen insgesamt 174 Punkte ein und stand bei 28 Einsätzen (eine Gelbsperre, einmal nicht im Kader) 26 Mal in der Startelf. Sein Interesse für die Fantasy-Liga sei aber nicht sehr ausgeprägt: „Ich bin keiner, der diese Zähler im Hinterkopf hat. Die Mannschaft ist mir da schon viel wichtiger.“

Steckbrief

Lars Gerson
Geboren am 5. Februar 1990
Positionen: Defensives Mittelfeld, Innenverteidigung, Außenverteidigung
FLF-Nationalspieler seit 2008: 75 Spiele, 4 Tore
Bisherige Vereine: Kongsvinger (NOR), IFK Norrköping, GIF Sundsvall, IFK Norrköping (alle SWE)