In surrealen, farblich explodierenden Bildern rahmt der Comic „Bowie: Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume“ einen Hauptstrang seiner Erzählung über einen Künstler, der künstliche Existenzen fast am Fließband entwirft, um sich mit ihnen austoben zu dürfen – wie sich hinter ihnen verstecken zu können. Major Tom, Thin White Duke, Halloween Jack, Aladdin Sane. Ein Mann mit vielen Eigenschaften. Musiker, Schauspieler, Produzent, Gesamtkunstwerk. Schon David Bowie ist die erste Großtat von David Jones, als der er 1947 in London geboren wird.
Diesem Phänomen des steten Wandels einer Person erstmals in einem Comic nachzugehen, ist eine ambitionierte Aufgabe, der sich der bekennende Fan Michael Allred, seine Frau Laura sowie Steve Horton mit großer Begeisterung gewidmet haben. Sie zeigen den langen Weg zum Ruhm, denn die frühen, zahlreichen Versuche als Musiker und Schauspieler in den 1960er Jahren floppen allesamt. Erst Ziggy Stardust macht ihn zum Glamrock-Pionier und Weltstar. Mit schnellen Szenenwechseln und flexiblen, maximal verdichteten Panels, kurzen Dialogen und knappen Erklärungen geht es rasant durchs Leben, ohne vermeintlich abseitige Episoden und Anekdoten auslassen zu wollen (Stichworte: Haare, Augenbrauen, Kostüme), die wiederum ihren Teil beitragen zum besseren Verständnis dieses facettenreichen Kunstproduzenten (und -produkts).
Bowie, 2016 an Leberkrebs gestorben, ist als eklektischer Arbeiter zu sehen, der alles tut für den Erfolg, der nimmt, was er nur kriegen kann, der kopiert und adaptiert, fantasiert und konstruiert, kalkuliert und vermarktet. Als der Erfolg nach und nach kommt, regnet es im Comic erst Sterne, während er mit Marc Bolan den Song „The Prettiest Star“ aufnimmt, dann ist im Schaufenster ausgestellt, was an eigenen, mannigfachen Charakteren so vorzeigbar ist, irgendwann allerdings verschwimmen die natürlichen Grenzen künstlicher Werte. Bevor sich Bowie verliert in einem Alter Ego, schafft er ein neues. Ganzseitige Collagen deuten an, was noch passiert mit ihm und durch ihn nach dem Abschied von Ziggy Stardust. Aufbereitet alles im Stil der Zeit: Pop Art trifft Superhelden-Comic trifft Space-Age-Ästhetik.
Die Retro-Kulisse ist passend gewählt, sie spielt mit Verweisen und Zitaten und schafft schrille, bunte, bis ins Detail stimmige Tableaus. Das ist selbstverständlich auf Dauer ziemlich penetrant, wie es auch die ikonischen Motive als Massenware sind. Doch konsequent umgesetzt ist die extravagante Biografie in ihrer poppigen Einheit von Inhalt und Form allenthalben: als Superhelden-Verehrung ohne Wenn und Aber. Und Superhelden leiden nach alter Definition still, zeigen ihre Schwächen ungern bis gar nicht und machen immer eine gute Figur. Sie umgeben sich notgedrungen mit anderen Superhelden, weshalb im Bowie-Comic kaum welche ausgelassen werden – selbst diejenigen nicht, die mehr zufällig bei einem Konzert oder einer Party auftauchen. Namen? So viel Platz ist leider nicht mehr.
Info
Michael Allred, Steve Horton, Laura Allred: Bowie, Sternenstaub, Strahlenkanonen und Tagträume, aus dem Amerikanischen von Michael Schuster, Verlag Cross Cult 2020, 160 Seiten, 35 Euro (D)
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