Dänemark / Dänen rechnen bei Protesten auch mit eigener Politik ab
In Dänemark lassen die Unruhen in den USA auch einen Konflikt um die ehemalige Migrationsministerin Inger Stöjberg aufflammen.
„Sperrt sie ein“ wurde bei einer Solidaritätskundgebung für Afroamerikaner vor dem Parlament skandiert. Es ist die Wut gegen eine harte Ausländerpolitik, die Stöjberg lange personifizierte. Die Politikerin der bürgerlich-liberalen Partei „Venster“ war die Initiatorin des großen Abschreckungskurses für Asylsuchende der Mitte-rechts-Regierung unter Lars Lökke Rasmussen 2015 bis 2019. Seit Anfang Mai muss sie sich vor einem Untersuchungsausschuss des Parlaments verantworten: Um gegen muslimische Kinderehen vorzugehen, habe die heute 47-Jährige veranlasst, Ehepaare mit einer minderjährigen Tochter bei einem Asylgesuch zu trennen, so der Vorwurf. Dies ist nach dänischem Gesetz verboten, jeder Fall muss einzeln geprüft werden.
Die stellvertretende Vorsitzende von „Venster“ verstrickt sich derzeit in Widersprüche, gesteht, dass nicht alle Paare hätten getrennt werden sollten. Die Ausländerbehörde verweigert derzeit die Auskunft, ob Stöjberg eine entsprechende mündliche Anweisung gegeben habe, die Paare zu trennen. Schon vor den Protesten in den USA war es in Dänemark zu Kampagnen für und gegen die streitbare Bürgerliche gekommen. Bekannt wurde sie auch im Ausland durch ihren Zähler auf der Webseite des „Ministeriums für Ausländerpolitik und Migration“, der die Anzahl der Gesetzesverschärfung im Ausländerrecht anzeigte.
Mit Sprüchen wie „eine bedeutende Gruppe der Flüchtlinge, die nach Dänemark kommen, schummelt, betrügt und versucht, den dänischen Staat an der Nase herumzuführen“, sorgte sie für Aufsehen im Königreich, bekam jedoch auch viel Zustimmung. Denn bis auf kleine Linksparteien wird eine straffe Linie in der Asyl- wie Ausländerpolitik vom Gros der Parteien vertreten. Die Sozialdemokraten unter Mette Frederiksen gewannen im vergangenen Jahr unter anderem mit Vorstößen die Wahl, Asylzentren in Nordafrika zu errichten.
Strenge Asylgesetze mit Torte gefeiert
Doch niemand unter den etablierten Parteien verkörperte die Lust an der Provokation zum Thema Asyl so sehr wie Stjöberg, die etwa die 50. Verschärfung des Ausländerrechts mit einer Torte feierte. Nun hat sich ein breiter Kreis von Unterstützern gefunden, der ganzseitige Zeitungsseiten schaltet und zu Spenden auffordert – zur Verteidigung von Inger und dänischen Werten. Ihr straff gebundener rotblonder Haarknoten dient als Logo.
Initiatorin ist Pernille Vermund, Chefin der lautstarken Kleinpartei „Die Neuen Bürgerlichen“, die das Asylrecht gänzlich abschaffen will. Auch die weit größere rechte „Dänische Volkspartei“ trommelt mit. Die ehemalige Journalistin wird von ihr als Jeanne d‘Arc gefeiert. Die Mutterpartei „Venster“ hält sich eher zurück. Denn deren neuer Vorsitzender Jakob Ellemann-Jensen empfindet Stöjbergs konfrontativen Kurs als Ballast. Bezeichnenderweise hat sich mit dem Migrationsexperten Mads Fuglede nur ein prominenter Parteipolitiker zur Unterstützungskampagne bekannt.
Auf der anderen Seite hat sich mit Kare Harder Olesen ein Lokalpolitiker der Partei der Facebook-Gruppe „Dänen geben Stöjberg keine Unterstützung“ angeschlossen, der bereits mehr als 100.000 Personen beigetreten sind. Die weiteren Protestveranstaltungen „Black Lives Matter“ (das Leben von Schwarzen zählt), die in Dänemark geplant sind, drohen nun in eine Demonstration der Wut gegen die Person Stöjbergs zu geraten – und zu einer Abrechnung mit der Migrationspolitik des Landes.
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