Segen und Fluch zugleich„Glücklicherweise ist Luxemburg als Ausgeh-Nation bekannt“: Die Restaurants und Bars sind wieder offen

Segen und Fluch zugleich / „Glücklicherweise ist Luxemburg als Ausgeh-Nation bekannt“: Die Restaurants und Bars sind wieder offen
Normalerweise ist es im „Dimmi Si“ auf Belval kurz vor zwölf bereits rammelvoll, doch am ersten Tag der Wiedereröffnung bleiben noch viele Tische des italienischen Restaurants leer Foto: Laura Tomassini

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Es geht wieder los: Seit gestern dürfen Restaurants und Bars ihre Terrassen wieder öffnen, ab Freitag herrscht dann auch im Inneren der Lokale erneut Betrieb. Eine freudige Nachricht für den Horeca-Sektor, auch wenn sie doch für viele etwas kurzfristig kam. Plexiglaswände, plastifizierte Menükarten, Getränke – all dies musste nun im Schnelldurchlauf bestellt werden, denn in der „Pissenger Hütt“, dem „Wicki Beach“, den Cafés „Why Not“ und „The Ground“ sowie den Restaurants der „Dimmi Si“-Gruppe soll mit dem Sommerwetter auch wieder Leben einkehren.

Für die einen war es die langersehnte, erlösende Botschaft, anderen trieb sie prompt die nächsten Schweißperlen in den Nacken: Am Montag verkündete die Regierung die Wiedereröffnung von Restaurants, Bars und Clubs. Alles unter strengen Auflagen natürlich, denn auch wenn in Luxemburgs Gaststätten nun endlich wieder das Geschirr klappert und „Humpen“ über den Tresen gehen, ist die Corona-Krise noch nicht komplett überstanden. Doch offene Türen bedeuten Aufatmen für eine Branche, die es wohl mit am härtesten in den vergangenen Monaten getroffen hat.

Bereits wieder Gäste empfangen durften am Mittwoch all jene, die eine Terrasse an ihrem Lokal besitzen. Ein Vorteil, den sich auch die „Pissenger Hütt“ zunutze gemacht hat. Kurz vor Mittag standen im Restaurant mit Après-Ski-Flair die Gläser bereit und das Telefon klingelte mit ersten Reservierungen, denn nach zweimonatiger „Sortie“-Abstinenz liegt die Lust auf Nicht-Hausgekochtes auf der Hand. „Glücklicherweise ist Luxemburg als Ausgeh-Nation bekannt. Es wird zwar noch etwas dauern, bis alles wieder komplett normal läuft, aber Bedenken habe ich persönlich wenig. Unser Betrieb erfreute sich vor der Krise eines enormen Erfolges, weshalb sollte dies also nach Corona nicht mehr der Fall sein?“, meint Luc Frings, einer der Geschäftsführer zuversichtlich. 

Den Terrassen sei Dank

Mit den Maßnahmen der Quarantäne war der 55-Jährige von Anfang an einverstanden, einzig über die nun angekündigten zwei Tage der reinen Terrassenbedienung kann er nur den Kopf schütteln: „Ich weiß nicht, was diese retten sollen. Es ist einfach nur unfair denen gegenüber, die keinen Außenbereich besitzen.“ Mit seiner großen Fläche unter freiem Himmel kann sich das Restaurant in Pissingen über diesen Umstand nicht beklagen. Im Gegenteil zu den meisten Branchenkollegen hieß Frings die Schließung sogar teilweise willkommen: „Das Gute an all dem Schlechten ist, dass wir so unsere Terrasse komplett renovieren konnten. Im Normalfall hat man für so etwas nie Zeit und die Arbeiten ziehen sich über Monate. Nun war alles in 14 Tagen getan.“

Strom für Käse-Raclette, eine Bar direkt vor der Tür, plastifizierte Menükarten und QR-Codes als Bestellalternative – das Lokal hat für die Wiedereröffnung aufgerüstet. Lediglich drei Tische mussten den neuen Regelungen weichen, ansonsten ruft in der „Pissenger Hütt“ eh alles nach Separee. „Im Inneren befinden sich zwischen den Tischen sowieso Zwischenwände, sodass wir da nicht viel umbauen mussten“, sagt Frings. Anders sieht es in seinen weiteren Lokalen, dem Escher „Wicki Beach“ und dem Düdelinger Kultcafé „Why Not“ aus. Wo sich vor Corona die Massen tummelten, dürfen nun nur noch einige wenige an den Tischen Platz finden. Locker am Tresen gestanden wird in den Räumlichkeiten demnächst nicht mehr. „Das ,Why Not’ hat seit heute Morgen um 10.00 Uhr geöffnet, ab Freitag dürfen drinnen dann nur noch knapp 20 Personen sitzen. In Esch öffnen wir um 15.00 Uhr am Samstagnachmittag, hier dürfen die Gäste sich auf den Liegestühlen verteilen“, erklärt der 55-Jährige.

Luc Frings ist seit Jahren im Geschäft und sieht trotz Krise positiv in die Zukunft der „Pissenger Hütt“, des „Wicki Beach“ und des Kultcafés „Why Not“
Luc Frings ist seit Jahren im Geschäft und sieht trotz Krise positiv in die Zukunft der „Pissenger Hütt“, des „Wicki Beach“ und des Kultcafés „Why Not“ Laura Tomassini

Sommer 2020 nicht gecancelled

Von über 2.000 auf unter 300, so lautet die Bilanz für die erlaubten Strandbesucher in Esch. Auch auf große Events und Konzerte muss die Klientel wohl noch eine Weile verzichten, denn Menschenansammlungen dieser Art bleiben weiterhin unerlaubt. Doch Frings ist zuversichtlich, denn während alle anderen Veranstaltungen abgesagt werden mussten, ist „Wicki Beach“ quasi der einzige Ort, an dem der Sommer 2020 trotzdem stattfinden wird: „Die Leute bekommen bei uns wenigstens ein bisschen Urlaubsgefühl, auch wenn es nur artifiziell ist.“ Eine weitere gute Nachricht erhält Frings während des Interviews per Telefonanruf von einem seiner Geschäftspartner: „Auf Nachfrage hat uns die Covid-Hotline soeben mitgeteilt, dass Shisha-Rauchen wieder erlaubt ist. Es darf allerdings jeweils nur eine Person die Shisha benutzen und die Schläuche und Mundstücke müssen nach jedem Gebrauch gründlich desinfiziert werden, aber das ist für uns eine große Erleichterung.“

Weniger rosig ist die Aussicht auf das Ausfallen der alljährlichen „Fête de la musique“ in Düdelingen. „Das ist das Main Event in der Südstadt und die Verluste davon werden ein riesiges Loch hinterlassen, das wehtut“, so Frings. Normalerweise deckt sich der Gewinn der eintägigen Musikveranstaltung mit den Einnahmen eines gesamten Monats – eine „Perte“, die nur schwer aufzufangen ist. Und auch in den einzelnen Teams des Barbetreibers sorgt die Krise für Umstellung: „Unsere Leute waren zu 100 Prozent im ,chômage partiel’. Durch die Möglichkeit, diesen nun flexibel zu nutzen, können wir direkt wieder mit der vollständigen Mannschaft starten, allerdings werden die Arbeitsstunden heruntergefahren, da wir in einer ersten Phase noch keine ‚fräi Nuecht’ machen dürfen.“ Der Ausfall der verlängerten Schankzeiten stellt pro Wochenende Einnahmeeinbußen für sechs Stunden dar, also quasi die eines ganzen Tages.

Schon vor Start wieder Schluss

Drei Monate Pause, dies bedeutet für Lokalbesitzer zwei bis drei Jahre Arbeit, um die entstandenen Verluste wieder aufzufangen. Als langjähriges Mitglied des Horeca- und Nachtlebenmilieus lässt sich der Geschäftsführer allerdings nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen und hat vorgesorgt: „Da ich damit gerechnet habe, dass wir demnächst wieder öffnen dürfen, bin ich ein kleines Risiko eingegangen und habe schon am Sonntag unsere Bestellungen rausgegeben, um Engpässe zu vermeiden.“ Der Start in der „Pissenger Hütt“, dem „Wicki Beach“ und dem „Why Not“ ist also gesichert, doch es ist die Sorge um andere, die Frings zu schaffen macht: „Ich persönlich bin altersbedingt eher positiv eingestellt und sehe das Ganze mit einem Grinsen. Für junge Gastronomen, die ihr gesamtes Budget in ein neues Lokal investiert haben, oder Betriebe, die davor schon nicht so gut liefen, sieht die Situation allerdings ganz anders aus.“

Genau in diesem Fall sieht sich aktuell Carlos Fernandes. Seit 25 Jahren ist der DJ im Luxemburger Nachtleben aktiv, mit „The Ground“ wollte der 48-Jährige nun endlich sein eigenes Projekt starten. Doch einen Tag nachdem er das Go für seinen Club mit Barteil erhalten hatte, verkündete die Regierung die temporäre Schließung aller Horeca-Lokale. Ein Schock für Fernandes, der gerade die letzten Renovierungsarbeiten abgeschlossen und sein gesamtes Kapital in das neue Lokal gesteckt hatte: „Ich konnte kein einziges Bier verkaufen und habe auch kein Anrecht auf staatliche Hilfe, da ich ja bislang noch keinen Umsatz gemacht habe, musste gleichzeitig allerdings meine Miete bezahlen. Zum Glück hatte ich noch kein Personal eingestellt, sonst würde die Situation jetzt noch schlimmer aussehen.“

Zu wenig Zeit für Vorbereitungen

Für den Barbesitzer ist auch die Ankündigung der Wiedereröffnung kein Geschenk – im Gegenteil, denn bei kleinen Räumlichkeiten ohne Außenbereich sind die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände entweder nur schwer einzuhalten oder aber bedeuten den Verzicht auf einen Großteil der sonst anwesenden Kundschaft. „Ich weiß nicht, ob es sich da überhaupt lohnt, zu öffnen“, meint Fernandes. Der Clubbetreiber ist aufgebracht, vor allem die Kurzfristigkeit der Entscheidung der Regierung macht ihm zu schaffen: „Ich habe das Problem, dass ich Kunde bei einer Brauerei bin, die über 3.000 Klienten hat und mir so nicht garantieren kann, dass ich bis zum Wochenende meine Getränke erhalte. Es ist einfach alles viel zu schnell über die Bühne gegangen, einen Betrieb kann man nicht von heute auf morgen öffnen. Es müssen Vorbereitungen getroffen werden, die Maschinen gereinigt und Bestellungen abgegeben werden, das braucht alles Zeit.“

Die Bar und Tanzfläche von „The Ground“ in Hollerich wird wohl noch eine Weile leer bleiben, denn für Betreiber Carlos Fernandes gestaltet sich der Start als schwierig
Die Bar und Tanzfläche von „The Ground“ in Hollerich wird wohl noch eine Weile leer bleiben, denn für Betreiber Carlos Fernandes gestaltet sich der Start als schwierig Foto: privat

Auch die Tatsache, dass in der Hollericher Straße die Arbeiten weiterhin den Verkehr unterbrechen und die Hälfte der Fahrbahn von einem riesigen Loch gezeichnet ist, ist für das Lokal direkt neben der Konzerthalle „den Atelier“ kein Zuckerschlecken. „Ich darf nicht mal vor meiner eigenen Tür parken, um Ware abzuladen“, sagt Fernandes. Die geplanten Afterworks, Musikabende und Elektropartys liegen für den Clubbesitzer so noch in weiter Ferne. Wann er öffnen wird, weiß Fernandes bis dato nicht. Um die kommende Zeit trotz allem zu überstehen, hofft er auf die Solidarität innerhalb des Sektors und seitens der Lokaleigentümer. „Ich habe Glück, dass meine Miete nicht allzu hoch ist und mein Vermieter mir einen Monat der Bezahlung erlassen hat, meine ganze Existenz hängt an diesem Lokal, und wenn es so weitergeht, dann wird es für mich richtig brenzlig.“

Entlassungen mit allen Mitteln verhindern

Eine Krise für viele befürchtet ebenfalls Vito Leoci, einer der Geschäftsführer der italienischen Restaurantkette „Dimmi Si“. Mit insgesamt sechs Lokalen, unter anderem auf Belval, in Mersch, Mondorf und Niederkorn, beschäftigt die Gesellschaft rund 160 Mitarbeiter – allesamt bis Mittwoch im „chômage partiel“. Durch die durchschnittlich große Fläche der Restaurants bereiten die Sicherheitsabstände dem Team von „Dimmi Si“ weniger Sorge, vorrangig ist für die Geschäftsleitung die Sicherung der Arbeitsplätze. „Als Restaurateure können meine Geschäftspartner und ich auf unsere Löhne verzichten, wenn wir bis Ende des Jahres nichts verdienen, dann ist das halt so. Aber wir haben alle in den 30 Jahren unserer Karriere viele Opfer gebracht und geschwitzt, um etwas aufzubauen, und besonders jetzt, am Ende meiner beruflichen Laufbahn, wäre es eine enorme Niederlage, wenn ich nun Leute entlassen müsste. Das wollen wir mit allen Mitteln verhindern, denn an jedem Mitarbeiter hängt eine ganze Familie“, so Leoci.

Vito Leoci ist einer der Geschäftsführer der „Dimmi Si“-Restaurantkette und sorgt sich um die Zukunft des Sektors
Vito Leoci ist einer der Geschäftsführer der „Dimmi Si“-Restaurantkette und sorgt sich um die Zukunft des Sektors Foto: Laura Tomassini

Um püntklich zum Start am Mittwoch eröffnen zu können, liefen die Vorbereitungen in den letzten Tagen auf Hochtouren. Verspäten wollte man sich auf keinen Fall, denn jede Einnahme ist überlebenswichtig. Zu den Umstellungen für Corona-Zeiten gehören neben dem Auseinanderrücken von Tischen und Bänken – künftig sind nur noch Gruppen von vier bzw. sechs Personen bei Familienmitgliedern erlaubt – bei „Dimmi Si“ ebenfalls das Einführen von Papier-Menükarten in Form von Tischsets sowie die Nutzung von Papier- statt Stoffservietten. Doch auch wenn in den Restaurants alles für die Gäste bereit ist, zeigen sich die Nebeneffekte der Quarantäne bereits von außen. „Normalerweise wäre es bei uns hier auf Belval kurz vor zwölf schon gerammelt voll. Jetzt sind allerdings nur einige Tische besetzt und durch die vorgeschriebenen Abstände werden automatisch auch die Sitzplätze reduziert“, so Leoci.

Dominoeffekt befürchtet

Die Hilfe vom Staat erlaubt es den Gastronomen, einen kleinen Puffer zu erhalten, doch auch nach der Wiedereröffnung wird nicht das gesamte Personal gebraucht, sodass ein Teil weiterhin in Kurzarbeit verweilt. Andere Mitarbeiter fallen hingegen ganz aus, wie Leoci erklärt: „Dadurch dass die ‚Crèches’ nicht mehr so viele Kinder annehmen dürfen und der ‚Congé collectif’ stattfindet, müssen viele Leute zu Hause bleiben und fehlen so in unseren Mannschaften. Wir sind von den Maßnahmen in anderen Sektoren direkt mitbetroffen, sowohl beim Personal als auch bei der Kundschaft, da noch immer viele im Home-Office arbeiten und dann mittags nicht ins Restaurant gehen. Das hat alles Auswirkungen auf unsere Planung.“

Die Probleme der Horeca-Branche werden zwar durch die Wiedereröffnung der Lokale weniger, spüren wird die Gastronomie sie dennoch lange. „Alle haben viel Urlaub und Überstunden angehäuft und wir müssen versuchen, die Situation zu meistern. Eventuell werden wir, wenn alles wieder einigermaßen gut läuft, einige Leute mit befristeten Arbeitsverträgen einstellen, um so die Lücken zu füllen, die durch die ‚Congés’ entstehen. Bis sich das Ganze allerdings eingependelt hat, wird es noch dauern“, so Leoci. Auch Luc Frings kann dieser Analyse der Situation nur zustimmen: „Es ist ein spannender Moment für unseren Sektor und es steht viel Organisation auf dem Programm. Es bleibt nur zu hoffen, dass der Sommer uns nicht mit schlechtem Wetter überrascht, denn sonst wird es für so mache richtig eng.“

Nomi
28. Mai 2020 - 11.11

Mol eng Fro : Ass sechergestallt datt d'Glieser an den Bistro'en och emmer warm gespullt (deinfizei'ert) ginn fir den naechsten Client ! Ech hun meng Zweifel !

J.Scholer
28. Mai 2020 - 10.09

Schöne Umschreibung der Spaßgesellschaft „Ausgeh -Nation“.„Den Letzebuerger soll emol erem mat den Féiss op den Bueden kommen, well d’Pandemie ass net um Enn an et kéint een emol ferm mat der Schness bailaafen.“