Facebook-Experiment„Kein traditioneller Verlag würde jemals solche Anzeigen schalten“

Facebook-Experiment / „Kein traditioneller Verlag würde jemals solche Anzeigen schalten“
Verschwörungstheoretiker haben auf Facebook immer noch Narrenfreiheit Foto: Responsible Technology Australia

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Ein australischer Thinktank zeigt in einem Experiment auf, wie einfach es ist, Falschnachrichten über Facebook zu verbreiten. Obwohl das soziale Netzwerk Maßnahmen versprochen hat, haben Verschwörungstheoretiker dort nach wie vor Narrenfreiheit.

Mit dem Ausbruch der Pandemie ist auch eine Infodemie ausgebrochen und die erweist sich als ebenso ansteckend wie das eigentliche Virus. Wilde Verschwörungstheorien, Fehlinformationen und erfundene Nachrichten wurden in den vergangenen Wochen zuhauf über soziale Medien verbreitet.

So ist Covid-19 weder eine Erfindung der Medien, noch wird die Viruserkrankung durch das 5G-Netzwerk verursacht. Zwiebeln oder Sonnenlicht heilen die Krankheit nicht und sie ist auch keine Verschwörung von Bill Gates. Letzteres halten in Australien laut einer Umfrage des Meinungsforschungs-Unternehmens Essential inzwischen 13 Prozent aller Befragten für wahr.

Eigentlich haben Facebook, Twitter und auch Google versprochen, verstärkt gegen solche Fehlinformationen im Netz vorzugehen. Erst vergangene Woche betonte Facebook-Chef Mark Zuckerberg in einem BBC-Interview, dass er keinesfalls wolle, dass Falschinformationen zu viralen Inhalten auf seiner Plattform würden. Und er beteuerte, Facebook würde Fake News sofort entfernen.

Guter Wille allein nicht ausreichend

Doch leider sieht die Realität anders aus, wie ein australischer Thinktank nun in einem Experiment aufzeigte. Responsible Technology Australia (RTA) kreierte dafür ein erfundenes Medienunternehmen namens Ozzie News Network. Über diese Seite platzierte RTA über zwei Monate hinweg eine Reihe von Anzeigen, die von Facebook überprüft und bewilligt wurden. Um keinen echten Schaden mit den Nachrichten anzurichten, wählte der Thinktank einen engen Kreis aus Nutzern als Empfänger auf, die von dem Experiment wussten.

Unter den falschen Meldungen waren Covid-19-Ratschläge wie das 5G-Netzwerk als Schutz gegen die Krankheit auszuschalten, mehr Wasser zu trinken oder täglich 30 Minuten an die Sonne zu gehen. Eine weitere Falschnachricht kreierte das Bild, dass das australisch-indonesische Freihandelsabkommen nur ein Vorwand sei, um eine Masseneinwanderung von Jakarta nach Australien zu ermöglichen, eine dritte behauptete, das 5G-Netzwerk würde der australischen Polizei ermöglichen, Bürger über ihre Telefone auszuspionieren. Mehrere Anzeigen zielten darauf, Bürger vom Wählen abzuhalten.

Trotz der abstrusen Inhalte der Falschnachrichten und dem Fakt, dass sich keine der Meldungen in einem seriösen Medium wiederfand, gingen die Nachrichten bei Facebook durch. „Kein traditioneller Verlag oder Sender würde jemals solche Anzeigen schalten“, sagte Chris Cooper, der den australischen Thinktank leitet. Zudem habe Facebook die Nachrichten nicht nur überprüft und genehmigt, sondern sie selbst dann nicht entfernt, als sie wiederholt als Fehlinformationen gemeldet wurden. Erst als ein australisches Medium über das Experiment berichtete und Facebook um ein Statement bat, verschwand die Werbung.

Mehr Transparenz notwendig

„Wir gehen aggressiv gegen Fehlinformationen über Covid-19 vor und haben Teams im Unternehmen, die sich nur darum kümmern“, rechtfertigte sich ein Facebook-Sprecher gegenüber News.com.au, das auf die Fake News hinwies. „Wir haben Millionen von Fehlinformationen mit Warnhinweisen versehen und Inhalte entfernt, die zu unmittelbarem Schaden führen können.“ Doch trotz dieser Teams gingen die Anzeigen von RTA durch, obwohl sie dem klassischen Schema von Verschwörungstheorien und Falschnachrichten entsprachen, die meist mit den Ängsten der Menschen spielen.

Cooper betonte, dass das bisherige Engagement Facebooks in keinem Fall ausreiche. Die Verantwortung könne nicht allein beim Nutzer liegen, sagte der Experte. Schließlich pflege Facebook das Material und profitiere davon. „Da sollte es auch Verantwortung übernehmen“, meinte er. Deswegen fordert er mit seinem Thinktank mehr Transparenz von dem sozialen Medium. Einen Vorschlag unterbreiteten die Experten dafür auch: Als ersten Schritt könnte Facebook eine Liste der beliebtesten viralen Posts veröffentlichen, die klar darauf hinweise, welche frei erfunden sind, schrieben die Australier.

J.C.Kemp
28. Mai 2020 - 8.58

Ich frage mich, wie viele Leute ihr Smartphone mit dem Hammer traktieren würden, wenn man ihnen erzählt, dass mit 5G auch ein ausgeschaltetes Telefon immer noch geortet werden kann und auch zuhören wird. Wenn die Menschheit an etwas zugrunde gehen wird, ist es die eigene Dummheit. Da bin ich ganz zuversichtlich.