SpanienStreit überschattet zehntägige Staatstrauer – 3.000 Deutsche sollen Mallorca testen

Spanien / Streit überschattet zehntägige Staatstrauer – 3.000 Deutsche sollen Mallorca testen
Alle Flaggen auf halbmast und eine schwarze Schleife: In Spanien hat eine zehntägige Staatstrauer begonnen  Foto: AFP/Gabriel Bouys

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Spanien ist in die längste Staatstrauer eingetreten, die es als Demokratie bislang kannte. Konservative und Rechtsextreme überschatten das Gedenken mit einem politischen Streit. Was den Tourismus angeht, hat Mallorca ganz eigene Pläne.  

Alle Flaggen auf halbmast, ganz Spanien stand still: Mit einer Schweigeminute um 12 Uhr mittags begann in dem südeuropäischen EU-Land eine ungewöhnliche zehntägige Staatstrauer für die Covid-19-Opfer. Auch die spanische Königsfamilie stand für die Nation auf.

König Felipe (52), Königin Letizia (47), Kronprinzessin Leonor (14) und ihre Schwester Sofía (13), alle in schwarz gekleidet, traten am Mittwochmittag vor den königlichen Wohnsitz – den modernen Zarzuela-Palast. Er liegt in einem weitläufigen Naturpark am nördlichen Rand der spanischen Hauptstadt Madrid.

Es ist die längste offizielle Trauerzeit, die je im demokratischen Spanien angeordnet wurde. Nach den schweren Terroranschlägen, die 2004 Madrid und 2017 Barcelona erschütterten, waren drei Tage Staatstrauer verhängt worden. Alle offiziellen Fahnen des Landes hängen nun bis zum 5. Juni auf halbmast. Vielerorts weht zusätzlich eine schwarze Trauerschleife am Mast.

Spanien gehört mit mehr als 27.000 durch Krankenhaus-Tests bestätigten Corona-Toten zu den am schlimmsten betroffenen Ländern Europas. Hinzu kommen tausende Todesopfer, die in spanischen Altenheimen oder zu Hause starben und nicht in der amtlichen Statistik auftauchen. Schätzungen zufolge starben seit Ausbruch der Pandemie allein in spanischen Seniorenheimen rund 18.000 Bewohner, sodass die Gesamtzahl der Covid-19-Toten bei wenigstens 45.000 liegen könnte. Damit wäre Spanien das europäische Land mit den meisten Epidemie-Opfern. Nach Angaben der Regierung waren 80 Prozent der Toten älter als 70 Jahre.

Extreme Rechte fordert Rücktritt

Die meisten erkrankten Heimbewohner erhielten keine ausreichende ärztliche Hilfe, da viele Krankenhäuser auf dem Höhepunkt der Epidemie überlastet waren und eine Aufnahme von älteren Senioren ablehnten. Die Hospitäler erklärten dies mit den Prinzipien der Katastrophenmedizin, nach der Patienten mit geringeren Überlebenschancen bei knappen medizinischen Ressourcen gar nicht oder nur mit Schmerzmitteln behandelt werden.

„Die Toten verdienen unser Gedenken“, erklärte Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez. „Sie verdienen aber auch unsere Eintracht“, sagte er im Hinblick auf die nicht endenden Attacken der konservativen Opposition, welche die Corona-Krise gnadenlos ausschlachtet, um die Regierung zu schwächen.

Pablo Casado, Chef der konservativen Volkspartei, wirft Sánchez Fehleinschätzungen vor und sagt, der Premier habe im Kampf gegen Corona viel zu spät reagiert. Die rechtspopulistische Bewegung Vox, drittgrößte Fraktion im Parlament, fordert sogar den Rücktritt der Regierung.

Sánchez räumt Fehler ein: „Wir haben in einigen Punkten richtig gehandelt und in anderen haben wir uns geirrt.“ Hinterher sei man immer klüger. Aber niemand könne bestreiten, dass die Corona-Politik mit den Mitte März verhängten Ausgangsbeschränkungen entscheidend dazu beigetragen habe, die Epidemie zu kontrollieren. Sánchez: „Das Schlimmste haben wir hinter uns.“

3.000 Deutsche testen Mallorca

Nach der offiziellen Statistik ist die Zahl der Neuansteckungen in Spanien stark gesunken. Derzeit werden nur noch einige hundert Infektionsfälle pro Tag gemeldet. Insgesamt wurden seit Beginn der Epidemie rund 236.500 durch Tests bestätigte Krankheitsfälle und 27.150 Tote registriert. Nach einer repräsentativen Studie der Regierung liegt die wirkliche Zahl der Infektionsfälle im Land aber bei 2,3 Millionen.

Wegen der allgemeinen Besserung der Lage kündigte die Regierung an, dass spätestens am 1. Juli wieder ausländische Touristen ins Land kommen können. Die bisherige Quarantänepflicht für Einreisende soll bis dahin wegfallen.

Mallorca, wo die Epidemie leichter verlief, will sogar schon in der zweiten Juni-Hälfte wieder die ersten internationalen Touristen empfangen. Dann soll mit 2.000 bis 3.000 Urlaubern vor allem aus Deutschland getestet werden, ob die Anti-Corona-Maßnahmen funktionieren, kündigte die regionale Regierungschefin Francina Armengol am Mittwoch an. Mallorca soll so zum Versuchslabor für ganz Spanien werden.