Centre d’égalité de traitementVon der Politik im Stich gelassen

Centre d’égalité de traitement / Von der Politik im Stich gelassen
Schwerwiegende Mängel wurden bei der Konferenz „Being Black in Luxembourg“ offenbart. Darunter auch der Umstand, dass das CET kaum Mittel hat, um seiner Mission gerecht zu werden. Passiert ist seitdem aber nichts.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Mittel, Sichtbarkeit, Kompetenzen, Gewicht und Bedeutung: Dem „Centre d’égalité de traitement“ (CET) fehlt es derzeit an vielem. So werden im Gespräch mit betroffenen Vertretern der Zivilgesellschaft immer wieder die gleichen Kritiken laut. Unter dem Strich fehlt es dem Zentrum für Gleichbehandlung vor allem aber an der nötigen Unterstützung von oben, um im Kampf gegen Diskriminierung auch wirklich ernst genommen zu werden.

Das weiß auch Direktorin Nathalie Morgenthaler, die sich seit Jahren dafür einsetzt, dass das CET von den Entscheidungsträgern als wichtiger Partner wahrgenommen wird. Mit teils ernüchternden Ergebnissen, wie die Leiterin des staatlichen Zentrums für Gleichbehandlung gegenüber dem Tageblatt verrät: „Man wird einfach nicht wahrgenommen!“, so Morgenthaler. Damit bestätigt die Leiterin des CET auch die Kritik, die 21 Vertreter der Zivilgesellschaft zuletzt in einem offenen Brief an Premierminister Xavier Bettel und Chamber-Präsident Fernand Etgen (beide DP) geäußert hatten.

Aus dem Schreiben geht ganz klar hervor, dass es dem CET an den nötigen Kompetenzen und Mitteln fehle, um gegen Diskriminierung und Ungerechtigkeiten im Alltag vorgehen zu können. Geschaffen wurde das „Centre“ im November 2006 mit dem Ziel, „die Gleichbehandlung aller zu fördern, zu analysieren und zu beobachten beziehungsweise eine Diskriminierung aufgrund von rassischer oder ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion oder Glaubensbekenntnis, Behinderung oder Alter zu verhindern“. So weit die Mission des Zentrums auf dem Papier.

In der Praxis aber mutiert die Aufgabe des CET gerne zum Kampf gegen Windmühlen. Tatsächlich wurde es vor allem auf Druck der EU ins Leben gerufen, um Auflagen einer Direktive erfüllen zu können. „Eine richtige Seele aber hat das Zentrum nie erhalten“, unterstreicht Gilbert Pregno, Präsident der „Comission consultative des droits de l’Homme“ (CCDH). Die Luxemburger Menschenrechtskommission ist nur eine von 21 Organisationen, die den offenen Brief unterzeichnet haben. Getragen wird das Schreiben unter anderem noch von der ASTI, dem LCGB, CLAE, Info Handicap, dem nationalen Frauenrat und dem Ombudsmann für Kinderrechte.

Ein Rassismusproblem

„Das CET hat nur wenige Mittel. Sein Wirkungsbereich ist eingeschränkt“, wiederholt Pregno Kritiken, die auch schon auf höchster internationaler Ebene geäußert wurden. Wie etwa von Michael O’Flaherty, dem Direktor der EU-Agentur für Menschenrechte, der das CET im November 2019 während der Konferenz „Being Black in Luxembourg“ mit einem zahnlosen Tiger verglich. Eingeladen hatte damals unter anderem auch das CET. Und das, um einen sehr spezifischen Missstand in der Luxemburger Gesellschaft anzuprangern.

Tatsächlich hatte die ein Jahr zuvor veröffentlichte Studie mit dem Titel „Being Black in the EU“ verstörende Resultate offenbart: In einem Land, das sich gerne als Paradebeispiel von Integration und Interkulturalität präsentiert, hatte jeder zweite Mitbürger schwarzer Hautfarbe angegeben, in den letzten fünf Jahren rassistisch beleidigt worden zu sein. Rund 70 Prozent der Befragten gaben sogar an, wegen ihrer Hautfarbe und Herkunft benachteiligt worden zu sein. „Die Situation in Luxemburg ist äußerst besorgniserregend“, so der Direktor der Agentur für Menschenrechte. 

Dennoch blieb der große Aufschrei in der Bevölkerung aus. Und auch die Politik scheint nicht weiter wahrnehmen zu wollen, dass das Großherzogtum ein Problem mit Rassismus hat. Bis auf zwei parlamentarische Anfragen und beschwichtigende Antworten der Ressortministerin Corinne Cahen, haben die gewählten Volksvertreter von der Studie kaum Notiz genommen. Am Status des CET hat sich in der Zwischenzeit auch nichts geändert.

Durchwachsene Bilanz

Ein Umstand, den die 21 Unterzeichner des offenen Briefes so nicht hinnehmen wollen. In ihrem Schreiben beziehen sie sich auf die besagte Konferenz, um die Adressaten zum Handeln zu bewegen und das CET mit den nötigen Mitteln und Kompetenzen auszustatten. Dabei beziehen sich die Vertreter der Zivilgesellschaft auf die Empfehlungen der „Commission européenne contre le racisme et l’intolérance“ (ECRI), die Luxemburg im Kampf gegen Diskriminierung nur eine durchwachsene Bilanz ausstellt.

Den Luxemburger Behörden rät die EU-Agentur, das CET mit mehreren Kompetenzen auszustatten. So soll das Zentrum etwa Klagen führen können und die nötigen Mittel erhalten, um eigene Ermittlungen durchführen zu können. Tatsächlich hat das CET aktuell zwar das Recht, Informationen und Dokumente einzufordern, allerdings besteht auf der Gegenseite keine Pflicht, diese auch auszuhändigen.

Dass das CET ein durchaus gefragter Partner im Kampf gegen Diskriminierung ist, zeigt der Jahresbericht von 2019: 155 Fälle wurden letztes Jahr bearbeitet. Ein neuer Rekord. An erster Stelle stehen Beschwerden im Zusammenhang mit dem Diskriminierungsmotiv „Behinderung“. An zweiter Stelle folgen Diskriminierungen aufgrund der „tatsächlichen oder vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer Rasse oder ethnischen Gruppe“. In fast zwei Dritteln aller Fälle sei das CET in der Lage gewesen, das Problem des Antragstellers zu lösen. Allerdings zogen sich auch ein Fünftel der Kläger im Laufe der Prozedur wieder zurück.

„Oft fürchten die Antragsteller Repressalien“, begründet Nathalie Morgenthaler die Sorgen der Kläger. Dabei versuchen die Mitarbeiter des Zentrums, stets diskret mit den Fällen umzugehen. Auch in der Herangehensweise setzen die Mediatoren an erster Stelle auf Behutsamkeit: „Wir versuchen immer, gemeinsam eine Antwort auszuarbeiten. Es nützt ja nichts, den Vorschlaghammer auszupacken. Vor allem, wenn die Antragsteller die Angelegenheit im Guten regeln wollen“, so die Leiterin des CET.

In vielen Fälle reiche ein Sensibilisierungsschreiben. „Um die Person, von der die Diskriminierung ausgeht, aufzuklären“, so Morgenthaler. Denn: „Viele Menschen kennen ihre Rechte und Pflichten nicht.“ Und das auf beiden Seiten. Mit dieser Herangehensweise habe man gute Erfahrungen gemacht. Leider fehlten dem CET die Kompetenzen, um Antworten einfordern zu können. „Wir hatten bereits Fälle, die sich über Monate gezogen haben“, erinnert sich Morgenthaler. Vor allem, wenn das CET von staatlicher Seite schlichtweg ignoriert wird.

Es sei frustrierend, wenn das CET von den Behörden nicht ernst genommen werde. Etwa wenn es in einer Antwort lapidar heiße, dass diese oder jene Empfehlung nicht im Koalitionsabkommen vorgesehen sei. „Oft heißt es, dass man sich des Problems bei der nächsten Überarbeitung des Gesetzes annimmt. In diesem besonderen Fall aber wurde es von vornherein einfach abgelehnt. Mit der Begründung: Steht nicht drin, machen wir nicht“, so Morgenthaler.

Ein Schlag ins Gesicht

Solche Antworten empfindet die CET-Direktorin als regelrechte Ohrfeige, vor allem da das CET von staatlicher Seite eingesetzt wurde. Jedoch hat die Politik bereits bei der Schaffung des CET nicht unbedingt Weitsicht bewiesen. Wurden ähnliche Zentren in anderen europäischen Ländern mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet, wurden in Luxemburg nur die minimalen Empfehlungen der EU-Direktive eins zu eins übernommen. So listet das Gesetz im Großherzogtum etwa nur jene sechs Diskriminationsmotive auf, die auch im EU-Text vorgesehen sind. Frankreich hat jedoch deren 23.

In Schweden hat das Zentrum für Gleichbehandlung auch das Recht, außergerichtliche Vermittlungen zu leiten und Geldstrafen zu verhängen. „In anderen EU-Staaten gingen die Behörden weit über die Mindestanforderungen hinaus. In Luxemburg aber schien der Wille nicht vorhanden zu sein“, bedauert Nathalie Morgenthaler. Auch haben die Zentren im EU-Ausland weitaus mehr Sichtbarkeit, zum Beispiel mit namhaften Vorsitzenden aus Wirtschaft und Politik. In Luxemburg wissen viele Bürger nicht einmal, dass sie sich bei Problemen ans CET wenden können.

Bei der Schaffung des CET war auch vorgesehen, dass das Zentrum – wie ähnliche Einrichtungen auch – bei der Ausarbeitung von Gesetzen und Anordnungen zurate gezogen wird. Seit der Gründung des Zentrums aber wurde das CET nur zweimal um ein Gutachten gebeten. „Man wird einfach nicht wahrgenommen“, wiederholt Morgenthaler ihre Kritik.

Besonders frustrierend aber sei es, wenn Existenzen auf dem Spiel stünden, betont die Direktorin des Zentrums für Gleichbehandlung. Sie sei es gewohnt, Antworten einzufordern, mit Behörden zu verhandeln und immer wieder nachzuhaken. „Das ist mein Job. Ich habe kein Problem damit“, so Morgenthaler. Für Opfer von Diskriminierung sei es allerdings ein weiterer Schlag ins Gesicht, wenn sie nicht wahrgenommen würden.