Luxemburger KinderärzteDeshalb sollen Kinder trotz Virus wieder zur Schule

Luxemburger Kinderärzte / Deshalb sollen Kinder trotz Virus wieder zur Schule
Die Kinderärzte Isabel de la Fuente Garcia und Fernand Pauly sind sich im Webinar einig, dass das Risiko für Kinder, sich in der Schule anzustecken, gering ist Foto: Eric Rings

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Drei Kinderärzte vom „Centre hospitalier“ in Luxemburg sprechen sich dafür aus, die Kinder wieder in die Schule zu schicken. Ist das Virus wirklich weniger gefährlich für Kinder als für Erwachsene? Sind Kinder mit spezifischen Bedürfnissen nun einem großen Risiko ausgesetzt? Auf diese und andere Fragen haben die drei Pädiater Antworten gegeben.

Dr. Isabel de la Fuente Garcia ist Kinderärztin und spezialisiert auf Infektionskrankheiten. „Die aktuelle Datenlage zeigt, dass Kinder weniger krank werden, und wenn sie krank werden, ist das viel weniger gravierend, als es bei Erwachsenen der Fall ist“, so de la Fuente. Die schweren Krankheitsverläufe von Covid-19 seien vor allem bei älteren Menschen möglich.

Am Mittwoch hatte das Bildungsministerium in Zusammenarbeit mit Radio 100,7 eine Gesprächsrunde zum Thema „Zeréck an d’Schoul – Kleng Kanner a Kanner mat spezifesche Besoinen“ in Form eines Webinars ausgestrahlt. Neben de la Fuente nahmen zwei weitere Pädiater des CHL teil: Dr. Fernand Pauly, spezialisert in der körperlichen und geistigen Entwicklung der Kinder, und Dr. Jean-François Vervier, Kinderpsychiater.

Die aktuelle Datenlage zeigt, dass Kinder weniger krank werden, und wenn sie krank werden, ist das viel weniger gravierend als es bei Erwachsenen der Fall ist

Dr. Isabel de la Fuente Garcia, Kinderärztin

Die letzten Zahlen (Standpunkt Dienstag) zeigen, dass es bislang in Luxemburg keinen Todesfall in Bezug auf Covid-19 bei den unter 20-Jährigen gab. Ein junger Patient unter vier Jahren wird in „soins normaux“ behandelt, zwei Patienten zwischen 10 und 19 Jahren in „soins intensifs“. Bei den unter 15-Jährigen gibt es sehr wenige aktive Infektionsfälle.

Pauly kann bestätigen, dass die Kollateralschäden vom Nicht-in-die-Schule-Gehen zu diesem Zeitpunkt größer sind als das Gesundheitsrisiko bei einer Rückkehr in den Unterricht. „Ich verstehe aber die Leute, die Eltern oder Großeltern, die sich Sorgen machen.“ Aber die Sorgen sollte man in einer Verhältnismäßigkeit sehen. „In der ganzen Saison hatten wir zehn Nächte, in denen das Krankenhaus von Kindern als Covid-Patienten besetzt war. Das ist eine von 1.000 Nächten. Es gibt immer Kinder, die in Lebensgefahr sind und es gibt immer Kinder, die sterben“, sagt Pauly. Aber die allermeisten Kinder, die schwer krank sind, haben kein Covid.

Autoaggressives Benehmen bei Kindern

Die Verhältnismäßigkeit könne man anhand der Zahlen auf der Webseite der US-amerikanischen Kinderärzte sehen. Dort werde als erster Punkt für Krankenhausbehandlungen bei Kindern nicht etwa Covid-19 aufgeführt, sondern autoaggressives Benehmen mit einem Plus von 330 Prozent. Punkt zwei sind 145 tote Kinder durch den Grippevirus, was auf den harten Winter zurückzuführen sei. Pauly bemerkt, dass es gegen die Grippe eine Impfung gibt. Erst ein paar Zeilen weiter unten würden die Covid-Fälle erscheinen. Das seien drei bis vier Tote, die wahrscheinlich durch das Coronavirus bedingt seien.

„Jedes schwerkranke Kind ist sehr wichtig, aber wir müssen in der Proportionalität bleiben“, schlussfolgert Pauly. „Andererseits haben wir Kinder, die durch den Lockdown verkümmern oder die untergetaucht sind.“ Er berichtet vom Fall eines 15-jährigen Mädchens, das mit 2,2 Promille Alkohol im Blut eingeliefert wurde. Pauly nennt Kinder, wo Mütter in einem solchen Stress leben, weil sie sich in einer virtuellen Panik befinden und auf der Suche nach irgendeiner Normalität sind. Zu dieser Normalität gehöre die Schule. „Kinderärzte vieler Länder haben das gleiche Statement gemacht wie wir.“

Wir sind alle verletzlich, wenn wir einer komplizierten oder schwierigen Umgebung ausgesetzt sind. Deswegen ist die Rückkehr in die Schulen wichtig.

Jean-François Vervies, Kinderpsychiater

Der Kinderpsychiater Dr. Jean-François Vervier wirft das Wort Vulnerabilität in die Gesprächsrunde. Das Wort werde in der Pandemie stets einseitig gebraucht. Im Sinne einer besonderen Gefährdung, sich anzustecken. Doch das Wort könne auch anders genutzt werden. „Wir sind alle verletzlich, wenn wir einer komplizierten oder schwierigen Umgebung ausgesetzt sind.“ Die Wirkung der Isolierung sei nicht zu vernachlässigen. „Deswegen ist die Rückkehr in die Schulen wichtig“, so Verviers.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind im „Préscolaire“ seine Lehrerin ansteckt, sei gering, sagt de la Fuente. „Durch die Beobachtungen, die wir seit Anfang der Krise machen konnten, können wir sagen, dass Kinder weniger ansteckend sind.“ Das Ansteckungsrisiko von Covid-19 bei Kindern sei zudem viel schwächer als jenes bei anderen Viren, wie beispielsweise der Influenza, also der Grippe. Letzteres sei für Kinder viel gravierender und tödlicher. „Man weiß auch, dass Kinder, die die Influenza haben, sehr ansteckend sind. Kinder sind bei der Grippe die Hauptüberträger. Beim Coronavirus ist es genau umgekehrt“, sagt de la Fuente.

Kein Cluster von Infizierten in „Crèches“

Pauly nennt das Beispiel der „Crèches“, die während des Lockdowns geöffnet hatten, um die Kinder des Gesundheitspersonals zu betreuen. „Hier gab es kein Cluster von Infizierten, weder Kinder noch Betreuer“, so Pauly. „Die Betreuer hatten weder einen Schutzanzug noch eine ,Visière’ an und sie haben die Kinder auf den Arm genommen und sie getröstet.“ Auch die Sicherheitsmaßnahmen, die die „Santé“ zusammen mit dem Bildungsministerium für die Schulen festgelegt haben, würden ein sehr hohes Niveau an Schutz gegen Covid-19 bieten. Wenn man nun sehen würde, dass manche Maßnahmen zu streng seien und nicht mehr notwendig, könne man diese wieder zurücknehmen, so Pauly.

Das Risiko, dass ein Kind sich in der Schule mit dem Coronavirus infiziert, bleibt laut Fuentes gering. In anderen Ländern habe man die Kontakte der Kinder, die positiv getestet wurden, per Tracing zurückverfolgt. Bei den Kindern in der gleichen Gruppe habe man praktisch keine weiteren positiven Fälle gefunden. Das Ansteckungsrisiko untereinander sei bei Kindern demzufolge minimal. Auch das Risiko, sich durch Anfassen von Spielsachen oder Schulmaterial anzustecken, sei gering, sagt Pauly. „Die Hauptübertragung erfolgt durch die Minimalpartikel in der Luft.“ Dort, wo das gut kontrolliert wurde, wie in Dänemark, wo die Schulen seit einem Monat wieder offen sind, habe man nichts gehört, dass es mehr Infektionen gibt.

Sie [Kinder mit spezifischen Bedürfnissen] sind weniger gefährdet und auch weniger gefährdend als andere Kinder

Fernand Pauly, Kinderarzt

Die allgemeine Annahme, dass Kinder mit spezifischen Bedürfnissen (élèves à besoins specifiques) gefährdeter seien, sich mit dem Coronavirus anzustecken, weil es für manche vielleicht schwierig sein kann, die Barriere-Gesten einzuhalten, lässt Pauly nicht gelten. „Sie sind weniger gefährdet und auch weniger gefährdend als andere Kinder.“ Dies sei auf mehrere Faktoren zurückzuführen, sagt Pauly. Kinder mit spezifischen Bedürfnissen haben weniger soziale Kontakte, sie sind nicht im Fußballverein oder in den „Scouten“. Im Bus sitzen sie meist nur zu zweit oder dritt und nicht zu 30 wie die anderen Kinder. Die Gruppen, in denen sie sich befinden, sind in der Regel sehr klein. Kleiner also als die gesplitteten Klassen der anderen Schüler. „Man darf also nicht sagen, dass diese Kinder nicht mehr in der Gesellschaft integriert werden, nur weil sie die Maske nicht anbehalten.“

Am Ende der Diskussionsrunde verteidigt auch Bildungsminister Claude Meisch die Mai-Rentrée. „Auch wenn es nur ein paar Wochen Schule sind, es unterbricht die sechs Monate, in denen die Kinder sonst keinen Kontakt zu Freunden oder Lehrern hätten. Es gibt uns die Möglichkeit zu lernen, wie wir in der Schule mit dem Virus umgehen. Wir sehen am Montag, dass es anders ist aber, dass es funktionieren wird.“

Djo TL
22. Mai 2020 - 20.20

Eng Prémisse: d´Schoul ASS wichteg fir d´Entwécklung an d´Bildung vun all Kand. Heiranner si mir eis all eens. Ech stellen awer fest, dass och Mediziner, wann et drëms geet hier eege Meenung ze vertrieden, net zécken einfach pauschal Aussoen ze maachen, a Sourcen uginn guer keng Roll méi spillt… Mäin Androck beim Liesen: si huele Positioun, ergreife Partei, drécke sech ebeemol äusserst salopp aus, mir brauchen eis jo guer keng Suergen ze maachen esou laang d´Heefegkeet kleng ass…En Aspekt, op dee keen ageet: d´Kanner ginn an de Schoulen an och an de Maisons relais vun Erwuessene betreit. „(Kinder mit spezifischen Bedürfnissen) sind weniger gefährdet als andere Kinder. (…) Sie haben weniger soziale Kontakte (…)“ Wann een esou e Saz liest, da freet een sech, ob den Dr Pauly den All-Dag vun dëse Kanner kennt. Hie béit sech seng Argumenter, wéi déi aner Dokteren och, schéin zurecht. „Kinderärzte vieler Länder haben das gleiche Statement gemacht wie wir.“ Jiddefalls ass d´Schoulrentrée vum 19. Mee zu Montréal (Québec, Canada) annuléiert ginn, an d´Kanner ginn nees an d´Schoul nom Summer.

Jemp
22. Mai 2020 - 20.06

Wenn die Ärzte gewusst hätten, welches Chaos Meisch in den Schulen veranstaltet, wären viele von ihnen vielleicht anderer Meinung gewesen. Siehe Artikel "Rentrée de Grundschulen"

Jean-Claude
22. Mai 2020 - 9.26

Nehmen wir an das Corona Virus wäre für Kinder harmlos was ich bezweifle. Die Wirkungen können später auftauchen. Wenn sie das Corona Virus dann frisch bekommen müssen sie in einem Internat mit gleichaltrigen bleiben denn wenn Sie nach Hause mit dem Virus gehen haben wir ein Problem.

HTK
22. Mai 2020 - 7.29

Auf Dauer werden Kinder,Opas und Omas alle mit dem Virus in Kontakt gekommen sein. Manche werden Reaktionen zeigen andere nicht.Es werden sogar noch Menschen sterben weil sie zur Risikogruppe gehören.Wie bei der normalen Grippe seit Äonen schon. Bis das Serum da ist werden wir uns noch die Köpfe heiß denken und dann......werden wir hoffentlich wieder "normal" und können uns um das Klima kümmern.

Grober J-P.
22. Mai 2020 - 1.25

Keine Garantie, dass nicht angesteckt wird, oder? Dann Kinder weg von Oma und Opa. Testen in der Schule sollte Pflicht sein und das wiederholt.