Kopf des Tages / „Game over“ – Jay Schiltz ist tot

Der Titel stammt nicht von der Autorin, sondern von Jay Schiltz selbst. So hat sein erstes Theaterstück geheißen, das 1991 in Differdingen Premiere feierte und der Anfang einer langen, vielfältigen publizistischen Karriere war. In der Nacht zum Mittwoch hat Jay Schiltz die Feder nach einem harten, erbitterten Kampf gegen den Krebs niedergelegt.
In den Journalismus kam Schiltz als Seiteneinsteiger. Nach dem „Premièresexamen“ am hauptstädtischen Athenäum arbeitete er zunächst bei der Eisenbahn. 1985 wechselte er über zur Steinforter Gemeindeverwaltung, deren Chef damals Jean Asselborn hieß.
1991 kam der Karrierewechsel, Jay Schiltz kam zur RTL-Radioredaktion, die seinen geschickten Umgang mit der Sprache genau wie seine spitzen, jedoch stets humorvollen Kommentare zu schätzen wusste. 1998 ging er zum Fernsehen, das er 2002 verließ, um die Chefredaktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders 100,7 zu übernehmen.
Hier gab er sich als erste Aufgabe, dem seit 1993 aktiven Sender eine redaktionelle Linie zu verleihen. So wie er es aus seinen Lehrjahren bei Chefredakteur Robi Rauchs kannte, hat auch er jeden einzelnen Journalisten begleitet und ausgebildet, sich dabei stets als Mitglied des Teams verstanden und „sich vor und hinter seine Mitarbeiter gestellt“, wie er in einem Interview betonte.
Als seine Frau Francine Closener 2013 als Staatssekretärin in die Bettel-Schneider-Regierung kam, wurde er seines Amtes enthoben. Offiziell, weil die Verantwortung an der Spitze der Redaktion nicht länger mit seinen kabarettistischen Tätigkeiten vereinbar sei. Fünf Jahre lang betreute er das Morgenmagazin. 2018 ließ er sich pensionieren, übernahm die Familienpflichten, um seine Gattin zu entlasten.
Ganz ließ ihn das Radio jedoch nicht los, in der Sendung „5 fir 12“ kehrte er bis Januar dieses Jahres zu RTL zurück.
Journalismus und Schaubühne liefen bei Jay Schiltz immer parallel. Theaterstücke schrieb er ab 1991, Kabarett ab 2000. „Endstatioun Geenzucht“ hieß das erste Programm, das er damals gemeinsam mit Josy Braun und Rol Gelhausen auf die Bühne brachte, ab 2006 tourten die „Béierdeckelsgespréicher“ durch das Land. Von 2003 bis 2006 schrieb er auch für Kulturissimo, die Kulturbeilage unserer Zeitung. Jay Schiltz war Mitglied des „Lëtzebuerger Schrëftstellerverband“. Noch im Dezember 2019 hatte er als Jurymitglied die Gewinner des nationalen Literaturwettbewerbs bestimmt.
Jay Schiltz wollte mit seinen pointierten Kommentaren, mit seinen knackigen Kabaretteinlagen nicht nur amüsieren, sondern auch zum Nachdenken anregen. „Manchmal sollte einem das Lachen im Hals stecken bleiben“, hatte er bei der Vorstellung von „No politics“, seinem letzten Programm, erklärt.
Er hat die politische und gesellschaftliche Entwicklung unseres Landes genau verfolgt, seinen persönlichen Kampf gegen Rassismus, Intoleranz, Xenophobie und Antisemitismus geführt, indem er ab 1996 die Schüler begleitete, die im Rahmen der von Charles Goerens gegründeten „Témoins de la deuxième génération“ das Vernichtungslager Auschwitz besuchten. Aus dieser Erfahrung heraus entstand 2003 der Roman „Der Aschengänger“.
Privat war der vierfache Familienvater ein engagierter Fan des britischen Premier-League-Clubs Manchester United sowie des Fußballers und späteren Schauspielers Eric Cantona. (Claude Wolf)
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