EditorialWegen Krisen in der Krise

Editorial / Wegen Krisen in der Krise
 Symbolfoto: Pixabay

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Wie viele Menschen wurden insgesamt in Luxemburg positiv auf das Coronavirus getestet? Wie viele sind an einer Infektion gestorben? Wie sieht die Belegung in Luxemburgs Krankenhäusern aus? Die „Santé“ veröffentlicht jeden Abend zwischen 17.30 und 18.00 Uhr die aktuellen Kennzahlen für die Corona-Krise auf ihrer Webseite. Redakteure des Tageblatt surfen diese dann an und fügen die Zahlen in eine Datenbank ein. Diese verrechnet sie mit den Daten der Vorwochen und generiert für die Leser eine Online-Grafik, anhand derer sie ablesen können, wie sich die Pandemie in Luxemburg entwickelt.

Der Regierung sei verziehen, dass sie die aktuellen Zahlen nicht selbst in die Tageblatt-Datenbank einträgt. Wir Journalisten fischen sie halt aus dem Netz. Genauso gehen ja schließlich auch die Spezialisten des „European Centre for Disease Prevention and Control“ (ECDC) vor, wenn sie die offizielle Corona-Statistik der Europäischen Union aktualisieren.

Wie bitte? Ja, werter Leser, Sie haben richtig gelesen. Das ECDC, die EU-Instanz in Sachen Pandemie-Bekämpfung, eine Einrichtung, deren Hauptaufgabe „die Stärkung von Europas Verteidigung bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten“ ist, für die 290 Menschen arbeiten und die von der EU mit einem Jahresbudget von 58 Millionen Euro ausgestattet wird, bekommt die Infektionszahlen von den Mitgliedsländern nicht etwa über ein zentrales Meldesystem geliefert – sondern surft durchs Internet und muss sich auf den Webseiten von Gesundheitsbehörden Zahlenmaterial zusammenklauben.

Das erklärt so einiges. Zum Beispiel, weshalb auf der ECDC-Webseite nur dieselben langweiligen Länderzahlen stehen wie überall. Oder weshalb dort Daten von Algerien und Usbekistan präsentiert werden, aber nicht aus einzelnen europäischen Regionen. Und es erklärt, wie viel Sagen die Union in der Krise hat – und in welchem Zustand sie sich befindet.

Man wird das Gefühl nicht los, dass es spätestens seit 2007 eigentlich nur bergab geht mit dem „größten Friedensprojekt der Welt“. Der Satz „das ist die schlimmste Krise, in der die EU jemals war“ kann inzwischen jedes Jahr neu aufgelegt werden. Erst kam die Finanzkrise, dann die Griechenland-Krise, dann die Flüchtlingskrise, dann die Populisten-Krise, dann die Brexit-Krise, jetzt die Corona-Krise. Krise, Krise, Krise. Und von Mal zu Mal scheinen die Mitgliedstaaten nur mehr noch ihre nationalen Interessen im Sinn zu haben, von Mal zu Mal starten sie mehr Alleingänge.

Ein Kommissionssprecher hat zu Beginn der derzeitigen Krise vor laufenden Kameras erklärt, wieso sich die EU mit einer Reaktion so schwer tut: Das gehöre nicht zu ihren Aufgaben, sagte er. Gesundheitspolitik sei Sache der Mitgliedstaaten, sagte er. Selbst wenn das stimmen würde – tut es nicht! –, stellt sich die Frage, wieso ebendiese Mitgliedstaaten nicht trotzdem auf etablierte europäische Mechanismen zurückgegriffen haben, um der Lage gemeinsam Herr zu werden. Nein, stattdessen machte man lieber Binnengrenzen dicht.

Dass in der Corona-Krise nur und ausschließlich die Nationalstaaten das Sagen haben, ist der vorläufige Höhepunkt einer angsteinflößenden Entwicklung. Die Mitgliedstaaten lassen „das größte Friedensprojekt der Welt“, das ihnen die mächtigsten Werkzeuge zum Wohlstand aller in die Hand legen könnte, zu einem immer ineffizienteren Verwaltungsapparat verkommen.

Peter
28. Mai 2020 - 11.54

Das "größte Friedensprojekt der Welt" wird eine Baustelle bleiben, solange einzelne Staaten von ihren Grenzen profitieren (siehe auch Lux-Leak). Wir sind eben nur eine Gemeinschaft von Rosinenpickern.

Domme Jong
17. Mai 2020 - 6.51

Jo root emol wei Johns Hopkins Uni un hier Zuelen kennt! Du wärs staunen.