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Forum / Bricht die Welt auseinander?
Auf einmal haben die Menschen gesehen, wie wichtig die Jobs bei der Müllabfuhr oder in Supermärkten sind Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Es ist schon ein komisches Gefühl, diese allabendliche Stille, die leeren Straßen tagsüber. Dieses undefinierbare Angstgefühl, mit Existenzängsten und der Frage, wie geht es weiter, gesundheitlich, wirtschaftlich, sozial?

Die weltweit erschreckenden Zahlen lassen aufhorchen. Vieles hätte verhindert werden können, wären da nicht diese sogenannten demokratischen Diktatoren wie Trump, Bolsonaro und andere, Rechtsradikale und Populisten, denen es nur um Machterhalt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geht.
Aber immer schön der Reihe nach. Ich möchte Ihnen, liebe Leserinnen, liebe Leser, gerne 5 Punkte näher erläutern:

– China und die Vereinigten Staaten,

– Krisenherd Europa

– Luxemburg

– Zukunftsperspektiven

– Die Rolle der Gewerkschaften

Ausgangspunkt China

Die aufstrebende Wirtschaftsmacht China war Ausgangspunkt einer beispiellosen weltweiten Pandemie. China, neben Indien das bevölkerungsreichste Land der Welt, ist ein zwiegespaltenes Land. Einerseits eine ärmliche Landbevölkerung, andererseits aufstrebende Großstädte mit vielen ambitionierten jungen Menschen, welche jedoch unter der alles zensierenden und kontrollierenden Macht des Staatsapparates leiden. Eine soziale Absicherung kennt China nicht.

Durch die mittlerweile engen internationalen Verknüpfungen im Finanz- und Wirtschaftssektor sowie die barrierefreien Reisen mit dem Flugzeug, dem Schiff und der Bahn (Projekt Seidenstraße) sind Übertragungen von Viruskrankheiten wesentlich leichter geworden. Da China mittlerweile in der ganzen Welt präsent ist, war eine Beschränkung auf die Stadt Wuhan von vornherein unmöglich. Inwiefern China die Krise mittlerweile überwunden hat, lässt sich schwer kontrollieren und nachweisen.

Neben China zählen die Vereinigten Staaten zu den am stärksten betroffenen Ländern. Beide Länder haben viel mehr gemeinsam, als man annehmen könnte. Eine Gemeinsamkeit sind die schlechten sozialen Lebensbedingungen. Beide Länder haben keine landesweiten Sozialstrukturen. Soziale Absicherung, obligatorische Krankenkassenversicherungen sind Fremdwörter in China und den USA.

Die Rolle unserer Gewerkschaft besteht darin, diese sozialen Missstände anzuprangern, unsere Regierung aufzufordern, dies bei den jeweiligen Regierungen einzuklagen, und steten Einsatz für die sozialen Errungenschaften in Luxemburg zu zeigen.

Krisenherd Europa

In Krisenzeiten wie jener der aktuellen Viruskrise, die alle europäischen Länder betrifft, spürt man deutlich die Unfähigkeit der EU, das Führungsruder an sich zu reißen, die interne Zerstrittenheit, die jeden gemeinsamen Ansatz zum Scheitern verurteilt. Ob es sich um die finanzielle Unterstützung der stark betroffenen südeuropäischen Staaten (Thema Eurobonds) handelt, den schamlos die Krise ausnutzenden Alleingang des populistischen ungarischen Diktators (Zitat Jean-Claude Juncker) Viktor Orban oder um die Streitfrage der Aufnahme syrischer und afghanischer Flüchtlingskinder: Das Bild, das die EU ihren Bürgern präsentiert, ist ein Bild der Zerstrittenheit, des staatlichen Egoismus und der Unfähigkeit konkreten Handelns.

Falls dieser Artikel von einem EU-Politiker gelesen werden sollte, was ich stark bezweifle, so wird dieser bestimmt mit finanziellen Argumenten kontern. Dies ändert jedoch nichts am Bild, das die EU in ganz Europa hinterlässt. Ich möchte jedoch eine Lanze für unseren Außenminister Jean Asselborn brechen. Seinem unermüdlichen menschlichen und solidarischen Einsatz gebührt Respekt und Anerkennung. Und schaut man sich die Liste der aufnahmewilligen EU-Länder an, so ist man wieder am Anfang der EU angelangt, nämlich bei den europäischen Gründer- und Kernstaaten.

Unsere Rolle als Gewerkschaft ist es, europaweite Solidarität vorzuleben, durch unsere internationalen Kontakte, unsere gemeinsamen europäischen Forderungen und Protestmanifestationen. Unser Einsatz gilt der Solidarität, den Menschen Europas und ihrer Arbeit. Diese Sichtweise bringt Europas Bürger zusammen und Europa voran, mehr denn je ist ein Wechsel der Prioritäten angesagt.

Luxemburg und seine Disziplin

Auch in meiner Gemeinde sind zahlreiche Mitbewohner sowie Mitarbeiter des Gemeindeamtes vom Virus betroffen. Ich kann mich nur positiv über gelebte Solidarität äußern. Die meisten Menschen respektieren die von der Regierung verhängte Ausgangssperre, engagieren sich oft freiwillig und verpflichten sich zu Helferdiensten. Dies gilt für alle Luxemburger Gemeinden, aber auch für die staatlichen Anlaufstellen, die Regierung und alle beteiligten Organisationen.

Und die Bürger/innen stellen mit Staunen fest, dass der Job der Müllabfuhr, des Lastwagenfahrers, der Hygienedienste, des Lokführers und des Busfahrers, des medizinischen Personals, des Erziehers, des Lehrers und Lehrbeauftragten, des Landwirtes, des Personals der Lebensmittelgeschäfte oft viel wichtiger als ein Direktorenposten ist. Erstmals erfahren diese Berufssparten die nötige Anerkennung!

Unsere Rolle als Gewerkschaft ist es, diese Anerkennung des Stellenwertes dieser Berufe in unserer Gesellschaft auch mit der nötigen finanziellen Unterstützung abzusichern. Wir müssen diese Berufe aus der Niedriglohnspirale herausführen und als sichere und qualitativ hochwertige Dienstleistungen einstufen.

Zukunftsperspektiven

Die Notsituationen weltweit, in Spanien, England, Italien sowie bei unseren Nachbarn aus Frankreich und Deutschland, die betroffenen Menschen zu Hause zeigen deutlich auf, dass wir unsere Prioritäten neu überdenken und definieren müssen.

Die liberale Marktwirtschaft als Lebens- und Überlebensstrategie ist an ihre Grenzen gestoßen und hat ausgedient. Wörter wie „Economie circulaire“, Nachhaltigkeit, Solidarität und Zusammenhalt anstelle von Egoismus und Populismus müssen nun verstärkt mit Leben gefüllt werden.

Das haben die Gewerkschaften erkannt. Die aktive Beteiligung des Landesverbandes und des OGBL an Klimaschutzaktivitäten, der Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft und der Jugend sind mittlerweile zu wichtigen Bestandteilen unserer gewerkschaftlichen Arbeit geworden. Es gilt, weiter in die Zielsetzungen von Klimaschutz, Natur- und Umweltschutz als Gewerkschaft zu investieren.

Falls es uns als Menschheit gelingen sollte, die Coronakrise zu überwinden, muss ein Umdenken in unserer Gesellschaft stattfinden. Dies wird ein langwieriger, schwieriger Prozess sein, wobei wir nicht wissen, wie viel Zeit uns noch verbleibt.

Der Autor dieser Zeilen, liebe Leserinnen, liebe Leser, ist eher skeptisch, was ein gesamtgesellschaftliches Umdenken des Gewohnheitstieres Mensch angeht (siehe Öffnung der Drive-in-Filialen bei McDonalds!). Das schnelle Geld, das Kämpfen um die Macht, Egoismus und Populismus sind in unserer Gesellschaft so dominant geworden und mittlerweile so fest verankert, dass es schwierig sein wird, den Hebel umzulegen.
Wenn wir jedoch, auch als Gewerkschaftler, es fertigbringen, die richtigen Weichen zu stellen, Zeichen zu setzen, wenn die Zivilgesellschaft weiter kritisch-konstruktiv diesen Prozess begleitet und die Jugend ihre hoch erhobene Stimme für eine zukunftsfähige Welt nicht einstellt, sondern ausbreitet, dann kann uns zusammen noch so manches Positive gelingen!

* Der Autor ist Vizepräsident des FNCTTFEL-Landesverbands und Schöffe (LSAP) im Gemeinderat Contern

yves
5. Mai 2020 - 17.02

"Bricht die Welt auseinander?" Nein! Betteridge's Gesetz der Überschriften mit Fragezeichen sorgt dafür, dass das nicht passiert.