TischtennisDas kleine Gallien der Pandemie: Eric Glod kann in der Parallelwelt Schweden weiter trainieren

Tischtennis / Das kleine Gallien der Pandemie: Eric Glod kann in der Parallelwelt Schweden weiter trainieren
Eric Glod will sich die Zeit zunutze machen und von der einmaligen Situation profitieren Foto: Gerry Schmit

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Eric Glod, Sportsoldat und Tischtennisprofi, trainiert derzeit wie Ni Xia Lian unter fast normalen Bedingungen in Schweden. Zwar genießt der Luxemburger die große Aufmerksamkeit von Nationaltrainer Peter Teglas, doch finanzielle Sorgen und Verletzungsprobleme bei Kollegen beeinträchtigen den klassischen Alltag. 

Not macht in Corona-Zeiten erfinderisch. Innerhalb der FLTT-Nationalmannschaft müssen aber nicht alle Spieler umdenken. „Mit Luka (Mladenovic) habe ich am Sonntag telefoniert. Er macht Stabi-Übungen und fährt viel Fahrrad. Einen Schläger hatte er seit sechs Wochen nicht mehr in der Hand. Sarah (de Nutte) hat sich auf dem Speicher ihren Roboter und eine Platte installiert, hätte trotzdem lieber einen Partner am Tisch. Und Ni Xia Lian trainiert wie ich, ebenfalls in Schweden“, erklärt Profi Eric Glod.

Im kleinen Gallien der aktuellen Pandemie geht das normale Leben weiter. Während bei FLTT-Topstar Ni Xi Lian Ehemann und Trainer Tommy Danielsson (ehemaliger schwedischer Nationalspieler) ausschlaggebender Faktor war, hat sich Glod bewusst gegen eine Heimreise nach Luxemburg entschieden. Entgegen seinem ersten Gedanken und dem Rat der Eltern weilt er weiterhin in einer südschwedischen Kleinstadt, um von der einmaligen Gelegenheit zu profitieren: Weitertrainieren, während die Konkurrenz im Stillstand steht. „Nach meiner Ausbildung bei der Armee weiß ich, wie es sich anfühlt, vier Monate nicht am Tisch zu stehen. Mit jeder Woche, die vergeht, dauert es umso länger, wieder zurückzukommen. So habe ich auf lange Sicht hin die für mich bessere Wahl getroffen.“ 

„Surreal“

Sieben Minuten sitzt Eric Glod fünfmal pro Woche auf dem Fahrrad, um von der Wohnung im Eslöver Stadtkern zum Trainingszentrum zu gelangen. In dem 20.000-Seelen-Ort sind Restaurantbesuche oder Einkäufe trotz Coronavirus ohne größere Einschränkungen erlaubt, „die Parks sind voll, sogar ältere Menschen treffen sich. Das einzige Indiz sind Schilder, die auf Abstandsvorkehrungen hinweisen.“ Für die Nummer 210 der Welt ist dieser Umstand „eigentlich surreal. Einerseits sehe ich in den Nachrichten die Statistiken der Toten in Spanien und Italien, während hier jeder seinem gewohnten Alltag nachgeht. Da stellt man sich sehr oft die Frage, ob das hier der richtige Weg ist.“ Andererseits weiß Glod auch, dass „sich nichts ändern wird, wenn ich der Einzige bin, der zu Hause hockt. Deshalb versuche ich, einen Mittelweg zu finden: Ich trainiere weiter, passe aber auf die Distanzen auf.“ 

Ich bin in den Profibereich reingerutscht. Als Kind habe ich meinen Eltern nie erzählt, dass ich von einer Karriere als Profi-Tischtennisspieler träumen würde. Ich habe einfach meine Chance ergriffen.

Eric Glod, FLTT-Nationalspieler

Weshalb für den 26-Jährigen das Einhalten der Hygienemaßnahmen oberste Priorität genießt. Dazu gehört auch, nicht im Sportzentrum zu duschen. „Generell meide ich öffentliche Sanitäranlagen, vor allem aber Menschenmassen.“ Auch in Bezug auf soziale Kontakte geht es im Königreich locker zu: Nachdem Glod und Co. während zwei Wochen darum gebeten worden sind, die Trainingspartner nicht zu wechseln, hat sich diese Vorgabe bereits in Luft aufgelöst. 

Neben der Tatsache, dass sich sein Trainingsrhythmus nicht verändert hat, öffneten sich durch den europäischen Lockdown weitere Türen für Glod, wie bei der ungeteilten Aufmerksamkeit von Nationaltrainer Peter Teglas. „Er hat ja jetzt viel Zeit“, scherzt der Spieler. Vier Stunden pro Woche sitzt der Coach mittlerweile vor dem Bildschirm und sieht sich die Fortschritte des Athleten an. Diese Form des Trainings wurde erst mit dem Beginn der Quarantäne organisiert, „auch wenn ich den Verband bereits mehrfach darum gebeten habe. Doch irgendwie kam es erst jetzt zustande“, sagt Glod. „Das bringt mir nämlich viel. Ich merke selbst, dass etwas fehlt, wenn er nicht zusieht. Er macht mich auf Fehler der Beinarbeit aufmerksam oder erinnert mich an kleine Dinge. Es ist, als stünde er am Nebentisch.“

Mit dem Zug nach Aalborg

Zwei Stunden steht er täglich mit einem der schwedischen Nachwuchsspieler an der Platte. „Sieben bis acht Spieler sind hier normalerweise in unserer Trainingsgruppe. Keine Spitzenathleten und Weltstars, aber anständige Gegner, um zu trainieren. Der Beste ist allerdings derzeit verletzt.“ Gleiches gilt für eine slowenische Nationalspielerin, die ihm vor sechs Monaten vorschlug, sich in Schweden nach einem neuen Verein umzuschauen.

Fündig wurde er in Dänemark. „Wenn ich von Kopenhagen nach Aalborg fliege, bin ich ungefähr zwei Stunden unterwegs. Ich bevorzuge es allerdings, mit dem Zug hinzufahren. Es dauert zwar drei Stunden länger, aber das ist es mir wert.“ Im vergangenen September hatte das Abenteuer beim B75 Hirtshals begonnen. Der dänische Klub engagierte den FLTT-Spieler, dessen Weg in den Profibereich nach abgeschlossenem Germanistik-Bachelor 2018 über die Sportsektion der Armee geführt hat. Nach der viermonatigen Grundausbildung hatte er zunächst kurzzeitig in Wädenswil (Schweiz) aufgeschlagen. „Die gleiche Bekannte hat mich dann auf den Klub aufmerksam gemacht, als ich mir einen neuen Verein gesucht habe.“ Bereut hat er den ungewöhnlichen Standortwechsel bislang nicht. 

Trainingslager ausgefallen

Allerdings spitzt sich die wirtschaftliche Lage der Sportvereine quer durch Europa zu. „Ich werde mich am kommenden Wochenende noch einmal mit den Vereinsverantwortlichen unterhalten. Das Problem ist, dass die größte Einnahmequelle, ein großes Trainingslager, in diesem Jahr nicht stattfinden kann. Schlimmstenfalls muss ich mir einen neuen Klub suchen, was allerdings in dieser Situation nicht ganz einfach ist. Alle Klubs haben finanzielle Sorgen, weshalb ich nicht weiß, ob ich noch einmal einen Verein in der Nähe finden würde.“ Nachdem Schweden vor allem in den 80er und 90er Jahren eine der stärksten europäischen Nationen war, „spürt man diese Ehre auch heute noch. Allerdings kann man das nicht mit der Bedeutung von Fußball oder Handball vergleichen.“ 

Glod fühlt sich im Süden Schwedens pudelwohl und stand mit dem dänischen Klub unmittelbar vor der Qualifikation für das Halbfinale der Meisterschaft. „Es wäre schlimm, wenn mein Abenteuer aufgrund eines Virus beendet wäre, da ich weitermachen will. Es gefällt mir hier sehr gut. Ich muss es nehmen, wie es kommt ….“, sagt Glod, der hinzufügt. „Ich bin in den Profibereich reingerutscht. Als Kind habe ich meinen Eltern nie erzählt, dass ich von einer Karriere als Profi-Tischtennisspieler träumen würde. Ich habe einfach meine Chance ergriffen“, erzählt der Sportler aus dem COSL-Elitekader. „Ich bin glücklich, diesen Schritt gemacht zu haben, aber das Leben geht auch danach noch weiter.“

Der Mann aus dem Ösling hat klare Pläne. Das Germanistik-Studium dient einem einzigen Zweck, nämlich Lehrer zu werden. „Diese Idee habe ich nicht aufgegeben, es hat sich nur alles ein wenig nach hinten verschoben.“ 

Steckbrief

Eric Glod
Geboren am 16. November 1993
Vereine: Wintger, Badener AC (AUT), Wädenswil (CH), seit September 2019 B75 Hirtshals (DEN)
Aktuelle Weltrangliste: 210, 1.930 Punkte. Zweitbester Luxemburger ist Luka Mladenovic (213., 1.875 Punkte)
Bestes Ranking: 150 (April 2018)