RadsportUngewohnt und unerfahren – Ben Gastauer startet bei der virtuellen Tour de Suisse 

Radsport / Ungewohnt und unerfahren – Ben Gastauer startet bei der virtuellen Tour de Suisse 
Bob Jungels und Ben Gastauer werden an der virtuellen Tour de Suisse teilnehmen – viel virtuelle Renn-Erfahrung hat Gastauer nicht vorzuweisen Foto: Tageblatt-Archiv/Jeff Lahr

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Die virtuelle Radsport-Saison nimmt Fahrt auf: Nachdem Greg van Avermaet am 5. April die virtuelle Flandern-Rundfahrt gewonnen hatte, steht am Mittwoch die Tour de Suisse auf dem Programm. 16 WorldTour-Teams nehmen an dem fünftägigen Etappenrennen teil, darunter auch die Luxemburger Bob Jungels und Ben Gastauer. Auf Ben Gastauer warten erst mal eher ungewöhnliche Herausforderungen.

Virtuelle Rennen können Probleme bereiten, die einem Straßenrennen nicht mal im entferntesten Sinne Schwierigkeiten machen würden. Ben Gastauer, der bei der kommenden virtuellen Tour de Suisse die fünfte Etappe bestreiten wird, ist sich noch nicht sicher, von wo aus er das Rennen fahren wird. „Am liebsten würde ich an der frischen Luft, also auf der Terrasse, starten“, sagt Gastauer. Doch die ganze Technik, die ein solches Rennen mit sich bringt, darf nicht nass werden. „Bleibt abzuwarten, ich hoffe in jedem Fall auf gutes Wetter.“ Der Keller sei keine Option, um als Austragungsort der Schweizer Rundfahrt zu dienen. „Da ist die Internetverbindung einfach zu schlecht“, schmunzelt der Ag2r-La Mondiale-Profi. Es sind ungewohnte Probleme, die Gastauer in seiner Karriere so noch nicht erlebt hat.

Der 32-Jährige, der seit 2009 Teil der Profimannschaft von Ag2r La Mondiale ist, hat schon viele Erfahrungen gesammelt – bei virtuellen Rennen entwickelt sich der Routinier allerdings zurück: vom Routinier zum Rookie. „Gar keine“, antwortet Gastauer auf die Frage, ob er denn schon Erfahrungen im E-Sports-Bereich gemacht habe. „Ich habe mir zwar gedacht, dass es, auch aufgrund der Situation, bald so weit sein wird, dass ich ein solches Rennen bestreite. Aber dass ich so schnell an einem virtuellen Rennen teilnehmen würde, hätte ich nicht gedacht.“ Vergangene Woche hat sich der Schifflinger schon mal mit der virtuellen Rennplattform Zwift vertraut gemacht. Bei der Tour de Suisse wird allerdings die Plattform Rouvy genutzt. „Ein großes Taktieren wird nicht möglich sein“, erklärt Gastauer. „Die Plattform konzentriert sich vor allem auf eine individuelle Leistung.“ Anders als die Plattform Zwift hat Rouvy beispielsweise noch nicht die Funktion, vom Windschatten anderer Fahrer profitieren zu können.

Viel Zuspruch

Windschatten wird Gastauer also nicht nutzen können, wenn er am Sonntag an den Start gehen wird. Für jede der fünf Etappen werden die 16 WorldTour-Teams und die drei Pro-Teams jeweils drei Radsportler selektieren, die die Etappe bestreiten werden. Eine Streckenbesichtigung hat Gastauer, der 2011 und 2018 an der Rundfahrt in der Schweiz teilnahm, auch schon hinter sich – wenn auch nur detailliert. „Ich habe gesehen, dass zwei Anstiege anstehen und sich dazwischen eine Abfahrt befindet.“ Nach dem Start in Camperio im Tessin wird Gastauer den Lukmanierpass hochklettern müssen, der etwa 15 Kilometer lang ist. Es folgt eine ebenso lange Abfahrt, bevor in Disentis (Graubünden) eine Gegensteigung und die Ziellinie wartet.

In einer Zeit, in der die Farben der Sponsoren nicht die Bildschirme zieren, ist es für die Teams umso wichtiger, sich bei solchen Events zu präsentieren – auch wenn das Prestige eines solchen Rennens nicht mit dem Straßenrennen vergleichbar ist. Das Interesse an der Tour de Suisse ist dennoch groß. Unter den 19 teilnehmenden Teams werden auch Fahrer wie Romain Bardet (Ag2r La Mondiale), Julian Alaphilippe, Bob Jungels (beide Deceuninck-Quick Step), Vincenzo Nibali (Trek-Segafredo) oder Primoz Roglic (Jumbo Visma) an den Start gehen.

Start in der Küche? 

Einen Ersatz werden die virtuellen Rennen für Gastauer aber nie für richtige Straßenrennen darstellen. „Es gibt so viele Faktoren, die im Virtuellen gar nicht zur Geltung kommen“, sagt der Luxemburger. „Für Leute, die abends von der Arbeit heimkommen und Abwechslung brauchen, ist das aber, so denke ich, eine gute Möglichkeit, auf andere Gedanken zu kommen. Sie haben einen Renncharakter und können sich mit anderen messen.“

Übertragen wird das Rennen im Schweizer Fernsehen SRF, aber auch online kann man es verfolgen. Dabei werden auch die Profis bei ihrer Aktivität zu Hause gefilmt. „Ich glaube, dass ich meinen beiden Kindern sagen muss, dass sie etwas Abstand wegen der TV-Übertragung halten müssen“, schmunzelt Gastauer. „Wenn ich sonst im Garten trainiere, sind sie neugierig und kommen gerne gucken, was ich so mache. Aber sie werden mich sicherlich unterstützen.“ Denn auch wenn es regnet, wird es für den zweifachen Familienvater einen Platz im Haus geben. „Dann wird es wahrscheinlich die Küche werden“, sagt er. So können die Kinder und seine Frau das Rennen auf dem Bildschirm im Wohnzimmer verfolgen – und sich umdrehen, um einen der Akteure des Rennens live hinter sich zu beobachten.

Leopard Pro Cycling nimmt an „German Cycling Akademie-Liga“ teil

Die virtuelle Radsport-Saison nimmt weiter Fahrt auf: Am Samstag haben insgesamt 243 Radsportler an der „German Cycling Akademie-Liga” teilgenommen, darunter auch vier Fahrer des luxemburgischen Teams Leopard Pro Cycling. Der deutsche Lucas Carstensen (Bike Aid) konnte nach 40,4 Kilometern in der virtuellen Zwift-Welt Watopia mit einer Zeit von 52:26 Minuten den ersten Platz einfahren. Bester Fahrer der luxemburgischen Mannschaft war der Niederländer Jan Maas, der in derselben Zeit wie der Sieger als 30. ins Ziel einfuhr. Nächsten Samstag findet das nächste Rennen im Rahmen dieses Wettbewerbes statt.