GesetzeslageWas Jurist Marc Theisen den Sportverbänden rät

Gesetzeslage / Was Jurist Marc Theisen den Sportverbänden rät
Marc Theisen wollte etwas Licht ins juristische Dunkel bringen Foto: Le Quotidien/Luis Mangorrinha

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Wie geht es weiter? Diese Frage stellt sich derzeit wohl jeder Präsident eines luxemburgischen Verbands. Jurist Marc Theisen hat sich mit der Rechtslage während des „état de crise“ beschäftigt und neben den Verbänden auch COSL und Sportministerium informiert. 

Der Basketballverband wollte eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen – doch die Kommunikation endete im Fiasko. Die abgebrochene Saison, Meistertitel und eine Entscheidung über Auf- und Abstieg hatten eine Welle von Protesten zur Folge. Andere Verbände wie die FLF lassen sich Zeit. Das Referendum der LFL (Liga) hat zwar keine juristische Grundlage, kann dem Fußballverband dennoch einen Anhaltspunkt über die Stimmung in den jeweiligen Klubs vermitteln. Um ähnliche Reaktionen wie beim Basketball zu vermeiden, hat sich Jurist Marc Theisen dazu entschieden, die Rechtslage in einem Dokument zu erklären, das an sämtliche Gremien verschickt wurde. 

„Die Tatsache, dass ein ‚état de crise’ ausgerufen wurde, rechtfertigt nicht alle Entscheidungen der Verbände, sollten deswegen generelle Rechtsprinzipien oder Statuten missachtet werden“, heißt es in der Mitteilung, weshalb man von voreiligen oder arbiträren „ad finitium“-Entschlüssen abrät. Da es noch keine vergleichbare Situation gab, befinden sich Juristen und Verbandsfunktionären in einem „flou juridique“. 

Empfehlungen: Eine Meisterschafts-Annullierung hätte zur Folge, dass die aktuelle Saison auf rechtlicher Basis nicht existiert hat. Für die Fußballklubs würde dies bedeuten, dass die Tabelle der Saison 2019/20 als Grundlage für die Europapokal-Qualifikation dienen würde (wie es auch die L’Equipe angedeutet hat). Sollte sich ein Verband für die Annullierung entscheiden, rät Theisen, dies erst nach der Zustimmung des europäischen Verbands zu tun. Die zweite Möglichkeit wäre, die Meisterschaft abzubrechen und die aktuelle Tabelle als Maß zu nehmen 

Ebola: Obschon es in Luxemburg noch keine ähnliche Situation gegeben hat, könnte eine Epidemie aus dem Jahr 2015 Aufschluss über die Definition „höhere Gewalt“ geben. Vor fünf Jahren weigerte sich der marokkanische Fußballverband, während der Ebola-Ausbreitung den Afrika-Cup zu organisieren. Der Weg vor den internationalen Sportgerichtshof (CAS) führte ins Leere: Eine Meisterschaft darf aufgrund von „höherer Gewalt“ nur annulliert oder gestoppt werden, wenn es keine andere Lösungen gibt. Solange es Auswege gibt, sollte der Verband also von definitiven Entscheidungen absehen. Theisen fügt allerdings hinzu, dass die weltweite Covid-19-Krise nicht mit dem Jahr 2015 vergleichbar ist. „Wir schätzen, dass ein Verband die Meisterschaft berechtigterweise als beendet erklären kann, wenn diese Entscheidung vernünftig und aufgrund der Umstände kein reguläres Ende möglich ist.“

Fußball: Als Beispiel nannte Theisen die FLF, deren Meisterschaft wohl nach den zukünftigen UEFA-Richtlinien erst am 30. Juli beendet sein müsste. Es wäre zu diesem Zeitpunkt verfrüht, eine definitive Entscheidung zu treffen, da die Regierung möglicherweise Mitte des Monats erste Lockerungen des Lockdowns bekannt geben könnte. Sollten aber bis Ende des Monats keine neuen Vorgaben und Daten vorliegen, hätte die FLF wohl keine Möglichkeiten mehr, die Meisterschaft zu beenden, und könnte sie ohne rechtliche Konsequenzen abbrechen.  

Statuten: Der Basketballverband sah in seinen Statuten vor, dass „eine Änderung des Spielkalenders wegen unvorhersehbarer Ereignisse im Einverständnis mit den betreffenden Vereinen erlaubt ist. Eine absolute Mehrheit dieser Vereine ist dazu erforderlich“ – weshalb am 16. Mai eine außerordentliche Generalversammlung angesetzt wurde. Aktuell müsste die Fußballsaison am 30. Juni beendet sein. In den FLF-Statuten (Artikel 114) steht, dass der Verbandsvorstand in unvorhergesehenen Fällen ein Ende der Meisterschaft festlegen kann. Marc Theisen rät der FLF in seinem Schreiben, die Vereine aufgrund der Tragweite dieser Entscheidung dazu ebenfalls in einer außerordentlichen Generalversammlung zu befragen. Gleichzeitig erinnerte der Jurist daran, dass letztlich die Regierung und nicht die Empfehlungen der UEFA entscheidend sind. 

Handball: Die Saison der FLH beginnt laut Statuten am 16. Juli und endet am 15. Juli. Nach einer Videokonferenz zwischen der FLH und den Vereinen ist die Entscheidung am vergangenen Mittwoch gefallen. Einstimmig haben sich die Klubs für den Abbruch der Meisterschaft 2019/20 ausgesprochen. Des Weiteren wurde der HB Esch zum Meister bei den Herren ernannt, während Käerjeng bei den Damen an der Spitze steht.

Volleyball: Genau wie bei der FLH und der FLBB wird laut Artikel 4.2.1 über die Organisation der Meisterschaft in einer Generalversammlung entschieden. Derzeit werden den Vereinen Vorschläge auf der Internetseite des Verbands gemacht. Sieht sich die FLVB nicht mehr dazu in der Lage, das Championat auf vernünftige Weise zu beenden, kann in einer außerordentlichen  Generalversammlung regelkonform abgestimmt werden.

Tischtennis: Die FLTT sieht vor, Absagen oder Verlegungen „in Fällen von höherer Gewalt (Witterungsverhältnisse, Strompanne, Naturkatastrophe usw.)“ zu veranlassen. Die Covid-19-Krise fällt unter die Formulierung „usw.“. Demnach darf der Vorstand den Vereinen seine Vorschläge in einer Generalversammlung unterbreiten oder ein Referendum abhalten. 

Schlussfolgerung: Kein Sportverband hat in seinen Statuten die Handhabung einer ähnlichen Krise vorgesehen.  Trotzdem müssen Entscheidungen aufgrund der bestehenden Statuten getroffen werden. „Um vor einer Anfechtung in Sicherheit zu sein, reicht eine einzelne Beratung bei den Vereinen nicht“, weshalb Marc Theisen den Verbänden zu Abstimmungen rät, da diese ohne physische Präsenz durchführbar sind. 

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Martine
14. April 2020 - 22.36

Ich dachte schon er riete ihnen zu klagen, damit die armen Anwälte auch Geld verdienen.