RadsportWie virtuelle Rennen funktionieren – und was die FSCL dazu plant 

Radsport / Wie virtuelle Rennen funktionieren – und was die FSCL dazu plant 
Ein ungewohnter Anblick für die Zuschauer: Während sie auf der linken Seite des Bildes den Radprofis bei ihrer Aktivität zuschauen können, ist der Avatar der Fahrer auf der Straße unterwegs und misst sich mit den anderen Konkurrenten.  Foto: Nicolas Maeterlinck/Belga/dpa

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Die für letzten Sonntag geplante 104. Auflage der Flandern-Rundfahrt wurde aufgrund von Maßnahmen der Regierung zur Verhinderung der Ausbreitung des Covid-19-Virus abgesagt. 13 Fahrer fuhren deswegen die letzten 32 km der Tour auf Fahrradrollen zu Hause, am Ende setzte sich Greg van Avermaet in der „Lockdown Edition“ des Monuments durch. Doch wie funktioniert ein Rennen, bei dem sich die Fahrer über einen Simulator messen? Der Technische Direktor der „Fédération du sport cycliste luxembourgeois“ (FSCL) verrät, dass solche Rennen in Zukunft auch in Luxemburg im Rennkalender auftauchen könnten. 

Es hatte etwas Realistisches, als Greg van Avermaet elf Kilometer vor dem Ziel, am Paterberg, zum Angriff ansetzte. Keiner seiner Verfolger, weder Remco Evenepoel noch Oliver Naesen oder Nicolas Roche, konnte den Belgier vor der Ankunft in Oudenaarde einholen. Der 34-Jährige konnte am vergangenen Sonntag zum ersten Mal in seiner Karriere die Flandern-Rundfahrt gewinnen – allerdings nur die „Lockdown Edition“. „Ich zähle diesen Sieg nicht zu meiner Titelsammlung“, erklärte van Avermaet der französischen Sportzeitung L’Equipe. „Es hat Spaß gemacht, wir hatten eine gute Zeit.“ Mehr bleibt dem Belgier nicht. Am Prestige der virtuellen Flandern-Rundfahrt kann also noch gearbeitet werden, doch Fakt ist: Näher an die Realität hätte man ein Radrennen aufgrund der aktuellen Maßnahmen der Regierungen zur Verhinderung der Ausbreitung des Coronavirus nicht bringen können. 

Insgesamt hatten sich 13 Fahrer gefunden, um die virtuelle Flandern-Rundfahrt zu bestreiten. Van Avermaet startete im Dachgeschoss seines Hauses, Evenepoel befand sich auf der Terrasse seines Elternhauses in Flämisch-Brabant und gleich vier Fahrer, Nicolas Roche, Tim Wellens, Michael Matthews und Jasper Stuyven, befanden sich auf dem Smarttrainer in ihrer Wahlheimat Monaco. Es sollte der bestmögliche Ersatz zur echten Flandern-Rundfahrt werden, die die Organisatoren vor eine echte Herausforderung stellte. „Wir hätten gerne 50 Profis gehabt, aber wir konnten nicht 50 Kameras in den Fernsehstudios aufstellen, die den Kommentatoren gegenüberstehen“, erklärte Tomas Van Den Spiegel, CEO von Flanders Classic, der französischen Zeitung. „Nicht alles war perfekt. Zum Beispiel die Grafik: Wir hatten keine Zeit, die Umgebung oder die Häuser zu gestalten. In diesen schwierigen Zeiten haben wir einen Weg gefunden, dem Radsport wieder Aufmerksamkeit zu verschaffen. Was wir produziert haben, ist das, was dem echten Sport am nächsten kommt.“

Rennen in Luxemburg 

Auch in Luxemburg, bei der FSCL, hat man sich das Rennen angeschaut. Verschiedene nationale TV-Sender produzierten eine Live-Sendung, bei der auf der linken Seite des Bildschirms die verschiedenen Profis bei ihrer Aktivität zu sehen waren, auf der rechten konnte man das virtuelle Rennen sehen. Über einen Livestream, der auf YouTube zu sehen war, war das Rennen für jedermann zugänglich. „Wir haben schon verfolgt, wie sich die ganzen Profiteams umgestellt haben“, erklärte Christian Helmig, Technischer Direktor der FSCL. „Wie sie das verkauft und vermarktet haben, das war schon interessant.“ Denn auch beim luxemburgischen Radsportverband hat man sich in letzter Zeit mit E-Sports auseinandergesetzt. Nachdem die UCI E-Sports im letzten Jahr mit ins Programm genommen haben, wuchs das Interesse bei den Luxemburgern. Dabei handelt es sich um eine eigenständige Disziplin mit einem eigenen Regelwerk.

Helmig selbst sei zu seiner aktiven Zeit nie ein Freund der Rollentrainer gewesen. „Weil es für mich nie wirklich relevant war, habe ich mich vor der Corona-Pause nicht sehr intensiv damit auseinandergesetzt.“ Der erste Kontakt sei bei der WM im letzten Jahr mit Zwift entstanden. Es sei ein sehr hoher Aufwand, ein solches Rennen anzubieten, erklärte Helmig. „Es ist nicht einfach so, dass man sich ein Abonnement bei einem dieser Anbieter nimmt und dann loslegen kann. Technisch muss man sehr viel beachten.“ 

„Erweiterte Nationalmannschaft“

Der deutsche Radsportverband ist dem luxemburgischen dabei um einiges voraus. Der Bund Deutscher Radfahrer hat bereits eine eigene E-Sports-Abteilung gegründet und einen Nationaltrainer verpflichtet, der sich hauptsächlich um diese Abteilung kümmert. „So weit sind wir definitiv noch nicht, aber wir haben es auf dem Schirm“, sagte der 38-jährige Luxemburger. Ein längerfristiges Ziel sei es, eine nationale Meisterschaft im E-Sport zu organisieren. „Wir könnten dann auch eine erweiterte Nationalmannschaft bilden oder mehrere Rennen austragen. Ideen haben wir. Und wir glauben auch, dass da was entstehen kann.“

Momentan sei es allerdings sehr schwer, die Hersteller der Softwares zu kontaktieren. Zwift oder Bkool, die die Flandern-Rundfahrt organisierten, seien zurzeit mit Anfragen überlastet. „Die Hersteller haben nicht damit gerechnet, dass sie zum Anfang dieses Jahres so viele Anfragen bekommen“, erklärte der vierfache nationale Cyclocross-Landesmeister. „Weil wir uns noch ziemlich am Anfang befinden, ist es schwer, uns diesbezüglich weiterzuentwickeln. Die Verbände oder die privaten Anbieter, die schon länger deren Dienste nutzen, haben momentan Priorität.“

Es tut sich also was in der E-Sports-Szene des luxemburgischen Radsports. Auch wenn sich kurzfristig wohl keiner das virtuelle rot-weiß-blaue Landesmeistertrikot überstreifen wird, scheint es möglich, in naher Zukunft virtuelle Rennen im Großherzogtum sehen zu können. 

Die technischen Details zu virtuellen Radrennen

In der Regel sei es sehr aufwändig ein solches Rennen zu organisieren, sagte Helmig. Als Teilnehmer benötigt jeder Sportler einen Hometrainer oder Rollentrainer mit einem dazugehörigen Rad. Zudem wird ein Laptop oder PC benötigt, auf dem die Software des Anbieters installiert ist. „Zwift ist nichts anderes als eine Software, bei der man sich zum virtuellen Radfahren treffen kann“, erklärte Helmig. „Wenn man Rennen fahren möchte, braucht man einen Geschwindigkeitssensor am Rad, der mit der entsprechenden Technologie ausgestattet ist, um die Daten zum PC zu übertragen.“ Wichtig sei es vor allem, dass die Radsportler ihr Körpergewicht eingeben. „Noch besser ist es, einen Wattmesser am Fahrrad zu haben, der die aktuelle Kraft aufnimmt und zu der Software überträgt. So wird eine sehr genaue Geschwindigkeit übertragen.“ Auf Smarttrainern können Rollen den Widerstand sogar über Watt steuern. Die Rolle hängt dabei am Strom und ist voll programmierbar. „Dabei kann eine Steigung, das Fahren im Windschatten oder der Zielsprint ziemlich realitätsnah simuliert werden.“ Realitätsnah, weil auch die physischen Daten der Sportler eine Rolle spielen. „Treten zwei Radfahrer 300 Watt, dann ist derjenige schneller, der weniger wiegt – wie es eben auch auf der Straße ist.“ Hinter der Software steckt eine große Datenbank. Selbst das Fahren im Windschatten, das, so sagen Spezialisten, in der Regel 30% Kräfte spart, rechnet das Programm aus. Sobald ein Fahrer schneller wird und aus dem Windschatten ausschert, spürt er einen größeren Widerstand. Sinn würde es laut Helmig also auch machen, eine richtige Renn-Taktik aufzustellen. „Teams können ihre Topfahrer beschützen, indem sie ihn auch in einem virtuellen Rennen kaum Führungsarbeit machen lassen. Das funktioniert in der Realität, als auch im E-Sport.“

Der technische Direktor der FSCL Christian Helmig, will sich in Zukunft mehr mit dem E-Sports beschäftigen. 
Der technische Direktor der FSCL Christian Helmig, will sich in Zukunft mehr mit dem E-Sports beschäftigen.  Foto: Editpress-Archiv/Isabella Finzi

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7. April 2020 - 13.21

Einen Geschwindigkeitssensor und ein Pedelec-S.