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Nicht nur auf Luxemburgs Straßen herrscht derzeit Ruhe Foto: Editpress/Julien Garroy

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Es ist ruhig geworden. Nicht nur auf den Straßen Luxemburgs. Der Großteil der Menschen halte sich an die von der Regierung vorgeschriebenen Regeln, so Premierminister Xavier Bettel. Aber nicht nur auf den Straßen wurde es ruhiger. Auch am rechten Tellerrand wurde es nahezu mucksmäuschenstill. Die Pendler stellen im Moment verhältnismäßig wenig Probleme dar. Man hat sogar das Gefühl, dass so mancher überhaupt kein Problem damit hätte, Französisch sprechen zu müssen, wenn es darum geht, versorgt zu werden und so das Jahr 2050 überhaupt erleben zu dürfen. Unvorstellbar noch vor wenigen Wochen.

Dies liegt natürlich daran, dass das luxemburgische Gesundheitssystem mit den Pendlern steht und fällt. 70% der Arbeitskräfte aus dem Gesundheitsbereich kommen jeden Tag aus Belgien, Deutschland und Frankreich, um unsere Kranken und Alten zu pflegen und zu betreuen. „D’Frontalieren“ sind so wichtig wie nie. Dies betont Gesundheitsministerin Paulette Lenert stoisch. Sogar die Rechte Luxemburgs schien erleichtert, dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Grenzen nicht komplett schloss und somit verhinderte, dass seine Nachbarn „ersticken“ (so Xavier Bettel) könnten.

Vielleicht bietet diese Krise, in der wir uns zweifelsohne befinden, die Chance, uns darüber klar zu werden, dass gerade das Gesundheitssystem, wie die meisten Wirtschaftsbereiche in Luxemburg, in besonderem Maße von diesen Pendlern abhängt. Eine Herausforderung wird es auch sein, diese Pflegeberufe wieder attraktiver zu machen. Dies passiert nun mal auch über die Bezahlung. Pflegekräfte arbeiten oft mehr als die normale 40-Stunden-Woche, viele haben Familien und nehmen täglich einen weiten Weg auf sich, um ihrer Arbeit in Luxemburg nachzukommen.

Was jedoch gerade jetzt auffällt, ist, dass ihr Gehalt in keiner Weise an ihre Relevanz für das gesamte Gesundheitssystem angepasst ist. So sitzt im Moment ein Manager aus der Privatwirtschaft gemütlich im Home-Office und verdient – vorausgesetzt, er arbeitet für ein großes Unternehmen – weiterhin gutes Geld, und das ohne Gefahr für seine Gesundheit. Die „einfache“ Krankenschwester dagegen nimmt ein hohes Risiko in Kauf. (Gleiches gilt im Übrigen auch für den Polizisten und den Müllmann, wenn auch in geringerem Maße).

Wertschätzung des Pflegepersonals 

Durch die Krise ist die Wertschätzung des Pflegepersonals gestiegen. Man merkt es daran, dass einfache Leute ihnen Schlafplätze anbieten und die Regierung Hotelzimmer anmietet, damit diese unverzichtbaren Arbeitskräfte ja nicht an der Grenze hängen bleiben und nicht mehr ins unser Land dürfen. Man wird sehen, ob die Regierung auch noch an diese hart arbeitenden Menschen denkt, wenn die Krise vorbei ist.

Die Solidarität, die mit dem Einbruch der Krise aufkommt, ist bewundernswert. 10.000 Menschen haben sich auf Initiative der Regierung hin gemeldet – im Ernstfall wollen sie helfen. In fast jeder Gemeinde haben sich die verschiedensten Vereine gemeldet, um den arbeitenden Eltern und den älteren, vulnerablen Menschen unter die Arme zu greifen, Einkäufe für sie zu erledigen, mit deren Hund Gassi zu gehen, auf die Kinder aufzupassen oder für sie in die Apotheke zu gehen. Luxemburger Studenten haben sich auf Facebook zusammengetan, um den „Primanern“ unseres Landes bei Bedarf Nachhilfe zu geben.

Me Krieger hält von dieser aufkommenden Solidarität „is auf Weiteres“ noch nicht allzu viel. Als Vorsitzender der „Union des propriétaires“ ließ er es sich im Interview mit dem Radio 100,7 nicht nehmen, den Immobilienbesitzern dazu zu raten, bis auf Weiteres nicht auf die Mietzahlungen der Geschäftsleute zu verzichten. Kleinen Unternehmen wie Imbissbuden, Restaurants oder Friseuren ist jedoch von heute auf Morgen der komplette Umsatz weggebrochen. Hier wäre es, bei aller Liebe für den Kapitalismus, doch das richtige Zeichen gewesen, diese Zahlungen „bis auf Weiteres“ auszusetzen. Ein weiteres Zeichen der Solidarität wäre es, Familien, die aufgrund der Corona-Krise vor ungewissen Zeiten stehen, solange kein existenzieller Eigenbedarf besteht, die Mietzahlungen zu erlassen und sie nicht „bis auf Weiteres“ weiter finanziell zu belasten.

Die Krise als Chance

Die Krise, in der wir uns befinden, so schlimm sie auch augenblicklich ist, wird ebenfalls eine Chance bieten, bestehende Formen unseres Systems zu hinterfragen. Kevin Kühnert, Vorsitzender der Jusos in Deutschland, wurde dafür belächelt, als er die Frage aufwarf, ob die Verstaatlichung großer Unternehmen nicht auch Vorteile bieten könne, auch wenn dies im Gegensatz zum jetzigen kapitalistischen Wirtschaftsmodell stehen würde.

Die aktuellen Entwicklungen in der Privatwirtschaft und auf dem Kapitalmarkt geben ihm nicht unrecht. Müssen beim Kauf massenproduzierter Waren die Einkaufspreise bis auf den letzten Cent gedrückt werden? Gerade jetzt würde es jedem europäischen Land zugutekommen, wenn Atemmasken lokal produziert werden würden und man nicht auf diplomatischer Ebene die ganze Welt abtelefonieren müsste, um sicherzustellen, dass man dieses Material erhält.

Es wird spannend sein, welche Schlüsse die Regierungen in Europa aus dieser Krise ziehen werden. Wenn diese Krise dazu beiträgt, dass Teile der Bevölkerung sich „bis auf Weiteres“ weniger über die Pendler auslassen, wenn egoistische Beiträge wie der von Me Krieger „bis auf Weiteres“ weiter öffentlich hart kritisiert werden und wenn Herangehensweisen im Gesundheits- und Wirtschaftssystem überdacht werden, kann diese Krise doch zu etwas Positivem beigetragen haben.

Lucilinburhuc
29. April 2020 - 11.35

Me Krieger stellt einfach klar dar wie die Welt regiert wird durch ... Nein eben nicht Geld sondern Macht! Derjenige der die Macht hat fordert und bekommt das Geld. Selbständige mit wenigen Mitarbeiter haben keine Macht. Großunternehmen dagegen schon weil eben tausende Mitarbeiter Wähler darstellen und damit das öffentliche Interesse auf sich zieht.

J.C.Kemp
8. April 2020 - 17.37

Wa mer erem am Normalberäich si, waerten se sech zu Wuert melle fir ze fuerderen, dat Grenzkontrollen eng nei Epidemie an Zukunft verhënneren. Elo trauen se sech net an halen sech ganz butzeg.

Rosie
3. April 2020 - 14.12

Déi hetzen elo all online.

Laird Glenmore
3. April 2020 - 10.03

Gleiches gilt im Übrigen auch für den Polizisten und den Müllmann, wenn auch in geringerem Maße. Diese oben aufgeführten verdienen vielleicht mehr, sind aber durch ihren täglichen Einsatz genauso gefährdet wie Altenpfleger/innen, Krankenschwestern oder wie meine Nachbarin die für Repas sur Roue arbeitet und jeden Tag mit zig Fremden Umgang hat ( Essen bringen und deren telefonisch bestellten Einkäufe ). Ich finde das Menschen die wirklich etwas leisten eh unterbezahlt sind und die so genannten Manager, wovon manche so wie so nur den Job durch Relationen haben, überdurchschnittlich viel verdienen, na nicht verdienen sondern bekommen, wenn sie nach Leistung ihr Salär bekommen würden müßten einige noch Geld mitbringen. Menschen wie Me Krieger sind nur Klugscheißer, aber wenn sie selber mal in eine solche Situation kommen wird ihnen schon das Lachen vergehen und dankbar sein wenn jemand da ist der sich um sie kümmert.

DeKlengeFuuss
2. April 2020 - 19.15

Ee ganz interessanten an intelligent geschriwwenen Artikel vum Här Molitor, deen d'Saach méi wéi op de Punkt bréngt. Bravo!

GeTee
2. April 2020 - 17.13

Corona-sei-Dank wird diese Krise auch dem profitgeilsten Immobilienmogul zeigen dass man Geld nicht fressen kann !!!!!

Jimbo
2. April 2020 - 16.50

Vläicht lauschtert Där och net genuch hin?