Interview mit künftigem StabschefOberstleutnant Steve Thull über Krisen und die Armee

Interview mit künftigem Stabschef / Oberstleutnant Steve Thull über Krisen und die Armee
Lieutenant-Colonel Steve Thull wurde am 1. Oktober 1991 als Offizier der Luxemburger Armee vereidigt. Er wird am 29. September in den Rang eines Generals aufsteigen. Foto: Direction de la Défense

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Luxemburgs Armee befindet sich im Wandel, internationale Verpflichtungen und gesellschaftliche Entwicklungen drücken dem Militär ihren Stempel auf. Das weiß auch Lieutenant-Colonel Steve Thull. Der Offizier tritt am 29. September die Nachfolge von General Alain Duschène an. Der Stabschef tritt dann nach 42 Jahren Dienst in den Ruhestand.

Tageblatt: Oberstleutnant Thull, Corona dominiert die Schlagzeilen. Wie wird Ihr Alltag momentan von der Pandemie beeinflusst?

Steve Thull: Mein Alltag gleicht dem der anderen Menschen. Wir versuchen in Krisenzeiten bestmöglich über die Runden zu kommen. Auch unsere Leute arbeiten soweit es geht im Home Office. Es ist die Aufgabe meiner Abteilung (Information und Kommunikation, Anm. der Red.), ihnen die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Dann muss ich mich gleichzeitig auch auf bevorstehende Aufgaben als Stabschef vorbereiten. Es sind dies entscheidende Zeiten für das Militär. Deshalb versuche ich, die Zukunft nicht aus dem Blick zu verlieren. Nur ist es etwas schwierig, weil gerade meine Abteilung extrem gefordert ist. Bei uns geht sozusagen die Post ab.

Regelmäßig wird von Kritikern die Daseinsberechtigung der Armee infrage gestellt. Liefert die Corona-Krise ein Gegenargument?

In Krisenzeiten kommt die Bedeutung einer Armee zum Tragen. Es ist die ideale Gelegenheit, dem Bürger zu zeigen, was man zu leisten imstande ist. Und dass wir für die Menschen da sind. In diesem Sinn ist es natürlich eine Chance. Allerdings ist es immer besser, wenn das Militär nicht zum Einsatz kommt. Schließlich bedeutet das, dass alle Stricke gerissen sind. Eine glaubwürdige Verteidigung trägt allerdings dazu bei, dass ein Land nicht herausgefordert wird. Von dieser Sicherheit profitieren wiederum Wirtschaft und Gesellschaft, die Grundelemente eines erfolgreichen Sozialstaates. Somit hat die Armee tatsächlich eine Daseinsberechtigung – die dem Bürger in Friedenszeiten allerdings verborgen bleibt.

Sie sprechen von entscheidenden Zeiten für das Militär. Was sind die Herausforderungen der Zukunft?

Wir sind dabei, das Kerngeschäft der Luxemburger Armee umzustellen. In der Aufklärung sollen künftig verstärkt Drohnen zum Einsatz kommen. Für das Personal bedeutet das eine enorme Anpassung. Wir müssen verstärkt in Ausrüstung investieren, die auf komplexen Technologien basiert. Auch die müssen beherrscht werden. Dann müssen noch Frequenzen für die Drohnen eingerichtet werden. In diesem Bereich stecken wir noch in den Kinderschuhen. Eine weitere Herausforderung besteht darin, den Anforderungen der NATO gerecht zu werden. Auch nützen die besten Ideen nichts, wenn die Belegschaft nicht am gleichen Strang zieht. Außerdem könnten wir angesichts dieser Aufgaben durchaus mehr Personal gebrauchen. Die Technologien entwickeln sich ständig weiter, was eine gewisse Anpassungsfähigkeit von unseren Leuten verlangt. Das zu vermitteln, ist eine weitere Herausforderung.

Vor kurzem hat der ehemalige Befehlshaber der niederländischen Streitkräfte General Tom Middendorp bei einem Besuch in Luxemburg vor den Gefahren des Klimawandels für die Weltsicherheit gewarnt. Haben Sie diesen Feind auch im Visier?

Das Klima muss in die militärische Planung unbedingt miteinbezogen werden. In vielen internationalen Krisen wirken der Klimawandel und seine Folgen als Multiplikator. In Syrien etwa führten schlechten Ernten zu Hungersnöten, welche die Probleme zwischen den Parteien noch verschärft haben. Ähnliches passiert auch in Afrika und in anderen Krisenregionen. Deshalb denke ich, dass das Klima uns in den nächsten Jahren noch durchaus in Schach halten wird. Auf die luxemburgische Armee bezogen, werden natürlich sämtliche Investitionen in die Zukunft, Anschaffungen oder Sanierungen mit einem nachhaltigen Gedanken angegangen. Uns ist viel daran gelegen, die Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren. Ansonsten tragen wir ja selbst zur Verschlimmerung der Lage bei.

Stichwort Personalmangel. Wie wollen Sie das Problem in den Griff bekommen?

Angesichts sämtlicher Aufgaben und Missionen mangelt es tatsächlich an Personal. Das ist eine Tatsache. Allerdings muss man auch relativieren: Dass sich immer weniger Menschen für eine Karriere beim Militär interessieren, ist nicht nur in Luxemburg der Fall. Auch andere Länder in Europa sind mit diesem Phänomen konfrontiert. Darüber hinaus wurden mit der Ausweitung der Kapazitäten in den letzten Jahren viele neue Felder in der Armee eröffnet, die wiederum mit Personal besetzt werden müssen. Wir haben die geringste Truppenstärke der NATO, doch viele unterschiedliche Einheiten, wie etwa Aufklärung, Transport, Katastrophenschutz, Drohnen, Satelliten oder das neue Flugzeug und Hubschrauber. Im gleichen Umfang hätten wir neues Personal benötigt, das wir aber nicht bekommen haben. Dieses Problem haben andere Armeen nicht. Kein Land hat so viel in Militärausgaben investiert wie Luxemburg.

Was wiederum den NATO-Anforderungen geschuldet ist …

Luxemburgs Verteidigungsausgaben wurden in den letzten Jahren von 0,4 auf 0,6 Prozent erhöht. Auch wenn das Großherzogtum damit immer noch Schlusslicht ist in der NATO: Bis jetzt hat es keine andere Armee fertiggebracht, ihre Kapazitäten innerhalb nur weniger Jahre um die Hälfte zu erhöhen. Mit den Ausgaben allein ist es ja nicht getan. Diese Projekte müssen auch in die Tat umgesetzt werden, mit dem entsprechenden Material und Personal.

Ein Problem, das auch die Armeegewerkschaft regelmäßig anschneidet?

Die Gewerkschaft stellt sich natürlich hinter ihre Mitglieder und kritisiert, dass vieles zu schnell umgesetzt wurde und nicht durchdacht war. Das ist aus dieser Perspektive auch nachvollziehbar. Als Hierarchie hingegen treten wir selten vor die Presse, um unsere Sicht der Dinge zu erklären. Wir reden aber mit den Gewerkschaftsvertretern. Die kennen unseren Standpunkt. Angesichts der Ausweitung der Missionen kommt bei gleichem Personalstand notgedrungen mehr Arbeit auf jeden Einzelnen zu. Vor diesem Hintergrund können Überstunden nicht vermieden werden. Jeder muss eine Hand mit anpacken. Wichtig ist, dass unsere Leute die Gründe kennen und verstehen. Deshalb werde ich das Gespräch mit den Menschen suchen. Von der Gegenseite erwarte ich aber auch ein gewisses Verständnis für die Lage. Es hilft niemandem, daraus ein Politikum zu machen. Ich hoffe auf jeden Fall, gemeinsam im Gespräch eine Lösung zu finden.

Wie wollen Sie sich noch mit einbringen?

Eine der größten Herausforderungen ist, die Neuausrichtung der Armee auf gerade Bahnen zu bringen. Dann will ich aber auch der Kommunikation mit den unterschiedlichen Personalvertretern mehr Platz einräumen. Das beste Führungspersonal nützt nichts, wenn das Personal nicht an einem Strang zieht. Wichtig ist, dass jeder versteht, welche Richtung die Armee einschlägt. Und dass jeder bereit ist, diese Richtung mit einzuschlagen. Das sind wir unseren Soldaten schuldig. Außerdem kann eine gute Stimmung innerhalb der Truppe durchaus dazu beitragen, dass sich wieder mehr Menschen für eine Karriere beim Militär interessieren. Ich will auch dafür sorgen, dass die Digitalisierung der Armee bei jedem Einzelnen in Fleisch und Blut übergeht.

Nach der Bekanntgabe der Nominierung hatte Verteidigungsminister François Bausch viel Lob für Oberstleutnant Steve Thull (rechts) übrig. Er folgt General Alain Duschène (links), der im Herbst in den Ruhestand tritt. 
Nach der Bekanntgabe der Nominierung hatte Verteidigungsminister François Bausch viel Lob für Oberstleutnant Steve Thull (rechts) übrig. Er folgt General Alain Duschène (links), der im Herbst in den Ruhestand tritt.  Foto: Direction de la Défense 

Verteidigungsminister François Bausch hatte nach Bekanntgabe der Nominierung viel Lob für Sie übrig. Sie seien der ideale Mann, um die Armee auf die Zukunft auszurichten …

Dass der Minister mir dieses Vertrauen schenkt, habe ich vor allem meinen ehemaligen Vorgesetzten zu verdanken. Sie alle haben mir die nötigen Kenntnisse beigebracht, die ich benötige, um als künftiger Stabschef bestehen zu können. Ohne deren Hilfe wäre ich heute sicher nicht in dieser Position. Deshalb werde ich versuchen, ein Maximum an Transparenz mit einzubringen, auch im Umgang mit den Offizieren, Unteroffizieren und Soldaten. Ich für meinen Teil bin bereit, mich für jeden Einzelnen einzusetzen und konsequent nach vorne zu blicken. Ich hoffe, dass das Personal mir sein Vertrauen schenkt und mit der gleichen Konsequenz dieselbe Richtung einschlägt.

Biografie

Lieutenant-Colonel Steve Thull absolvierte von 1987 bis 1991 eine Ausbildung zum Offiziersanwärter an der Königlichen Militärakademie in Brüssel und wurde am 1. Oktober 1991 zum Leutnant ernannt. Von 2006 bis 2007 besuchte er einen Kurs für höhere militärische Ausbildung in Paris. Bevor er Kompaniekommandant wurde, war er Mörser-, Panzerabwehr- und Spähtruppführer. Danach diente er in verschiedenen Stabspositionen, darunter als Personal- und Öffentlichkeitsreferent des Heeres, als stellvertretender Kommandant des Militärzentrums, als stellvertretender Studien- und Planungsoffizier des Heeres und zuletzt als Offizier für Informations- und Kommunikationssysteme. Dazu gehören die operative Planung und Umsetzung der Informations- und Kommunikationssysteme bei Übungen und Einsätzen, die Cyber-Verteidigung und die Sicherheit der Systeme. Oberstleutnant Steve Thull nahm an der IFOR-Mission der NATO in Bosnien und Herzegowina teil sowie an der EUFOR-Mission im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik. Thull ist 52 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder.

Ernesto
2. April 2020 - 20.49

@Blaat Gaston Wéi ass dat gemengt w.e.g.? Gitt roueg Äre konstruktive Beitrag dozou of, ech, an all déi aner Lieser freeë sech bestëmmt drop. Et ass iwwregens net „anonym“, mä just ënner Virnumm als „Pseudonym“ geschriwwen. ;-)

Blaat Gaston
2. April 2020 - 15.20

@Ernesto. Schued dass esou revolutionär Ideen haut leider anonym bleiwen mussen , oder ?

Ernesto
2. April 2020 - 11.48

Hu mir dann elo nach näischt bäigeléiert? Mir gi net ugegraff vu frieme Leit a mir brauchen och net der NATO gerecht ze ginn. Mä elo no der Kris ass bestëmmt - wa mir esou weidermaache wéi virdrun - virun der nächster Kris. Dës Kris weist eis wéi ufälleg eise ganze System ass, a mir sollten eis bewosst ginn, dass mir all am selwechte Boot sëtzen. Dofir soll méi an Hëllefsstrukturen investéiert ginn. D'Arméi soll ofgeschaaft ginn, an deem Sënn, dass et dono keng Arméi méi gëtt mä eng "Hëllefstrupp" fir Leit och wierklech ze hëllefen, amplaz eist d'Geld fir d'NATO a Waffen, an Dronen, a Militärsatellitten, asw. ze verschleideren. An der Kris elo gi Milliarde Gelder labber gemaach, d'Welt steet zimmlech roueg, a géife mir mol doriwwer nodenken, dono an anere Beräicher vill méi Suen ze investéieren, an ee Land deem aneren och wierklech hëllefen, da géif et der Mënschheet besser goen. Grad elo ass Solidaritéit an Hëllef gefrot a net weider Oprëschtung, well dat huet eis nach ni weiderbruecht. Dës Kris kéint e Reboot si wéi beim Computer, dono hu mir e neit Betribssystem, wat anescht ausgeriicht gëtt. Vill Saache wäerte sécher bäibehale ginn, déi sech elo positiv entwéckelt hunn. Mir musse just weider positiv u gemeinsame Léisunge fir d'Problemer vun der Mënschheet schaffen. Am soziale Beräich, am Ëmweltberäich, den Honger an der Welt, Bildung- a Gesondheetssystemer, asw. An an Zukunft dierft net méi alles op Wuesstem ausgeriicht sinn. Well domat maache mir alles weider futti. Manner ka méi sinn. Räich Länner dierfe net méi hiren iwwerdriwwene Liewensstandard op Käschte vun deene méi aarme Länner oprechterhalen. Denkt mol all e bëssen ëm a mir all sollen eise Liewensstil mol a Fro stellen, an eis iwwerleeë wat een ännere kéint. Net nëmmen d'Politik an d'Industrie ass gefuerdert, well jo ëmmer mam Fanger op déi gewise gëtt, mä mir alleguer, all Eenzelen zielt, an ass gefuerdert.